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Knabenchorfestival in Bad Tölz

Musik verbindet

Von Benjamin Engel

Bad Tölz, 29.5.2017 – Schwieriges einfach und unangestrengt aussehen zu lassen, ist Kulminationspunkt jeglicher Kunst. Wie wichtig dafür die Grundlagenarbeit ist, wusste schon der österreichische Komponist Anton Bruckner (1824-1896) mit dem Satz „Wer einen hohen Turm bauen will, muss lange bei den Fundamenten verweilen“ prägnant zusammenzufassen. Und das war auch beim Galakonzert im Kurhaus zum mittlerweile vierten Knabenchorfestival in Bad Tölz eindrucksvoll zu hören. Wie schon in den Vorjahren konnte das Publikum drei Knabenchöre der Spitzenklasse erleben:  den Tölzer Knabenchor, die St. Florianer Sängerknaben aus Oberösterreich und den Knabenchor Dubna aus Russland.

Die Tradition der St. Florianer Sängerknaben – ihnen gehörte auch Anton Bruckner an – ist lang. Bereits 1071 entstand der Chor im Stift St. Florian nahe dem oberösterreichischen Linz. Ureigene Aufgabe: die Kirchenmusik zu pflegen. Doch ihr Repertoire ist weit vielschichtiger und vor allem können die St. Florianer ein gewisses Showtalent kaum verbergen. So schnappen sich zwei von ihnen beim Donauwalzer von Johann Strauß zwei Damen aus dem Publikum und drehen sich mit ihnen zu den Klängen der Musik auf der Bühne, unter ihnen Barbara Schmidt-Gaden, Mezzosopranistin und Tochter des Tölzer Knabenchor-Gründers. Lebhaft tänzerisch gerät auch der Banditen-Galopp. So viel Lokalkolorit verstärken noch die Tritsch-Tratsch-Polka und der Radetzky-Marsch von Johann Strauß (Vater).

Schuhplattler-Einlage inklusive

Doch die St. Florianer nähern sich auch dem Musical mit Edelweiß aus The sound of music von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein. Mit den Volksliedern aus Oberösterreich „Drum san ma Landsleut“ und „Hets Spielleut, spielts auf“ geben sie sich wieder ganz traditionsverhaftet – eine zünftige Schuhplatter-Einlage inklusive. Das Publikum reagiert mit „Bravo-Rufen“. Und zusätzlich zu solch unterhaltenden Showelementen stimmt auch die Qualität: Stimmschön und klangrein präsentieren sich die St. Florianer Sängerknaben unter ihrem künstlerischen Leiter Franz Farnberger.

Von den Österreichern in Matrosenanzügen oder hellbraunen Lederhosen mit hellblauem Hemd hebt sich der Knabenchor aus Dubna schon rein optisch ab. Im blütenreinen Weiß von den Schuhen bis zu den Hemden stehen sie auf der Bühne. Nur die Krawatten in den russischen Nationalfarben rot, blau und weiß geben Farbtupfer. Und die Sänger bleiben viel mehr in Position. Zudem ist der Knabenchor im Vergleich zu den St. Florianern fast noch ein Nesthäkchen, existiert erst seit 1983, doch schnell gewann er Renommee, vor allem dank der Leiterin Olga Mironova.

Rhythmisch vorwärtsdrängend gerät das Spiritual „Elijah Wood“. Und bei „Hats“ von Hank Beebe greifen die Sänger zum Hut und zeigen, dass die Kopfbedeckungen viel mehr als nur vor Kälte schützen können, etwa als freundlicher Gruß ans Publikum über dem Kopf geschwenkt. Die stilistische Vielfalt zeigt sich bei „Let God arise“ von Dmitriy Bortnyanskiy – er war für die Entwicklung der deutschen Kirchenmusik im 19. Jahrhundert prägend – und dem Gospel „Praise his holy name“ von Keith Hampton. Krönender Abschluss ist das russische Volkslied „Barynia“.

Zum Final alle gemeinsam

Alle Chöre sind auch mit Männerstimmen angereist. Die eigenen Solisten treten für ihre Allein-Parts nach vorne und verschmelzen anschließend sängerisch wieder mit der Gruppe. Das Schema der Auftritte orientiert sich an den Vorjahren. Erst singen die Chöre alleine, um dann zum großen Finale gemeinsam auf der Bühne zu stehen.

Die Tölzer kommen ganz in bayerischer Tracht – in Kniebundlederhosen und rot-weiß-karierten Hemden. Unter ihren Chorleitern Clemens Haudum und Christian Fliegner brillieren sie stimmlich und im Text fein artikuliert. Rhythmisch äußerst präzise sind die Tanzlieder von Carl Orff. Gefühlvoll klingt „La Carità“ von Gioacchino Rossini. Bei „Ride the Chariot“ fallen dann die Männerstimmen mit ein. In geschmackvollem Arrangement gibt es zum Abschluss das Tiroler Volkslied „Feierabend läuten d`Glocken ein“.

Zum großen Finale mit allen drei Chören beim gemeinsamen Auftritt ist auf der Bühne dann fast kein Platz mehr, so dichten stehen die Sänger. Mit dem Gospel „Oh Happy Day“ und der jubelnden Feier des Lebens endet schließlich ein abwechslungsreicher und stilistisch vielschichtiger Abend. Und wieder einmal zeigt sich – Musik kann verbinden über alle Schwierigkeiten und Zwistigkeiten hinweg.

Fotos: Benjamin Engel


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