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Historischer Verein Wolfratshausen

Lebendige Bierkultur in Wolfratshausen

Von Peter Herrmann

Wolfratshausen, 23.1.2017 – Zum 20-jährigen Bestehen des Historischen Vereins Wolfratshausen hieß es am Freitagabend im Pfarrsaal St. Andreas „Frisch eigschenkt“. Auf der Feier wurde das Publikum mit Kurzvorträgen, Lesungen, Filmeinspielungen, Sketchen und Musikbeiträgen auf eine amüsante Zeitreise entführt.

Bierrevue krönt 20-Jahr-Feier

Otmar und Benedikt Fagner vom gegenüberliegenden Humplbräu zapften am Freitagabend im Vorraum Kellerbier und bereiteten mit ihrem Team die Brotzeit für die Pause vor. Das Publikum, unter ihnen Dritter Landrat Klaus Koch, Zweiter Bürgermeister Fritz Schnaller und einige Stadträte, ließ sich danach von den Protagonisten der zweieinhalbstündigen Veranstaltung auf eine amüsante Zeitreise entführen. Regisseur Claus Steigenberger formte derweil die Kurzvorträge, Lesungen, Filmeinspielungen, Sketche sowie die Musikbeitrage von Heini Zapf und der Kapelle Reichenbach zu einer harmonischen Einheit.

Wichtige Bedeutung des Gerstensaftes seit Jahrhunderten für die Menschen

Welch wichtige Bedeutung der Gerstensaft seit Jahrhunderten für die Menschen hat, zeigte sich schon in der ersten Filmeinspielung. Sybille Krafft hatte für das Bayerische Fernsehen Szenen vom Starkbierfest auf dem Münchner Nockherberg aus den 1960er Jahren zusammengeschnitten. Eine berauschte Menschenmenge lauschte da den bissigen Gstanzln des Roider Jackl. Eine „lebendige Bierkultur“ gab es laut Paul Brauner auch in Wolfratshausen. So wurde im Humplbräu schon im Jahre 1619 Bier gebraut, weitere Brauereien reihten sich im 19. Jahrhundert am Unter- und Obermarkt dicht aneinander.

„Im Jahr 1803 trank jeder Wolfratshauser im Schnitt fast 1,5 Liter Bier am Tag“

Ob Hader-, Besen-, Nudel- oder Ochsenbräu – produziert wurden große Mengen. Und auch konsumiert: „Im Jahr 1803 trank jeder Wolfratshauser im Schnitt fast 1,5 Liter Bier am Tag“, rechnete Brauner vor. Da erscheint es fast nachvollziehbar, dass nicht nur in München bei einer moderaten Erhöhung des Maßpreises von 24 auf 26 Pfenning regelrechte Bierkrawalle ausbrachen. Anja Brandstäter berichtete in einem Kurzvortrag, dass damals in Oberbayern sogar einige Wirtshäuser angezündet wurden. Christine Noisser, die zwischen den Vorträgen in die Rolle der Kellnerin Liesl schlüpfte, blickte auf diese Zeit fast wehmütig zurück: „Früher ist viel mehr gesoffen worden. Heute muss man froh sein, wenn an Stammtischen drei leichte Weißbiere getrunken werden“.

Zunftstangen und Kinderbierkrüge

Um diese Entwicklung zu veranschaulichen, präsentierte Annekatrin Schulz Exponate aus dem Wolfratshauer Heimatmuseum. Kuriositäten wie zum Beispiel ein Schlüsselanhänger des „Vereins gegen die Verarmung der Bierbrauer“ oder ein kleiner Kinderbierkrug brachten die gut gelaunten Bierrevue-Besucher besonders zum Lachen.

Bernhard Reisner verwies auf die Pionierarbeit von Carl von Linde. Der Wissenschaftler und spätere Firmengründer hatte 1876 den ersten Kühlschrank sowie andere Kühlsysteme erfunden. „Das war ein Segen für die Bierbrauer. Davor musste das Eis noch mühsam geschnitten und in Bierkellern eingelagert werden“, erzählte der Vize-Vorsitzende des Historischen Vereins.

Dass die Verehrung des Biers mitunter fast religiöse Züge annahm, zeigte eine von Kolping-Vorstandsmitglied Franz Holzheu präsentierte Zunftstange der Wolfratshauser Brauer. Die Restaurierung der kunstvollen Schnitzereien kostet zwischen 1.500 und 3.000 Euro. Dagegen vermittelte Claus Steigenberger in zwei von ihm vorgetragenen Lesungen auch die Exzesse und negativen Begleiterscheinungen übermäßigen Bierkonsums. So nahm Oskar Maria Graf einst mit seinem Patenonkel zu Fuß den Weg von Berg am Starnberger See nach Wolfratshausen auf sich, um dann im Humplbräu ein aus den Fugen geratenes Weißwurstessen zu beobachten. Dort übergaben sich die Menschen, die über den Durst getrunken hatten. Nicht anders ging es den Protagonisten in einer Erzählung des 1938 viel zu früh verstorbenen Schriftstellers Ödön von Horvath. Die in einer lockeren Runde interviewte Wirtsfamilie Fagner möchte ihren Beruf dennoch mit keinem anderen tauschen. „Ich habe so viele nette Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte“, berichtete die mittlerweile 80-jährige Zilla Fagner. Mit einer von Claus Steigenberger, Wiggerl Gollwitzer und Christine Noisser gespielten Wirtshausszene endete die abwechslungsreiche Bierrevue. Dritter Landrat Klaus Koch und Zweiter Bürgermeister Fritz Schnaller überreichten den Vorsitzenden des Historischen Vereins anlässlich des 20-jährigen Bestehens Geldkuverts. „Wir sind stolz und dankbar, dass wir diesen Verein in Wolfratshausen haben“, sagte Schnaller begleitet von den stehenden Ovationen des Publikums.

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