Das Magazin für das Bayerische Oberland

Bad Heilbrunn

Mikrokosmos des Schmäh

von Claudia Koestler

Bad Heilbrunn, 5.11.2016 – Ein österreichischer Kabarettist, der Dialektadaptionen bekannter Pophits zum Besten gibt: Das klingt vielleicht zunächst nicht unbedingt nach einem Erfolgsrezept, das Musikliebhaber wie Musikkenner locken oder gar begeistern kann. Doch Stefan Leonhardsberger gelingt genau das: Mit seinem Programm „Da Billi Jean is ned mei Bua“ interpretiert der Musiker, Schauspieler und Kabarettist Leonhardsberger Klassiker der Popmusik neu und macht daraus ziemlich eigene, vor allem aber mitreissend skurrile Austro-Pop-Geschichten, unterstrichen von einer unaufdringlichen, aber punktgenauen Gestik und Mimik. Obendrein mit geschulter Stimme und gespielter Ernsthaftigkeit, mal leise und intim, mal wild, laut und extrovertiert, entführt er das Publikum so in einen eigenen, höchst unterhaltsamen Mikrokosmos des Schmäh.

Kein Wunder also, dass sein Auftritt jüngst im Bad Heilbrunner Kursaal ausverkauft war. Zum ersten Mal veranstaltete der Wolfratshauser Impresario Michel Amato dort einen Abend, und das Gastspiel wurde zum vollen Erfolg, im wahrsten Sinne des Wortes.

Zusammen mit dem Augsburger Gitarristen Martin Schmid nahm Leonhardsberger das Publikum also mit auf eine humorvolle, so ironische wie selbstironische Reise durch die Popmusik, „in astreinem Hochdeutsch mit leicht österreichischer Färbung“, wie er selbst sagte. „Es ko sei, dass es wos net verstehts.“ Schließlich sei er im Mühlviertel aufgewachsen, dem oberösterreichischen „Auenland“. „Hier leben kleine Männer mit haarigen Füßen“, erinnert sich der Liedermacher.

Über Womenizer, Freundschaften und die Sommerzeit

Es zog ihn, wie so viele andere, schließlich in eine Zwölf-Quadratmeter-Studentenwohnung, nach Wien. Nach Anfangsschwierigkeiten lernt der damals 20-jährige Leonhardsberger einen Mann namens Tonnick kennen, für den das Wort Womenizer erfunden wurde. Grund genug, ihm ein Ständchen zu widmen und auch den Liederabend entsprechend zu benennen: „Da Billi Jean is ned mei Bua.“ Die Geschichte ist simpel: Tonnick wird Vater – und von der Nachricht überrascht. Die Melodie für den Hit liefert kein Geringerer als Michael Jackson. „In da Post liagt a Brieferl drin, a G’richtstermin, mei Pump’n springt, da steht ja drin, dass i jetz Vada bin“, heißt es in der ersten Strophe zum titelgebenden „Da Billi Jean is ned mei Bua“.

Das Exzentrische, den angedeuteten Moon-Walk, den Griff in den Schritt, das Flirten mit dem Publikum: Aufgaben von Leonhardsberger, die er mit Leichtigkeit wegtanzt. Dem weiteren Schicksal des titelgebenden Billi Jean widmeten die beiden im Verlauf des Abends noch mehrere Lieder. Und in einem anderen Song wurden die Musiker gar politisch: Er forderte einen Umsturz der Zeitumstellung. Natürlich bedarf es dazu einen passenden Cover-Song und schon wurde Lana del Reys „Summertime Sadness“ zu Leonhardsbergers „Sommerzeit Jetlag“, der sich so anhört: „Hey, i spinn, warum is scho so hell, g’fuit is doch erst simme, seit wann geht des so schnell. I hab kei Zeit zum Grübl’n, i bin scho a Stund spat und renn durch die Stadt. Stell die Uhr bevor du gehst – Sommerzeit-Umstellung. I wollt nur, dass du verstehst: Heit fehlt uns a Stund.“

Noch eine Kostprobe? In ihrer Version von Rihannas “Umbrella” zerbricht eine Freundschaft beinahe an einem Bissen Schnitzel: „Du bist mei’ Freind, und wirst es immer sein,  egal was no passiert, du weißt, i steh zu dir, und Oider nur mit dir, teil i mei letztes Bier, spend’ dir a meine Nier’n, tät gar nach Grönland zieh’n. Aber denk an mei’ Bedingung, zerstör uns nicht die Stimmung, lass die Finger von mei´m Teller, -eller, -eller, ääh, ääh, bäh, Finger weg von mei´m Teller ... “

Seinen Bühnenpartner Martin Schmid, von Leonhardsberger als „Schwabenteufel aus Augsburg“ angekündigt, verzichtete hingegen gekonnt auf Worte und schwieg beinahe den ganzen Abend. Stattdessen kommentiert er die Songs mit gespitzten Lippen, schlackernden Backen oder verzweifelten Blicken und sorgt mit seiner theatralischen Mimik und Gestik für einige Lacher.
Freilich, in die gängigen Schubladen passt das alles nicht: Für ein Konzert war es einfach zu lustig, für Kabarett wiederum zu musikalisch. Aber wer will schon über Schubladen nachdenken, wenn etwas funktioniert und treffsicher unterhält. Spätestens beim letzten Lied „Bsoffener Tänzer“, ein Cover von Tina Turners Ohrwurm „Private Dancer“, wippte und juchzte dann das gesamte Auditorium hingerissen mit und wollte Leonhardsberger eigentlich gar nicht mehr weiterziehen lassen.

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