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Lenggries

Neues Gipfelkreuz am Schafreuter

von Benjamin Engel

Lenggries, 6.10.2016 – Für die rund 30 Alpenvereinsmitglieder beginnt am Samstagvormittag gegen 10.30 Uhr am steilen Süd-Gipfelhang des Schafreuter oberhalb der Tölzer Hütte erst die entscheidende Aufgabe: Sie müssen den etwa 120 Kilogramm schweren Haupt- und rund 60 Kilogramm schweren Querbalken für das neue Kreuz am Gipfel des 2102 Meter hohen Berges im Vorkarwendel an der Grenze von Bayern und Tirol nach oben wuchten. So treibt ihnen die Anstrengung bald den Schweiß auf die Stirn. Um kurz vor 11 Uhr durchbricht am Steig nur das rauen Krächzen der Bergdohlen die Stille – und die kurzen Kommandos von Hans Schwaiger: „Auf geht`s“, „Aufpassen“, „Rast“, ruft er den Alpenvereinsmitgliedern mit ihrer schweren Last in regelmäßigen Abständen zu.

Der schmale Steig windet sich oberhalb der Tölzer Hütte durch Latschen, Fels und Geröll bis zum Gipfel: Schon ein normal-geübter Wanderer schafft das mit ein wenig Kraxelei etwa in einer Dreiviertelstunde. Die Mitglieder der Tölzer Alpenvereinssektion brauchen mit ihrer schweren Last nur rund 25 Minuten länger. Als das Kreuz fast genau um Punkt zwölf Uhr in der Verankerung steht, entfährt Paul Schenk, Vorsitzender der Tölzer Alpenvereinssektion, nur ein Wort nach all der Plackerei: „Wahnsinn“. Er ist froh, dass sich niemand beim beschwerlichen Aufstieg verletzt hat und alles reibungslos funktioniert hat. „Das ist einfach ein Traum.“

Mit der Ruhe in den Bergen ganz am südlichen Ende Bayerns war es vor fast fünf Wochen erst einmal vorbei: Ein bis jetzt noch immer Unbekannter hatte das alte seit 13 Jahren auf dem Schafreuter stehende Gipfelkreuz mit der Axt so stark beschädigt, dass es aus Sicherheitsgründen entfernt werden musste. Dann stellten auch noch Mitglieder einer rechtsextremen Gruppierung einen dürren Ersatz auf. In den vergangenen Wochen haben nun sieben Tölzer Berufsschüler im dritten Lehrjahr aus der Zimmererklasse das neue Gipfelkreuz angefertigt. Der Tölzer Holzbauhändler Hans Dostthaler hat die massiven Eichenbalken der Tölzer Alpenvereinssektion gespendet. Die Organisation kooperiert schon länger mit der Tölzer Berufsschule.

Das neue Kreuz an der Spitze des Schafreuter ist mit 4,70 Metern etwa 30 Zentimeter niedriger als das alte. Der Querbalken misst 2,77 Meter. Warum das neue Gipfelsymbol etwas kleiner ausgefallen ist, erklärt der 19-jährige Simon Abeltshauser aus Unterbuchen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Weil ein etwa 70 Zentimeter langer, tiefer Riss das eine Ende des Hauptbalkens durchzog, haben er und seine sechs Berufsschulkollegen diesen lieber gleich unterhalb des Risses gekappt. So sehe es schöner aus und außerdem könne kein Wasser in den Eichenbalken eindringen und das Holz später dadurch schädigen.

Abeltshauser wollte unbedingt mithelfen, die beiden Kreuzbalken auf den Gipfel zu bringen. Er gesteht, dass es schon sehr anstrengend gewesen sei, die massive Last auf dem schmalen Steig nach oben zu wuchten. Teils sei sehr wenig Platz gewesen und auf der Talseite gleich einige Meter steil nach unten gegangen. „Da muss man schon aufpassen. Aber das tut man sich gerne auf.“ Doch jetzt sei die Freude groß, sagt der junge Mann in Zimmermannshose nach dem Aufstellen. „Ich bin überwältigt.“

Etwa vier Stunden vorher um kurz vor 8 Uhr morgens sind die ersten Alpenvereinsmitglieder an der Talstation der Materialseilbahn zur Tölzer Hütte nahe des Gasthauses Kaiserwacht eingetroffen. Da scheint ins Rissbachtal zwischen Vorder-  und Hinterriß noch keine Sonne. Mit neun Grad ist es auf 850 Metern Seehöhe noch empfindlich kühl. Paul Schenk, Chef der Tölzer Alpenvereinssektion, hat die beiden Balken für das Gipfelkreuz im Anhänger von Tölz dorthin gefahren. Die Alpenvereinsmitglieder verladen die Eichenbalken in die Materialseilbahn. Auf der um die drei Kilometer langen Strecke surrt der Lastkorb in etwa 23 Minuten bis zur Bergstation bei der rund 1800 Meter hoch gelegenen Tölzer Hütte. Währenddessen gehen die Alpenvereinsmitglieder in kleinen Gruppen bergauf. Sie brauchen dafür etwa eineinhalb Stunden.

Von der Tölzer Hütte ist der Weitertransport bis zum Gipfel nur noch zu Fuß möglich. Gegen 10 Uhr beginnen an der Bergstation der Materialseilbahn die Vorbereitungen für die kräftezehrende Passage. Unter dem Hauptbalken bringen die Alpenvereinsmitglieder eine Radkonstruktion an, um sich beim Aufstieg leichter zu tun. Mit Spanngurten zurren sie zusätzlich vier Querhölzer fest, die als Griffe zum Transport des Balkens dienen. Anton Glasl, Wegewart in der Tölzer Alpenvereinssektion, hobelt die scharfen Kanten der Querhölzer runder, damit sich die Träger später daran weniger Blasen oder gar Verletzungen durch Holzspreißel an den Händen holen sollen, wie er sagt. Acht Mann heben den Hauptbalken an den vier Querhölzern schließlich auf, zwei gehen voraus und ziehen das Holz zusätzlich mit Seilen nach oben. Vier weitere Freiwillige schleppen den kleineren Querbalken hinterher.

Hans Schwaiger – er betreut im Sommer auf der Moosenalm am Schafreuter als Senner die Kühe von Bauern und kennt sich deshalb bestens aus – gibt die Kommandos. Vor 13 Jahren hat er bereits mitgeholfen, als der Alpenverein das Vorgängerkreuz am Berg aufstellen ließ. Er erinnert sich, dass damals etwa 25 bis 30 Leute mitgeholfen haben. 2003 seien sie mit den Balken allerdings den ganzen Weg vom Tal aus zu Fuß hinaufgegangen, rund fünf Stunden habe das gedauert. Das sei so Tradition gewesen. Das sieht Paul Schenk vom Alpenverein weniger eng. Der Sektionsvorsitzende hat die Freiwilligen intern für den Transport des Kreuzes zusammengetrommelt. Wozu hätte er ihnen eine so harte Plackerei vom Tal aus antun sollen, sagt er. Der Transport von der Tölzer Hütte sei schon anstrengend genug.

Schenk ist froh, dass es am Samstag trocken geblieben ist. Denn bei Nässe hätten sie die massiven Eichenholzbalken nicht über den Steig nach oben tragen können, zu gefährlich wäre dies auf schlüpfrigem Fels gewesen. Als alternative Möglichkeit zum Transport auf den Gipfel wäre in einem solchen Fall nur noch ein Lastenhubschrauber infrage gekommen.

Gegen 11.30 Uhr haben die Alpenvereinsmitglieder ihre schwere Last auf den Gipfel gebracht. Mit einem Hammer holt Abeltshauser aus und schlägt solange, bis die beiden Kerben von Haupt- und Querbalken perfekt ineinanderpassen. Dann verschraubt Max Nichtl, Hüttenwart der Tölzer Alpenvereinssektion, die mit dem Edelweiß verzierte runde Eisenplatte am Kreuzungspunkt von Haupt- und Querbalken. Jetzt fehlt nur noch der Blitzableiter. Den montieren die Alpenvereinsmitglieder am Kreuz und wuchten es mit gemeinsamer Kraftanstrengung schließlich in die Metallhalterung. „Stehen tut’s guad“, hallt es über den Berggipfel. Dann fehlt nur noch der Metallkasten für das Gipfelkreuz und ein wenig Lack an den Metallteilen für den Wetterschutz. Als alles so weit fertig ist, beten die Helfer gemeinsam das „Vaterunser“.

Noch fehlt allerdings der kirchliche Segen: Dafür wird Pater Thomas am Samstag, 8. Oktober, zum Gipfel des Schafreuter steigen. Wie Paul Schenk sagt, werden Alpenvereinsmitglieder den Geistlichen begleiten. Auch eine Abordnung der Tölzer Stadtkapelle sei mit dabei. Gegen 15 Uhr werde Pater Thomas das Kreuz segnen. Am Sonntag, 9. Oktober, folgt um 11 Uhr noch eine Bergmesse an der Tölzer Hütte zum Saisonabschluss.

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