Das Magazin für das Bayerische Oberland
Di230
23. Apr 2024
Mi240
24. Apr 2024
Fr260
26. Apr 2024
So280
28. Apr 2024
Mo290
29. Apr 2024
Di300
30. Apr 2024
Mi010
01. May 2024
Do020
02. May 2024

Historische Schifffahrt auf dem Starnberger See

Von Königs- und Fischergeschichten

Von Benjamin Engel

Berg/Münsing, 11.9.2017 – Die Historie am Starnberger See ist vielfältig – vom italienischen In-Lokal im 19. Jahrhundert, der Sommerfrische von Hofbeamten, Künstlern und Intellektuellen bis zu den Herrschaftssitzen der Wittelsbacher. Auf diese Spuren hat sich der Historische Verein Wolfratshausen begeben. Am Samstag hatten die Mitglieder eine rund drei Stunden lange, historische Schifffahrt auf der MS Bayern mit dem Ausgangs- und Endpunkt Berg organisiert. Der zweite Vereinsvorsitzende Bernhard Reisner und Ursula Scriba, Vorsitzende vom Ostuferschutzverband, boten den mehr als 100 Gästen einen anekdotensatten Überblick zu historischen Bauwerken und Bewohnern rund um den See.

Zur Historie auf dem Starnberger See zählt die MS Bayern selbst. Das Motorschiff ist der älteste der derzeit verkehrenden Ausflugsdampfer. Mit dem Bau wurde 1938 in einer Deggendorfer Werft begonnen. Wegen des Zweiten Weltkrieges wurde die Inneneinrichtung aber erst 1948 fertiggestellt und das Schiff in Betrieb genommen. Weil es zur Rundfahrt regnet und nur rund zwölf Grad Celsius hat, haben viele der Gäste Schirme mit und wetterfeste Jacken an. Fast alle zieht es in die Innenräume des Schiffes. Der Eurasburger Klarinettist Heini Zapf spielt mit Musikerkollegen in den Pausen zwischen den Erläuterungen von Reisner und Scriba.

Am Anfang stehen Ludwig II. und dessen Lieblingsschloss Berg. Ohne darauf einzugehen, hätte eine historische Schifffahrt ihr Thema verfehlt, erklärt Reisner. Der herrschaftliche Bau ist laut Scriba ein typisches Beispiel für ein Sommerschloss der Spätrenaissance. Dem quadratischen Bau fehlen allerdings heute die Türme an den Ecken, die König Maximilian II. Mitte des 19. Jahrhunderts errichten ließ. Einen fünften, ebenfalls nicht mehr existenten, mit Namen „Isolde“ ließ Ludwig II. später anbauen. Er nutzte das Berger Schloss als Sommerresidenz, verbrachte darin die letzten Stunden vor seinem Tod im Starnberger See 1886.

„Ludwig II. war ein ausgezeichneter Schwimmer“

Verschwörungstheorien bis hin zum Mordkomplott ranken sich um dessen Ende. Nach seiner Entmündigung wurde Ludwig II. jedenfalls von Neuschwanstein nach Berg gebracht und im Schloss festgehalten. Die Leichen des Königs und des Psychiaters Bernhard von Gudden wurden im Wasser nahe des Ufers im Schlosspark entdeckt. Ein Kreuz und die Votivkapelle markieren die Fundstelle. Wie Scriba betont, gehe man davon aus, dass beide ertrunken seien. „Ludwig II. war aber ein ausgezeichneter Schwimmer.“ Jeder solle sich seine eigenen Gedanken machen, sagt sie.

Wie aus der früher Assenbuch genannten Fischer-Ansiedlung das heutige Leoni wurde, erfahren die Schifffahrtsgäste nur wenig weiter südlich. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich Martin Vischer aus Berg dort angesiedelt und ein Fischeranwesen gebaut. Darum erstand eine kleine Siedlung. Laut Scriba soll im Ort eine riesige Buche gestanden haben. In ihr Blätterdach führte eine Treppe bis zu einer Altane, einer Art Balkon. Unter dem Baum stand ein kleines, ärmliches Gebäude, das Buchhaus, woraus sich der Name Assenbuch für die Ansiedlung ableitete.

Im 19. Jahrhundert erbte der der italienische Opernsänger Guiseppe Leoni von Staatsrat Franz von Krenner ein Haus in Assenbuch. Mit seiner zweiten Frau Rosina – sie war eine gute Köchin – betrieb Leoni darin ein Wirtshaus mit der Küche seines Heimatlandes. „Das war in aller Munde. Es war wohl das erste italienische In-Lokal weit und breit“, erläutert Reisner. „Gemma zum Leoni“, habe es fortan geheißen. Der Name blieb. In das an derselben Stelle 1889 erbaute Hotel lieferte der Schriftsteller Oskar Maria Graf (1894-1967) als Bub die Semmeln der väterlichen Bäckerei aus dem nahe gelegenen Aufkirchen. Nach dem Abriss des Gebäudes in den 70er-Jahren entstand das heutige Seehotel Leoni.

Erster Raddampfer am Starnberger See

Kurz darauf taucht die nach dem Unternehmer Johann Ulrich Himbsel (1787-1860) benannte Villa mit einer der Lüftlmalerei nachempfundenen Fassade am Ufer auf. Der Bau-Tycoon eröffnete 1854 die Eisenbahnverbindung von München nach Starnberg. Zugleich nahm er den ersten Raddampfer am See in Betrieb. Für das Himbsel-Haus war der Typus des Bauernhauses Vorbild – zumindest nach außen. Im Inneren schmücken Wandmalereien der namhaften Münchner Maler wie Wilhelm von Kaulbach, Moritz von Schwind oder Karl Rottmann das Treppenhaus.

Am ganzen Ostufer entlang steuert Kapitän Günter Engel die MS Bayern an Villen und herrschaftlichen Schlössern vorbei. Südlicher Punkt ist Seeshaupt. Am 1815 zu zwei Dritteln abgebrannten früheren Bauern- und Fischerort vorbei wechselt die Fahrt ans Westufer. Über Bernried, Tutzing und die Roseninsel geht es in rund drei Stunden wieder zurück nach Berg. Vor einem Jahr hat Reisner die Idee zur geschichtlichen Schifffahrt im Vorstand des Historischen Vereins Wolfratshausen präsentiert. Ursula Scriba gewann er zur Mitwirkung. Gemeinsam planten sie ihre Erläuterungen.  Zusätzlich zum allseits Bekannten förderten sie so manches Kurioses zutage.

So gehört Sankt Heinrich am Südostufer des Starnberger Sees politisch zur Gemeinde Münsing und damit zum Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Ortskirche ist Teil der Pfarrgemeinde Seeshaupt im Landkreis Weilheim-Schongau und damit dem Bistum Augsburg unterstellt. „Ein Unikum“, wie Reisner findet. Ebenso wissen wohl nur wenig, dass sich 1816 Antoine Marie Chamans, Graf von Lavallette (1769-1830) im Ammerlander Schloss versteckt hielt. Der französische Offizier und Staatsmann war ein Freund von Napoleon. Nach dessen Sturz war es aus Frankreich geflüchtet. Von seinem Versteck in Ammerland wusste der bayerische König Max I. Joseph (1756-1825).

Bekannter ist der herrschaftliche Bau in Ammerland als Pocci-Schloss. Franz Graf von Pocci (1807-1876) residierte dort im Sommer. Der Zeremonienmeister und Hofmusikintendant schuf mehr als 40 Stücke um den Kasperl Larifari für das Münchner Marionettentheater. Deshalb wurde Pocci als Kasperlgraf bekannt. 1988 hatte Werner Döttinger das Ammerlander Schloss nach rund 20 Jahren Leerstand erworben und aufwendig renoviert. Dafür hat ihn der Ostuferschutzverband 2016 mit dem Gabriel-von-Max-Denkmalpreis ausgezeichnet.

Das Leid um die Villa Max

Weniger vorbildhaft haben sich die Eigentümer der Villa Max in Ammerland verhalten. Das frühere denkmalgeschützte Haus des Künstlers Gabriel von Max (1840-1915) lassen sie seit Jahren verfallen. Die Balkonbrüstung ist vollkommen eingefallen. Und vom See wird der Kontrast zwischen dem gepflegten Bootshaus am Ufer und der Villa dahinter erst besonders auffallend.

Vom Schiff aus kommt so manches Haus erst zur Geltung. Aus dieser Perspektive ist die dreigeschossige Künstlervilla Rösl mit Erkern, Loggien und Treppenhausturm erst in ihrer vollen Pracht zu sehen. Und einer der Gäste auf der MS Bayern erinnert sich sogar an ein Konzert in diesem Haus mit dem Pianisten Wilhelm Kempff (1895-1991).

Vor lauter Geschichten rund um die Häuser und Bewohner an den Ufern sollte der Starnberger See selbst nicht vergessen werden. Immerhin ist das Gewässer laut Reisner der fünftgrößte See in ganz Deutschland und zugleich der zweitwasserreichste. Das liegt an seiner Tiefe. Die liegt im Durchschnitt bei 53 Metern. Die maximale Tiefe beträgt 127,8 Meter. Der Starnberger See ist 19,5 Kilometer lang und bis zu fünf Kilometer breit. Das Gewässer fasst drei Milliarden Kubikmeter Wasser. Die Schifffahrt darauf spielt schon lange eine wichtige Rolle.

Ihren Aufschwung erlebte diese in der Barockzeit mit dem Bucentaur. Kurfürst Ferdinand Maria hatte das prächtige dem Staatsschiff des venezianischen Dogen nachempfundene Ruderschiff im 17. Jahrhundert in Auftrag gegeben. Anlass war die Geburt von Thronfolger Max Emanuel. „Seine Frau Henriette Adelaide hatte sich dazu ein Schloss, eine Kirche und ein Schiff gewünscht“, sagt Reisner. „Mit Nymphenburg, der Theatinerkirche und dem Bucentaur hat Sie alles bekommen.“ So endet die historische Schifffahrt des Historischen Vereins Wolfratshausen.

Fotos: Benjamin Engel


NEWS