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Loisachhalle Wolfratshausen

Zeitgemäßes Aschenbrödel

Wolfratshausen, 3.12.2016 - Die Musik glitzert wie Schneeflocken in der gleißenden Wintersonne, wenn Aschenbrödel mit wehendem Schal auf ihrem weißen Pferd Nikolaus mit ihrem geliebten Prinzen in eine glückliche Zukunft reitet. Generationen von kleinen und großen Märchenliebhabern geht an dieser Stelle das Herz auf – spätestens! Denn der tschechische DEFA-Film aus dem Jahre 1973 verzaubert ungeachtet aller Trends und filmtechnischen Innovationen jedes Jahr vor allem um die Weihnachtszeit Menschen aller Altersgruppen. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ von Václav Vorlíček und František Pavlíček ist inzwischen Kult.

In der Wolfratshauser Loisachhalle hingegen konnte am Freitag das zahlreiche Publikum, darunter viele Familien mit Kindern, die Geschichte über das Mädchen und seine böse Stiefmutter als Musical der Münchner a.gon Theaterproduktion erleben – und das mit der Originalmusik von Karel Svoboda aus dem Film, von einem kleinen Live-Orchester dargeboten.

Schlagfertiges Aschenbrödel

In „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ wird das durch die Brüder Grimm bekannt gewordene Märchen vom Aschenputtel variiert. Zum einen sind da die drei Haselnüsse, die beim Erfüllen eines Wunsches helfen: ein Motiv, das in den mehr als 400 bekannten Varianten des Märchens auf mehreren Kontinenten seit der Antike weit verbreitet ist. Und dann unterscheidet sich das Aschenbrödel, das schlagfertig kein Blatt vor den Mund nimmt, auf seinem Schimmel durch die Wälder jagt und besser mit der Armbrust umzugehen weiß als die adligen Jäger, deutlich vom Grimm’schen Aschenputtel.

Aschenbrödel (dargestellt von Marina Granchette) lebt auf dem Gut ihres verstorbenen Vaters. Dort regiert die Stiefmutter, ein Hausdrache im giftgrünen Kostüm (Tanja Maria Froidl – trotz Viruserkrankung mit vollem Einsatz dabei) und ihre Tochter (Birgit Reutter)in der Manier einer schrillen, nicht sehr hellen Schreckschraube. Als der König einen Ball zur Brautschau für seinen Sohn (Thorin Kuhn) veranstaltet, setzt die Stiefmutter alles daran, ihre leibliche Tochter an den Hof zu verheiraten. Auch Aschenbrödel möchte zum Ball, was die Stiefmutter zu verhindern sucht. Dank befreundeter Tiere und dreier Zaubernüsse gelingt es dem Mädchen aber auf den Ball zu kommen, woraus sich die Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Prinzen entspinnt.

Zeitgemäße Adaption

Die Produktion als Familienmusical überzeugte, weil die Geschichte zeitgemäß adaptiert wurde. Die junge Frau führt den Prinzen auch mal an der Nase herum und ist emanzipiert: aus der Schneeballschlacht zwischen Aschenbrödel und dem Prinzen wird auf der Bühne bei ihrem ersten Zusammentreffen im Wald ein spielerisches Raufen und Balgen. Er hingegen erkennt sie nicht und versteht gar nicht, dass es immer ein und dieselbe Person ist, die ihm da begegnet, während Aschenbrödel Witz und Esprit beweist und auch mal burschikos ist. Sie wartet nicht nur auf das schöne Kleid, sondern hat auch Ansprüche und tut etwas, um sie umzusetzen. Die Verwendung von jugendlicher Sprache an mancher Stelle („Ich bin echt angeätzt“) dürfte das junge Publikum zudem angesprochen haben.

Klassische Märchenwelt

Nichtsdestoweniger war die Inszenierung von Stefan Zimmermann von der ersten Minute an darauf ausgelegt, das Publikum in eine klassische Märchenwelt mitzunehmen. Die Figuren wurden kurz erläutert, und bei szenischen Sprüngen sprang ein Moderator dem Publikum zur Seite. So mancher Theaterkniff half, schwer Darstellbares in eine Bühne für die Phantasie des Publikum zu ändern, etwa, wenn das Pferd Nikolaus und die Eule Rosalie rein als Schattenfiguren vorkamen.

Spätestens, als sich am Ende Aschenbrödels Geschichte zum Guten wendete und die populäre Titelmelodie ganz zum Tragen kam, war klar, die Musicalfassung ersetzt den Film keineswegs – sondern baut auf ihm charmant auf und kann so eine neue Generation begeistern. Ob als Film oder Musical, das Fazit ist klar: „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist zeitlos – und gehört zu Weihnachten wie Tannengrün und Lametta.

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