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12. Veranstaltung des Skandinavischen Wirtschaftsforums in München

Frauen in Führungspositionen

Von Claudia Koestler

München, 2.11.2014 - Im Oberland ist man wieder einmal vorne: Während der Vorzeigebetrieb „Tyczka Totalgaz“ in Geretsried längst zwei Frauen in der Geschäftsleitung vorweisen kann, kommen andernorts Frauen in deutschen Führungsetagen kaum vor. Während deshalb die Bundeskanzlerin auf eine Frauenquote im Unternehmen als Lösung beharrt, ist man aber auch in skandinavischen Ländern längst weiter: In Schweden etwa vermittelt die Organisation „Ruter Dam“ Frauen, die in Topmanagement-Positionen wollen, seit über einem Vierteljahrhundert das nötige Rüstzeug. Bei der 12. Veranstaltung des Skandinavischen Wirtschaftsforums in München stellte kürzlich die „Ruter Dam“-Gründerin Gunilla Arhén das Programm vor.

Sie stellen die Hälfte der Bevölkerung, sind geschickt, intelligent und multitaskingfähig. Doch auf den Chefsesseln der 100 größten Unternehmen in Deutschland sitzt keine einzige Frau. Auch bei den Aufsichtsräten und Vorstandsposten sieht es nicht viel besser aus: Von den 490 sind lediglich elf mit Frauen besetzt – das sind 2,2 Prozent. Sogar China hat hier bessere Zahlen vorzuweisen mit acht Prozent. Bei Spitzenreiter Schweden sind es 17 Prozent. Doch angesichts des demographischen Wandels, der vor allem Deutschland bevorsteht, und dem bereits jetzt erkennbaren Fachkräftemangel ist es umso unverständlicher, dass es bis heute keine Verschiebungen zu Gunsten der Frauen gibt – trotz Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft.

Es setzt Kreativität frei, wenn unterschiedliche Stile und Werte aufeinandertreffen

Nun ist Chancengleichheit und Vielfalt jedoch ein Gebot der Gleichbehandlung. Das könnte man auch für sich stehen lassen. Aber noch viel mehr ist sie eine Bereicherung und deshalb auch ökonomisch sinnvoll. Denn es setzt Kreativität frei, wenn unterschiedliche Stile und Werte aufeinandertreffen. Ideen potenzieren sich in Teams, und dort kommt es auf die richtige Mischung an. Unternehmen vergeben sich also große Chancen, wenn sie – bewusst oder unbewusst – auf das immer Gleiche zurückgreifen, wenngleich dies manchmal effizienter erscheinen mag. Es hilft schon sehr, wenn sich Führungskräfte die Stereotypen bewusst machen, nach denen sie Stellen besetzen. Das gilt für Männer wie für Frauen.

Gunilla Arhén ist eine der Gründerinnen des Frauennetzwerkes „Ruter Dam“

Skandinavien gilt in Sachen Gleichstellung weithin als Vorbild. Doch trotz langer Historie von Chancengleichheit und starken Fraue galt bis lange noch, dass in den Chefsesseln trotzdem meist Männer sitzen. Diejenigen, die es trotz aller Widrigkeiten bis ganz nach oben schaffen wollen, suchen sich in Schweden inzwischen Rat bei Gunilla Arhén. Sie ist eine der Gründerinnen des Frauennetzwerkes „Ruter Dam“ und sprach im Rahmen des 12. skandinavischen Wirtschaftsforums in München kürzlich über ihre Organisation.

„Ruter Dam“ will mehr Frauen in Führungspositionen in die großen Unternehmen bringen

Das klare Ziel von „Ruter Dam“ dabei: Mehr Frauen in Führungspositionen in die großen Unternehmen zu bringen. Seit seiner Gründung von „Ruter Dam“ im Jahr 1987 absolvierten fast 1000 Frauen das einjährige Managemententwicklungs- und Mentoring-Programm. Nach Ansicht von Arhén sei es nicht genug, gut in seinem Beruf zu sein. Um es bis ganz nach oben zu schaffen, müssten Frauen auch die Regeln des Spiels in den obersten Schaltzentralen beherrschen. Dass in Schweden längst mehr Frauen in den Vorständen und an Unternehmensspitzen sitzen als in allen anderen EU-Ländern, ist damit auch Verdienst von „Ruter Dam“: Rund ein Drittel der Frauen, die heute Führungspositionen inne haben, durchliefen das Mentoring-Programm von „Ruter Dam“. Denn die Organisation bietet das, was für eine Karriere Dreh- und Angelpunkt ist: Kontakte und Netzwerke.

In Seminaren und dem Mentoring-Programm werden bei „Ruter Dam“  Führungsfähigkeiten vermittelt, mit denen es die Teilnehmerinnen von ihrer bereits hohen Position innerhalb der Konzerne bis an die Spitze bringen können. Zugleich werden Verständnis für Geschäft und Gesellschaft verbessert und Wissen über strategisches Führung und Aufsichtsratsaufgaben vermittelt. Ein solches Seminar geht über 22 Tage, die in sechs Abschnitte unterteilt sind. Dabei geht es um strategische Entscheidungsfindungen, geschäftliche und strategische Veränderungen sowie kulturelle Diversitäten, Aufsichtsratsbelange, die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Führungsstil, genauso aber auch die persönliche Herausforderung, zu wachsen und  Erfahrungen zu teilen. Ein externes und internes Mentoren-Programm begleitet die Teilnehmerinnen, und darüber hinaus werden Firmen besucht: 2014 luden beispielsweise Saab, Skandia oder Atlas Copco ein.
Geschäftsführer der größten Unternehmen fungieren zudem als Mentoren im „Ruter Dam“-Programm, die die Organisation nicht nur einlädt, sondern sorgfältig auswählt. Jede Teilnehmerin erhält zudem einen Mentor aus den Reihen des eigenen Unternehmens. Dieser stellt sicher, dass die Teilnehmerin vom Programm auch wirklich innerhalb der Firma profitiert. Die Teilnehmerinnen formieren zugleich ein einzigartiges Geschäftsnetzwerk: „Inzwischen ist unsere Organisation eine Art Gütesiegel im Lebenslauf“, sagte Arhén.
Klingt gut? Doch ganz so einfach ist es nicht: „Ruter Dam“ heißt zwar auch ausländische Teilnehmerinnen willkommen, doch die Unterrichtssprache ist Schwedisch. Zudem achtet die Organisation auf ihr Auswahlverfahren, die Teilnehmerzahl ist begrenzt und zugeschnitten auf Frauen, die bereits in Führungspositionen sind und durch das Eliteseminar bis ganz nach oben aufsteigen wollen.

Die Firma nach vorne bringen statt Besitzstände zu wahren

Und auch, wenn es verlockend klingen mag, das Konzept von „Ruter Dam“ einfach eins zu eins zu übernehmen: Es gibt im kulturellen und historischen Vergleich der beiden Länder große Unterschiede, die bis heute ihre Auswirkungen haben. Wie trotzdem die Idee hinter „Ruter Dam“ für Deutschland nutzbar wäre, hakten die Zuhörer bei der anschließenden Fragerunde nach. Arhén war sich dabei sicher, dass das – in gewissen Bereichen individualisiert – durchaus übertragbar sei. Eine Ausweitung ins mittlere Management jedoch lehnte sie ab: „Dafür gibt es bereits andere Programme.“

Mit ein Grund, warum „Ruter Dam“ als Vorbild auch für andere Länder dienen könne: Auch den meisten schwedischen Unternehmen gehe es nicht explizit darum, Frauen erfolgreich zu machen, glaubt Arhén. Doch inzwischen hätten viele Männer  in den dortigen  Führungsetagen eingesehen, dass Unternehmen eine gemischte Führung brauchen, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen. Habe eine Firma nur Männer eines bestimmten Alters im Vorstand, werde sie irgendwann betriebsblind, weil nicht bemerkt wird, dass sich etwas verändert, so Arhén. „Sie riskieren, nicht mehr die besten zu sein am Ende. Am Ende zählt der Profit. Und Frauen in der Führung tragen zum Profit bei.“ Allerdings dürfe eines nicht übersehen werden: „Es reicht nicht, dass es einfach nur eine Frau an der Spitze ist. Es muss eine sehr gut ausgebildete Frau sein“, betonte Arhén.

Das Erfolgsrezept Schweden in Fragen der Gleichberechtigung liege deshalb weniger in gesetzlichen Veränderungen oder Quoten, sagte Arhén, sondern in einer Veränderung der Einstellungen in den Führungsetagen. Das jedenfalls kann klar als Vorbild für Deutschland dienen: Wenn es Gleichbehandlung wirklich geben soll, ob als Wert an sich oder aus ökonomischem Kalkül, müssen Schranken fallen, die es bislang in den Herrenriegen der Chefetagen noch zu geben scheint. Erst wenn der Mensch und sein Können im Vordergrund steht statt dem Geschlecht, kann die Kraft wirklich auf eines konzentriert werden: Die Firma nach vorne zu bringen statt Besitzstände zu wahren.

Projekt „Frauen in Führungspositionen – ein überbetrieblicher, unternehmensorientierter Ansatz“

Allerdings gibt es nach dem Vorbild Schwedens derzeit bereits ähnliche Programme in Bayern: So haben beispielsweise die Arbeitgeberverbände in Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft das Projekt „Frauen in Führungspositionen – ein überbetrieblicher, unternehmensorientierter Ansatz“ entwickelt. Damit sollen nicht nur das Engagements der Arbeitgeberverbände zur Bewältigung aktueller Anforderungen gezeigt werden, sondern auch Mechanismen erprobt werden, wie Frauen gefördert werden können, Führungspositionen zu übernehmen, die Karriere zu fördern und gleichzeitig Unternehmen bei der Sicherung des Führungskräftebedarfs zu unterstützen. Die teilnehmenden Frauen durchlaufen über zwei Jahre hinweg Workshops. Seit 2010 läuft das Programm und geht 2014 in die dritte Runde.

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