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Wirtschaftsforum Oberland

Klausurtagung „Nachhaltiges Wirtschaften im Oberland“

Von Barbara Semelka

Benediktbeuern, 21.11.2013 - Die nunmehr fünfte Klausurtagung „Nachhaltiges Wirtschaften im Oberland“ im Barocksaal des Klosters Benediktbeuern ist nach Einschätzung von Andreas Roß, Vorstand beim Wirtschaftsforum Oberland, „ein voller Erfolg“. Gut 170 Teilnehmer aus Wirtschaft und Politik aus dem sogenannten Speckgürtel von München, also von Freising über Fürstenfeldbruck, Starnberg, Weilheim-Schongau, Miesbach bis Bad Tölz-Wolfratshausen folgten den qualitativ hochkarätigen Vorträgen aus den Bereichen Mobilität, Ernährung, Konsumverhalten und Energie und nahmen an drei Workshops teil. Eingeladen hatten dazu die Bürgerstiftung Energiewende Oberland, SMG Regionalmanagement Bayern, Metropolregion München und das Wirtschaftsforum Oberland. Der Nachhaltigkeitspreis wurde an das  Geretsrieder Unternehmen Tyczka Totalgaz GmbH vergeben. Den Abschluss der über fünfstündigen Veranstaltung bildete der kurzweilige und engagierte Vortrag von Franz Alt, Journalist (TV-Magazin „Report“), Buchautor und engagierter Kämpfer für die Energiewende. Sein Credo: „Worauf warten wir noch? Sonne, Wind und Wasser kosten nichts.“

Tyczka Totalgaz GmbH erhält den Nachhaltigkeitspreis

Die Richtlinien zur Vergabe des Nachhaltigkeitspreises – heuer an Tyczka Totalgaz – hat das Wirtschaftsforum Oberland erarbeitet. Sie decken sich im Wesentlichen mit der „Benediktbeuerer Erklärung für nachhaltiges Wirtschaften im Oberland.“ Punkte sind sichere Energieversorgung, regionale Kreislaufwirtschaft aber auch soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit und die Umsetzung dieser Ziele.



Die Begründung für die Preisvergabe an das Geretsrieder Unternehmen, das weltweit agiert: Tyczka Totalgaz habe die Nachhaltigkeit erreicht, wovon andere nur reden, und zwar in Sachen soziale sowie ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit. Laudator Peter Frieß, früher Geschäftsführer bei Tyczka Totalgaz und nun selbstständiger Unternehmensberater (Vorstand von Zukunftswerk eG, Starnberg), regte die Versammelten zum Schmunzeln an: „Zugegeben, die Produkte des Preisträgers – nämlich Flüssiggas – sind nicht besonders sexy.“ Es handle sich schließlich um fossile Brennstoffe. „Den Preis hat das Unternehmen trotzdem verdient“, sagte Frieß. Denn bei der Energiewende brauche es wenig umweltschädliche und möglichst sichere Brückenenergien. Und das sei eben Flüssiggas, das die niedrigsten Emissionswerte aller fossilen Brennstoffe erzeuge. Flüssiggas sei vielfältig nutzbar, extrem mobil, schnell ein- und ausschaltbar. Die Nase vorn habe das Unternehmen bei der Energieeffizienz mit Blockheizkraftwerk, Hallenheizung, Wärmepumpe, Gabelstapler, in Fahrzeugen in Kombination mit Sonnenenergie oder bei Biogasanlagen. Das Produkt Tytoblue stehe für CO2-neutrales Flüssiggas. Beim Energieeinkauf setze der Preisträger konsequent auf Ökostrom. Doch Frieß ging auch auf die soziale Nachhaltigkeit ein, auf die Tyczka Totalgaz nach wie vor großen Wert lege. Seinen insgesamt 350 Mitarbeitern biete die Firmengruppe individuelle Arbeits- und Teilzeitmodelle, Männer in Elternteilzeit, Kinderbetreuungszuschüsse von 300 Euro pro Monat sowie Home Office. Das alles sei belohnt worden zum vierten Mal mit dem weltweit anerkanntesten Ratinginstrument für Unternehmenskultur „Great Place to Work“. Frieß‘ Fazit: „Tyczka Totalgaz beweist, dass Nachhaltigkeit nicht nur zukunftsorientiertes, verantwortliches Handeln bedeutet, sondern dass es auch Spaß und stolz macht. Und sich finanziell rechnet.“

Den Preis nahmen in Empfang die Tyczka Totalgaz Geschäftsführer Markus Eder und Jan Petersen und Prokurist Norbert Finsterwalder aus der Hand von Reinhold Krämmel, Vorsitzender des Aufsichtsrats Wirtschaftsforum Oberland. Eder dankte dafür und versicherte, dass der Mensch im Unternehmen der wichtigste Faktor sei. Für die Zukunft und die Nachhaltigkeit brachte es viele kleine Schritte. Dazu müsste Tyczka Totalgaz die Menschen mitnehmen und ihnen zuhören. Dies und die Energiewende sei eine große Herausforderung.

McDonalds will ab 2014 ausschließlich mit Grünstrom arbeiten

Erfolge wie die preisgekrönte Geretsrieder Firma konnte Dietlind Freiberg, Senior Director bei McDonalds Deutschland, den aufmerksamen Zuhörern nicht schildern. „Doch das Unternehmen will sich auf den Weg machen, nachhaltig zu wirtschaften“, betonte die Referentin. So wolle die Fastfood-Kette ab 2014 ausschließlich mit Grünstrom arbeiten. Für die heftig kritisierten Verpackungsberge bei der Essens- und Getränkeausgabe sei bislang keine Lösung gefunden worden. Versuche mit Porzellan statt Kunststoff, Papier und Pappe haben sich aus verschiedenen Gründen nicht bewährt. Allerdings beschäftige sich das Unternehmen mit den geänderten Ernährungsgewohnheiten. Schwierigkeiten gebe es bei dem von der Großen Koalition diskutierten Mindestlohn, musste Freiberg zugeben. Denn das Unternehmen beschäftige in 120 Nationen Mitarbeiter – oft nur auf Mindestlohnbasis. Wohl aber kümmere man sich um berufsbegleitende Abschlüsse und versuche, den von Gästen verursachten Abfall zu vermeiden, aber zumindest zu recyceln. Informationen zur Wertschöpfungskette lägen in allen Restaurants.

Erhalt der Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen in der Region

Die Solidargemeinschaft Oberland und die Produkte mit dem Logo „Unser Land“ haben die Teilnehmer schon vor dem Vortrag von Adriane Schua, erste Vorsitzende der Solidargemeinschaft, kennenlernen können. Der auf der Getränkebar kredenzte naturtrübe und duftende Apfelsaft von Streuobstwiesen aus dem Oberland mundete allen. Schua sagte, dass die engagierten Ehrenamtlichen sich einsetzten für das Vereinsziel: Erhalt der Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen in der Region. Alle Produkte seien gentechnikfrei erzeugt. Seit der Gründung 1994 sei das Netzwerk Unser Land auf zehn Solidargemeinschaften und über 1000 Mitglieder, darunter auch Gemeinden, angewachsen.  Produkte wie Honig, Brot, Eier, Säfte, Marmeladen, Obst, Gemüse, Milch, Senf und viele andere alltägliche Lebensmittel würden inzwischen in 750 Verkaufsstellen in Hofläden und Supermärkten angeboten im Münchener Speckgürtel sowie dem Werdenfelser Land, in München und neuerdings auch in Augsburg. Größer indes wolle man nicht werden. „Wir wollen regional bleiben, damit wir die hohen ideellen und wirtschaftlichen Besonderheiten erhalten“, unterstrich Schua. Besonders die Kinder aber auch Familien wollten die Solidargemeinschaften für ihre Ziele gewinnen mit Projekten wie Sonnenäcker zum Selbstanbau sowie Schule auf der Streuobstwiese, beim Imker und Milchbauer sowie bei Kochkursen für Kinder.

Gebäude als thermischer Speicher

Mit einer neuen Idee machte Jakob Schneegans vom Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik der TU München die Zuhörer bekannt: Gebäude als thermischer Speicher. „Denn Biomasse, Windkraft und Fotovoltaik decken den Bedarf nicht. Lücken lassen sich nur mit konventionellen Kraftwerken auffüllen sowie neuen Techniken“, so die Erkenntnis der Wissenschaftler. Denn alle diese alternativen Energiequellen ließen sich bislang nicht speichern. Deshalb sollten vor allem Geschäftsgebäude erst dann regenerative Energie zuschalten, wenn sie gebraucht wird, und eben das Gebäude als Puffer benutzen. Dazu brauche es eine intelligente Regelungstechnik. „Wie untersuchen am Lehrstuhl diese Möglichkeiten, weil wir damit rechnen, dass der Stromverbrauch nicht abnimmt“, meinte der Diplomingenieur.

„Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“

Franz Alt, einer der populärsten Verfechter der Energiewende, erläuterte in seinem Vortrag „Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht.“ Er sprach Klartext, spitzte zu, polemisierte und polarisierte und erhielt dennoch mitunter Zwischenapplaus. Aber er sieht „die Energiewende in Gefahr“. Schuld daran seien die Umweltapostel und Zauderer. „Das Solarzeitalter muss jedoch organisiert werden.“ Albert Einstein habe schon vor 100 Jahren den fotovoltaischen Effekt erforscht. Unabhängig davor sei Deutschland führend in der Welt bei den Techniken für Energie aus Sonne, Wind, Biogas sowie Speichertechnologie. „Das schafft hierzulande eine Million neue Arbeitsplätze. Ganz Europa gewinnt bei der intelligenten Energiewende.“ Denn Alt prognostizierte: „Fünf Euro für einen Liter Benzin, das garantiere ich.“ Zudem sagte er, dass schon jetzt ein Ressourcenkrieg ausgebrochen sei. „Mit der Sonne ist kein Krieg zu führen. Sie produziert 15.000-mal mehr Energie als die ganze Erde braucht.“

Ein Mix aus Sonne plus Wasser, Biogas und Wind, das sei die energetische Zukunft. Gleich wichtig sei, Energie zu sparen und effizienter damit umzugehen. Alt behauptete: „Die Energiekonzerne stehen am Abgrund.“ In 2,5 Kilometern Tiefe nach Öl zu bohren „ist ein Verbrechen.“ Die Energiewende packten die Konzerne nicht an, die komme von unten. Die Leute nähmen es in die Hand. Die allgemeinen Prognosen bis 2050 lauteten: 40 Prozent Sonnenenergie, 30 Prozent Biogas aus Abfällen, 15 Prozent Windkraft, zehn Prozent Wasser und nur fünf Prozent Öl, das ohnehin bald versiegte. Schreite die Energiewende nicht mit aller Macht voran, so könnte sich die Erde am Ende des Jahrhunderts um acht Grad erwärmen und die Meere so ansteigen, dass ein Drittel der Menschheit keinen Boden mehr unter den Füßen hätte. Franz Alt, der eindringlich und mit erhobener Stimme sprach und die Zuhörer zu fesseln wusste, appellierte: „Wirtschaft und Politik sollte vor allem über die Chancen und nicht nur über die Kosten sprechen.“

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