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Eulenschutz im Oberland

Landesamt für Umwelt initiiert Schutzvereinbarung

Von Benjamin Engel

Kochel am See, 23.3.2018 – Direkt am südlichen Ende des Kochelsees fallen die Kalkfelsen von Panoramawand und Rauter Wand steil ins Wasser ab. Nischen sind im Gestein auszumachen. Darin findet der selten gewordene Uhu – die größte Eulenart der Welt – ideale Brutplätze. Eines der beiden im Kochelseegebiet lebenden Paare der Vogelart hat derzeit sein Revier im Fels. Das andere ist am Kienstein über dem Ostufer des Kochelsees zu Hause. Das Vorkommen zählt zu den bedeutendsten im Freistaat. Im Freistaat leben nur noch um die 500 Paare der Eule.

Gleichzeitig boomt am Kochelsee der Klettersport. Dadurch sind die Brutplätze von Uhu und Wanderfalken in den höheren Regionen, etwa im Bereich des Jochbergs, bedroht. Am Fels in Ufernähe finden die Kletterer ein selbst in der kälteren Jahreszeit leicht erreichbares Sportrevier mit vielen besonders anspruchsvollen Routen.

Zum Schutz der Brutplätze von Uhus und Wanderfalken hat das Landesamt für Umwelt eine freiwillige Schutzvereinbarung initiiert. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) war beauftragt, die Regelung am Kochelsee umzusetzen. Die Felswände werden damit ganzjährig beziehungsweise zu bestimmten Jahreszeiten für die sportliche Betätigung gesperrt. Die Vertreter von sechs beteiligten Behörden, Naturschutz- und Kletterverbänden unterzeichneten am Montag ein entsprechendes Dokument unterzeichnet. Mit dem Motorschiff fuhren sie unterhalb von Panoramawand und Rauter Wand nah ans Ufer. Der Uhu zeigte sich trotz Stillhaltens nicht – und ist auch nicht zu hören.

Peilsender zeichnen Flugrouten nach

Das dort ansässige weibliche Tier hatten Vogelschützer 2013 in Großweil gefunden. Es hatte sich in einen Hühnerstalldraht verheddert. Das Tier war durchnässt und konnte nicht mehr fliegen. Wie Günter von Lossow von der Vogelschutzwarte am Landesamt für Umwelt (LfU) erzählt, sei es zwei Tage getrocknet und wieder freigelassen worden. Mit Hilfe eines Peilsenders konnten die Flugrouten nachvollzogen werden. „Es hat sich in einem Zehn-Kilometer-Radius aufgehalten. So haben wir eine Vorstellung bekommen, welchen Raum der Vogel braucht, um Leben zu können.“
Die Regelung sieht vor, an der Rauter Wand das ganze Jahr nicht mehr zu klettern. Die östlichere Panoramawand soll jeweils zwischen dem 1. Januar und dem 31. Juli von den Sportlern gemieden werden. Am Kienstein gilt ein Kletterverzicht an der Nord- und Westseite. An dessen Süd- und Ostwand bliebt die Sportart weiter erlaubt. Hinweisschilder werden aufgestellt.

Die freiwillige Vereinbarung ist aus Sicht von Christian Tausch, LfU-Abteilungsleiter für Naturschutz, ideal. „Das ist eine moderne Form der Zusammenarbeit im kooperativen Naturschutz“, sagte er. Artenhilfsprogramme bestünden für den Wanderfalken seit Anfang der 1980er-Jahre, für den Uhu seit 2001. Erfreulicherweise hätten sich die beiden Arten so weit erholt, dass sie 2016 sogar von der Roten Listen bedrohter Tiere gestrichen wurden. Der Vizepräsident des Deutschen Alpenvereins, Rudolf Erlacher bekannte, dass ihm als Vertreter eines Sport- und Naturschutzverbandes zwei Seelen in der Brust wohnten. „So eine Vereinbarung zeigt, dass wir die Ausübung des Klettersports mit dem Naturschutz zusammenbringen.“

Naturschutz und Sport im Einklang

Für das Projekt-Monitoring am Kochelsee ist Michael Schödl von der Garmischer LBV-Kreisgruppe verantwortlich. „Kochel ist nach dem Allgäu und Berchtesgaden das dritte alpine Kletterkonzept“, sagte er. Insgesamt gebe es rund 200 zeitlich befristete Sperren. Die würden gut eingehalten. Zum Klettern gehöre die sportliche Herausforderung genauso wie das Erleben der Natur. Zu deren Erhalt könnten die Konzepte den Anstoß geben.
Zusätzlich zu LfU, DAV und LBV zählen das Tölzer Landratsamt, die IG Klettern München und Südbayern und die Bergwacht zu den Unterzeichnern der Vereinbarung für Kochel. LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer erklärte, dass er unter Felsen in erster Linie einen Lebensraum für Pflanzen und Tiere verstehe. „Ich bin kein Kletterer. Das treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn“, bekannte er. Um Naturschutz und Sport in Einklang zu bringen, brauche es Kompromisse. Und das sei hier geschafft worden. „Das ist ein Paradebeispiel eines Kompromisses“, sagte er. Ebenso bedankte er sich bei allen Freiwilligen, die Daten zum Vorkommen der Vögel sammelten. Ohne deren Einsatz seien solche Projekte nicht zu stemmen.

Aus Sicht von Sebastian Wagner, Vorstand der IG Klettern, ist das Kochler Konzept ein wichtiger Grundstein zur Legitimation der Kletterer. Die gefährdeten den Uhu, indem sie ihren Sport ausübten. Doch ebenso wollten sie eine intakte Natur. Eine Regelung müsse nur plausibel und nachvollziehbar sein, damit sie auch eingehalten werde. „Jetzt haben wir verbrieft, dass wir unseren Sport im Einklang mit der Natur ausüben“, sagte er.
Mitte des 20. Jahrhunderts war der Uhu, die weltweit größte Eulenart, in der Bundesrepublik Deutschland praktisch ausgerottet. Nur noch um die 20 Brutpaare gab es laut Günter von Lossow vom bayerischen Landesamt für Umwelt. Die Vogelart galt als Jagdkonkurrent für Tiere wie Fasan und Feldhase und wurde deshalb geschossen. Seitdem gelang es die Existenz des Uhus zu sichern. Um die Jahrtausendwende gingen Naturschützer von etwa 150 bis 200 Brutpaaren in Bayern aus. Damals startete das Artenhilfsprogramm für die Vogelart. Im Freistaat geht Lossow von derzeit etwa 450 bis 550 Brutpaaren aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging auch der Bestand an Wanderfalken vor allem durch den Einsatz des giftigen Insektizids DDT stark zurück. Seit 1982 existiert ein Artenhilfsprogramm. Derzeit leben in Bayern rund 700 Brutpaare.

Fotos: Manfred Neubauer


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