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Frauen können wählen: Zwischen Beruf oder Familie. Dass aber diese beiden Pole auch vereinbar sein können und Frauen heute ganz neue Perspektiven haben, dafür hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan – zum Beispiel durch das Münchner Seminar „Neuer Start“.

Der „Neue Start“ ist ein Sprungbrett

Von Claudia Koestler

München, 21.1.2014 - Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Und oft braucht es dazu einen Impuls von außen. Solche Impulse setzt das Münchner Seminar „Neuer Start“ für Frauen, die sich nach oder während der Familien- und Erziehungsphase orientieren, informieren, weiterbilden, umschulen oder wieder in einen Beruf einsteigen wollen, egal mit welcher Vorbildung. Der „Neue Start“ ist eine Einrichtung des "Vereins für Fraueninteressen".

1894 wurde dieser mit dem Ziel gegründet, Frauen Bildungschancen sowie gesellschaftliche und staatsbürgerliche Rechte zu schaffen. Damals wie heute stärkt und unterstützt der Verein mit seinen sozialen und fördernden Einrichtungen und Veranstaltungen Frauen in Familie, Beruf und Gesellschaft. Das Seminar „Neuer Start“ ist dabei ein zweimal jährlich stattfindender Kurs über 11 Wochen mit maximal 20 Teilnehmerinnen, der der Orientierung und Vorbereitung für Frauen dient, die eine Rückkehr in die Berufstätigkeit planen. „Viele Frauen wollen nach der Erziehungs- und Familienphase wieder in den Beruf zurück, sei es in den früher erlernten oder in etwas ganz Neues. Doch der erste Schritt ist für viele oft schwierig“, weiß Seminarleiterin Inga Fischer. Der „Neue Start“ aber bietet den Kursteilnehmerinnen an 38 Vormittagen Raum und Zeit, ihre Lebenserfahrungen zu bilanzieren, sich intensiv mit ihrer gegenwärtigen Situation auseinanderzusetzen und sich ihrer Interessen, Kompetenzen und Möglichkeiten voll bewusst zu werden. „Denn je genauer alle Möglichkeiten und Zweifel geklärt werden, desto gezielter können die Chancen auf einen beruflichen Neubeginn geprüft werden und desto sicherer ist die Suche nach einer neuen, erfüllenden beruflichen Herausforderung von Erfolg gekrönt“, so Fischer.

Neuorientierung, Entdeckung und Bewusstwerdung von Fähigkeiten, Kompetenztraining, Entscheidungsfindung, Neugestaltung von Lebensräumen, Berufswegplanung, Zeitmanagement, Bewerbungstraining, Weiterbildungsmöglichkeiten sind die Themen, um die sich folglich elf Wochen lang alles dreht. In den vorletzten beiden Kurswochen sorgt zudem ein selbst gesuchtes Praktikum für Erfahrungen. „Unser Kurs ist somit ganzheitlich aufgebaut“, betont Fischer. Das Seminar finanziert sich durch die Kursgebühren sowie durch Zuschüsse vom bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie durch Spenden des ZONTA Club München 1.

Das Angebot richtet sich an Frauen, die längere Zeit überwiegend Familienarbeit geleistet haben, die sich durch Familie und Haushalt nicht mehr ausgefüllt fühlen oder die den Austausch mit Frauen in ähnlichen Lebenssituationen suchen. Genauso aber auch an Frauen, die überprüfen wollen, ob sie denn überhaupt Zeit und Raum für andere Aufgaben haben. Oder diejenigen, die sich ihrer Stärken und Fähigkeiten unsicher sind, neue Impulse und Informationen suchen oder die schlichtweg eine Art „Probelauf“ unternehmen wollen, ob sich Familie und Beruf vereinbaren lassen. Angesprochen fühlen dürfen sich also viele: „Unsere Kursteilnehmerinnen sind zwischen 35 und Mitte 50, haben von null bis fünf Kinder, waren zwischen drei und 20 Jahre lang nicht erwerbstätig und haben höchst unterschiedliche Ausbildungen, von der Apothekenhelferin bis zur Anästhesistin“, weiß Fischer. Kurzum: „Familienfrauen, die an einem Punkt in ihrem Leben sind, wo sie überlegen, wo stehe ich, was will ich mit den nächsten 20, 30 Jahren anfangen und was geht überhaupt?“, beschreibt es die Seminarleiterin. Dabei muss es gar nicht immer auf einen Wiedereinstieg in den Beruf hinauslaufen: „Wir sagen zwar, der „Neue Start“ ist ein Sprungbrett, aber es gibt auch Frauen, die aus dem Kurs heraus entscheiden, dass eine Rückkehr in den Beruf noch nicht das Richtige ist“, weiß Fischer. Denn alleine schon durch den Kurs werde klar, ob die Zeit, Kraft und die Betreuungsmöglichkeiten ausreichen. Manche kämen auch zu dem Schluss, dass es nur im Moment noch nicht das Richtige ist. „Das sind teilweise langsame und schwierige Prozesse, keine Entscheidungen von heute auf morgen“, sagt Fischer. Denn in den 11 Wochen würde den Frauen enorm viel bewusst: „Und wir machen nichts anderes als anzustoßen, Impulse zu geben, Fragen anzuregen, zu ermutigen, genau hinzuschauen, ehrlich mit sich und mit allen anderen zu sein und den Mut zu finden, auch etwas auszuprobieren“.

Mannigfache Kernkompetenzen, die Frauen in ihrer Familienzeit erwerben

Je intensiver sich eine Frau in ihrem Leben um andere gekümmert hat, seien es Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, desto weniger klar sei ihr oft, wer sie selbst ist, was ihr gut tut, was sie braucht. „Das Selbstwertgefühl geht oft gegen Null“, hat Fischer beobachtet. Was auch damit zu tun habe, dass Familienarbeit noch immer nicht wertgeschätzt werde. Dabei sind es mannigfache Kernkompetenzen, die Frauen in ihrer Familienzeit erwerben: Kommunikationsfähigkeit auf vielen Ebenen, Stressresistenz, Finanzmanagement, Führungsqualität, Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein. „Auf so etwas schauen Arbeitgeber genau, und es sind wunderbare Voraussetzung, jemanden weiter zu schulen“, weiß Fischer.

Mut und Klarheit für neue Wege

Neben Fischer geben vier weitere, erfahrene Dozentinnen dem Seminar Anregungen, Informationen und Hilfestellung und unterstützen die Gruppe dabei, Mut und Klarheit für neue Wege zu schaffen. Und die Dozentinnen wissen, wovon sie sprechen: Alle sind ebenfalls Familienfrauen, vier der fünf sind sogar einst selbst Absolventinnen des Kurses gewesen: „Ich war Europasekretärin und im Personalbereich tätig, habe aber immer gedacht, ich will zum Radio. Als ich den Kurs dann 2007 nach meiner Familienzeit machte, habe ich tatsächlich ein Praktikum beim Bayerischen Rundfunk gemacht, mich aber letztlich doch für etwas anderes entschieden – und dabei hat der Kurs ganz klar geholfen“, sagt Fischer.

„Die Frauen im Kurs lernen miteinander und voneinander.“

Doch auch wenn die Dozentinnen Hilfestellung leisten, die eigentliche Arbeit passiert in der Gruppe. „Die Frauen im Kurs lernen miteinander und voneinander. Jede Frau bringt sich selbst ein mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Möglichkeiten und Grenzen, mit ihren beruflichen und persönlichen Qualitäten“, beschreibt es Fischer. Für die 20 meist höchst unterschiedlichen Teilnehmerinnen mit ihren individuellen Biographien und Erfahrungen stehe deshalb zunächst das gegenseitige Kennenlernen an, parallel dazu aber auch das eigene Kennenlernen. Werte, Fähigkeiten, Interessen und Kompetenzen würden entdeckt und dann die Frage geklärt, wohin es gehen soll und was man dafür braucht. „Ich kann ja erst dann eine Bewerbung schreiben, wenn ich weiß, was ich gelernt habe, was ich bin und kann“, so die Seminarleiterin. Und in der Gruppe könnten alle anderen von den Erfahrungen jeder Einzelnen profitieren. „Ein echt spannender Prozess“, seien die Kurse jedes mal. „Denn auch wir wissen nie, was am Ende rauskommt. Es wäre vermessen zu sagen, am Ende steht jede in Lohn und Brot bei ihrer Traumstelle. Aber es wird viel angeschoben“, sagt Fischer.

„Gerade Fachkräfte werden händeringend gesucht.“

Immerhin: 75 Prozent der Kursteilnehmer sind nach kurzer Zeit wieder berufstätig, und zwar in einem Berufsfeld, das sie selbst ins Visier genommen haben. Der überwiegende Teil davon arbeitet in Teilzeit, ein großer Teil macht sich auch selbständig. „Fast alle Teilnehmerinnen kommen mit der Vorstellung, ganz was Neues zu machen, doch die meisten gehen dann doch in den alten Beruf zurück. Nicht weil sie sich es leicht machen, sondern weil sie erkennen, es macht Sinn“, weiß Fischer. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien sogar sehr gut: „Gerade Fachkräfte werden händeringend gesucht. Und auch wer lange aus dem alten Beruf raus ist, findet oft erstaunlich schnell wieder rein“, so die Seminarleiterin.

Die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Situation und die Schärfung des Bewusstseins für die eigenen Kompetenzen und Stärken haben gerade auch Sophie Fakhoury und Michaela Kuschel mit dem „Neuen Start“ gewagt. Und damit Mut für neue Wege und neue Zukunftsperspektiven gefasst:
Kuschel stieß auf das Seminar über eine Freundin. „Bei mir waren die letzten drei Jahre sehr stressig mit zwei kleinen Kindern. Jetzt ist der Jüngste im Kindergarten und das war für mich der Zeitpunkt, zu überlegen, was ich mache, um persönlich weiterzukommen. Ich bin sehr froh, dass ich mich für den „Neuen Start“ entschieden habe“, sagt Kuschel. Denn hier sei sie angeleitet worden, sich bewusst Zeit zu nehmen: „Es einfach mal in den Mittelpunkt zu rücken, über mich nachzudenken, wie´s weitergeht“. Zuvor sei sie „ziemlich rumgeeiert“, in welche Richtung es mit ihr beruflich gehen könnte: „Ich habe eine Ausbildung für Medien-Design, aber viele Jahre viele Dinge und nichts richtig gemacht“, so Kuschel. Jetzt habe sie sich dafür entschieden, ihr Praktikum bei einem Fotografen zu machen. Denn im Bereich der Fotografie könne sie relativ frei agieren, eventuell auch durch eine spätere Selbständigkeit. „Mir ist durch das Seminar nämlich auch bewusst geworden, dass ich mit meinen beiden Mäusen noch mehr Zeit verbringen will“, sagt Kuschel. Und noch etwas habe sie positiv überrascht: „Die Gruppendynamik, die aufkam. Wir sind alle gleich, obwohl die Voraussetzungen ganz unterschiedlich sind“.

„Eine neue Perspektive, eine neue Idee entdeckt.“

Das unterstreicht auch Sophie Fakhoury, deren Hintergründe gänzlich anders sind: „Meine Kinder sind 15 und 18 Jahre, also fast aus dem Haus. Ich arbeite seit acht Jahren bereits als Beraterin, doch ich bin seit zwei Jahren richtig frustiert“, erzählt sie. „Eine Million Fragen“ schwirrten ihr ständig im Kopf umher und eigentlich wäre sie lieber fest angestellt, doch es hagelte nur Absagen. Also googelte sie eines Tages die Stichworte „Frau“ und „neue Orientierung“ und landete so auf der Seite von „Neuer Start“. Ein Telefonat später war ihr klar, „hier melde ich mich an“. Fakhoury ging es vor allem um Bestätigung: „Ist es richtig, was ich tue, oder soll ich was anderes machen?“ Vor zwei Jahren habe sie bereits einmal ein Karrieremanagement-Seminar mitgemacht. „Doch was hier angeboten wird, bringt hundert Mal mehr“, sagt sie. Denn hier bekam sie die Bestätigung, die sie seit zwei Jahren suchte: „Und ich habe eine neue Perspektive, eine neue Idee entdeckt, die mich unglaublich befreit“, freut sie sich. Denn viele Firmen suchten Freelance-Berater für Projekte. „Das gehe ich jetzt in der Praktikumszeit an“, sagt sie.

Der Schwung, den beide hier neu gewonnen haben, klingt in ihrer ehrlichen Begeisterung und in jedem ihrer Sätze mit. Und man spürt, hier ist eine Gemeinschaft gewachsen, die Bestand haben wird auch über die 11 Wochen hinaus: „Es tut gut, wie man hier aufgerüttelt wird“, sagen beide. Und sie sind sich sicher: „Es ist der erste, wichtige und richtige Schritt zum Erfolg, und das mit Spaß an der gemeinsamen Arbeit“.

Neuer Start – in München:
Thierschstraße 17
80538 München
Tel.: +49 89 2904463
info@remove-this.neuer-start-muenchen.de
www.neuer-start-muenchen.de

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