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Altbürgermeister von Schäftlarn - Erich Rühmer feiert 80. Geburtstag

Ein geselliger Mensch

Von Benjamin Engel

Schäftlarn, 15.1.2018 - Schon vor 15 Jahren hat sein damaliger Stellvertreter Gerd Zattler (Grüne) Entscheidendes gesagt. Er bescheinigte ihm die Gabe, „Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen.“ Damit hatte er den entscheidenden Charakterzug von Erich Rühmer bei einer Rede zum Abschied aus dem Bürgermeisteramt getroffen. Die Fähigkeit, Kontakte und Freundschaften zu pflegen und den Kompromiss zu suchen, war besonders im konfliktgespaltenen Schäftlarn der 1970er-Jahre gefragt. Damals wurde Rühmer mit 36 Jahren Bürgermeister und sollte es 28 Jahre bleiben. Am 15. Dezember) hat der Schäftlarner Alt-Bürgermeister und Vorsitzende im Isartalverein seinen 80. Geburtstag gefeiert.

Und das gleich zweimal. Denn Rühmer ist ein geselliger Mensch. Deshalb lädt er die offiziellen Gäste in der Schäftlarner Einkehr ein. Gleichzeitig feiert er ganz privat in einem Gasthof im Landkreis mit fast 50 Leuten. „Das sind aber nur die engsten Freunde“, sagt er. Nur den Ruhestand genießen will Rühmer keinesfalls, auch nach fast drei Jahrzehnten im Schäftlarner Rathaus und beinahe 15 Jahren an der Spitze des Isartalvereins nicht.

Was ihn auszeichnet, ist seine Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen und den Kompromiss zu suchen. Wie zum Beweis erklärt Rühmer, dass er im Gemeinderat immer Mehrheiten habe suchen müssen. Seine Gruppierung – die von ihm mitgegründete Gemeindeunion – sei im Gremium immer nur Minderheit gewesen. „Und trotzdem waren mehr als 90 Prozent der Beschlüsse einstimmig“, sagt er. Schon zum Abschied vom Bürgermeisteramt 2002 lobte ihn sein damaliger Stellvertreter Gerd Zattler (Grüne). Er bescheinigte Rühmer die Gabe, „Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen.“ Das war in der Gemeinde nach den verhärteten Fronten in den 1970er-Jahren besonders gefragt.

Alles mit Augenmaß

Spätestens mit dem 30. Juni 1972 setzten im Ort hitzige Diskussionen ein. An diesem Tag unterschrieb der stellvertretende Landrat des Landkreises Wolfratshausen – der war am nächsten Morgen im Zuge der Gebietsreform Geschichte – einen im Ort hoch umstrittenen Bebauungsplan. Auf dem Quisisana-Grundstück in Ebenhausen durften vier Blocks mit 95 Wohnungen gebaut werden. Die Dimensionen der neuen Wohnanlage Isartal spalteten den Gemeinderat. Zu groß, zu städtisch erschien vielen das neue Bauvorhaben. Bis hin zu zahlreichen Gerichtsverfahren sei der Streit gegangen, erinnert sich Rühmer. Wäre er damals schon Bürgermeister gewesen, hätte er gegen die Wohnanlage gestimmt. Heute sehe er wegen des starken Zuzugs die Notwendigkeit zum Nachverdichten im Ort – allerdings mit Augenmaß.

Die politische Karriere von Rühmer begann aber erst 1974. Damals trat sein Vorgänger Franz Ilsung aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die Gemeindeunion gründete sich. Rühmer entschloss sich mit 36 Jahren zur Kandidatur um das Bürgermeisteramt – und gewann. Viermal wurde er bis zum Rückzug 2002 wiedergewählt.

Für eine so lange politische Karriere hatte bis dahin kaum etwas gesprochen. 1937 wurde Rühmer in Icking-Dorfen geboren. Der Natur- und Umweltfreund, wie er sich selbst bezeichnet, hatte viele Optionen. Nach dem Schulabschluss zählte er zum ersten in der neu gegründeten Bundeswehr eingezogenen Jahrgang. Er verpflichtete sich bei den Gebirgsjägern, hatte die Möglichkeit, als Berufssoldat im französische Fontainebleau oder in den Vereinigten Staaten Karriere zu machen. Doch Rühmer entschied sich, im Fischerei-Lehrmittelverlag des Vaters mitzuarbeiten. Sie vertrieben Wandtafeln für Bildungseinrichtungen bis ins Ausland. Wie sein Vater machte er die Ausbildung zum Fischereisachverständigen, arbeitete an Gutachten in ganz Bayern mit. „Das hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt Rühmer.

Ein echtes Sporttalent

Im Ort war er zudem als Sporttalent bekannt. Zwischen 1961 bis kurz nach der Jahrtausendwende betreute und trainierte der er Jugendmannschaften des TSV Schäftlarn. In den 1960er- und 1970er-Jahren war er in der mittlerweile aufgelösten Schäftlarner Faschingsgesellschaft Sporthalla aktiv. Wie Rühmer erzählt, sei er gewohnt gewesen, laufend vor vielen Menschen zu reden. Das habe ihm im Bürgermeisteramt geholfen.

Ganz genau aufgeschrieben hat Rühmer, was er in dieser Zeit erreicht hat. Aus einem Aktenordner zieht der schlanke, aktive Mann mit dem silbergrauen Haar in seinem Haus in Schäftlarn seine Unterlagen. Allein 36 Straßen seien zu Beginn seiner Amtszeit noch reine Staubpisten gewesen, sagt er. „31 habe ich in 28 Jahren ausgebaut.“ Vor allem betont er seinen Einsatz für Umwelt- und Naturschutz. 1980 habe er in Schäftlarn ein Umweltamt und den dazu gehörigen Referenten eingeführt. 1983 sei die erste kommunale Kompostieranlage entstanden. Unter Rühmer wurde die Kläranlage gebaut und die Gemeinde investierte in die Trinkwasserversorgung. Entscheidend war für ihn der Bau des neuen Tiefbrunnens im Schorner Buchet Ende der 1970er-Jahre. Damit sei die Trinkwasserversorgung gesichert gewesen. Zuvor sei die Kommune nur durch eine Hangquelle und zwei Flachbrunnen im Isarhochwasserbett versorgt worden. Das Wasser musste chloriert werden. Im Deutschen Städtetag ließ sich Rühmer in den Umweltausschuss wählen.

Nach dem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt hielt es Rühmer kaum ein Jahr ohne Posten aus. Schon 2003 wurde er zum Vorsitzenden des Isartalvereins gewählt. In dieser Funktion kämpft er seither für den Erhalt der Natur des Flusstals. Als Erfolg wertet er das neu vereinbarte Konzept zum Schutz des Isartals zwischen dem Münchner Tierpark Hellabrunn und Schäftlarn. Darin wurde etwa vereinbart, dass Mountainbiker künftig neun Ruhezonen mit seltenen Tier- und Pflanzenarten meiden. Dafür wird eine eigene Mountainbike-Strecke ausgewiesen.

Ein solches Konzept würde sich Rühmer auch für das Isartal im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wünschen. Denn es ziehe immer mehr Ausflügler nach Süden bis in die Berge zu beiden Seiten der Isar hinein. Die Natur müsse dringend geschützt werden, denn die Isar sei etwas Besonderes: „Sie ist der letzte Wildfluss Deutschlands.“ Gegen den Flächenfraß will sich Rühmer weiterhin im Isartalverein einsetzen. Und auch mit 80 will er sich noch lange weiter engagieren.

Hilfsprojekt „Proyecto Horizonte"

Mehr Aufmerksamkeit als für sich selbst wünscht sich Erich Rühmer für das Projekt seines Sohnes in Bolivien. Christian Rühmer berät Banken in Entwicklungsländern zu Mikrokrediten. Auf seinen Reisen rund um die Welt berührte ihn das Schicksal der Straßenkinder in Bolivien. 2004 rief er das Projekt Proyecto Horizonte in Ushpa-Ushpa ins Leben. In dem kleinen Ort nahe Cochabamba, der viertgrößten Stadt des südamerikanischen Landes, hatten sich frühere Minenarbeiter angesiedelt. Sie lebten ohne Strom, Trinkwasser oder eine Kanalisation. Um die Kinder aus der Armut zu holen, investierte er mit dem Hilfsprojekt in die Bildung. Zunächst entstand ein Kindergarten, später eine Schule.

In diesem Jahr haben mehr als 2100 Kinder und Jugendliche von der Arbeit der Projektträger profitiert. 1040 Kinder besuchten das tägliche Angebot, das von der Leseförderung bis zu Sportkursen reicht. Im Rahmen der Familienförderung werden Kinder und Eltern gemeinsam betreut. Mit Hilfe von zwei Stipendienprogrammen konnten 33 Absolventen der Schule die lokale Universität besuchen. Wie der Schäftlarner Altbürgermeister erklärt, hätten Frauen aus dem Dorf beispielsweise Kleinstkredite aufgenommen und so eine Bäckerei aufgebaut. Mütter fertigen und verkaufen Schals und Tischdecken. „Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Erich Rühmer. Auch eine Krankenstation ist inzwischen entstanden. Besonders freut Rühmer, dass fast alle der Mitarbeiter direkt aus dem Dorf stammen. Das erhöhe die Akzeptanz. Weltweit sammelt Christian Rühmer Spenden, auch bei Bankern und Börsianern.

Foto: Benjamin Engel

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