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Fotograf Michael von Hassel im Porträt

Ein Mann der frühen Morgenstunde

Von Andrea Weber

Geretsried, 19.10.2017 – Michael von Hassel ist der Mann der frühen Morgenstunde. Der Vier-Uhr-Fotograf. Er wartet auf den Augenblick, wo die Betriebsamkeit des Lebens noch einen Moment innehält, wo das Licht des neuen Tages noch vorsichtig über den Horizont schimmert. Seine Fotografien haben eine spezielle farbenfrohe Einsamkeit oder anders gesagt eine dynamische Stille. Seine Motive, die er auf der ganzen Welt findet, sind überwiegend menschenleer. Die Fotografie, sagt er, sei die Auszeit seines schnelllebigen und gesellschaftlichen Künstlerdaseins.

Inzwischen werden die großformatigen Fotografien des Geretsrieders international hoch gehandelt. Von Hassel hat es in die Kunstszene geschafft. „Mein Leben braucht Gelegenheiten“, sagt er. Hier in Geretsried atmet er durch, ehe er wieder von Kontinent zu Kontinent eilt, stets auf der Suche nach dem richtigen Motiv. „Erst wenn Du dort bist, wirst Du die Kultur und die Menschen verstehen.“ Das gilt auch für Nordkorea. Im Frühjahr war er dort. Er hat eine grandiose Bergwelt entdeckt, bizarr und eiskalt, und im Winter farblos und einsam. Er hat die anonymen Plattenbauten in den Städten fotografiert und ihnen eine Identität auf seinen Bildern gegeben, wenn auch kalt und unnahbar.

Eine Reise durch Nordkorea bedeutet Regeln beachten und respektieren. Heißt aber auch die Geschichte des Landes zu kennen und zu hinterfragen, warum sie dort so ticken und außenpolitisch die Muskeln spielen lassen.

Die von Hassels sind politische Menschen, seit Generationen. Der Großvater von Michael von Hassel war ein Zeppelin-Pilot, der unter anderem die Hindenburg steuerte. Der Großonkel war der Politiker Kai-Uwe von Hassel, zuletzt Präsident des Deutschen Bundestages von 1969 bis 1972. Beide waren Fotografen und haben dem Buben die ersten Mittelformatkameras geschenkt. Michael von Hassel ist Autodidakt, der sich selbst beigebracht hat, wie man mit dem Auslöser hinter die Kulissen schauen kann.

„Erkenne, dass die größte Herausforderung die höchste Befriedigung sein kann.“

Der heute 39-Jährige ist in Geretsried aufgewachsen. Nach dem Abitur und Wehrdienst studierte er in China die Landessprache. Danach absolvierte er eine Banklehre und ging nach London. Es folgte ein Studium der Betriebswirtschaft in Ingolstadt und dabei kam ihm die Frage: „Worum geht es mir eigentlich im Leben?“ Er kennt inzwischen die Antwort: „Erkenne, dass die größte Herausforderung die höchste Befriedigung sein kann.“

Städte, Natur, Bauwerke setzt von Hassel in Szene. Bis zu 200 Einzelbilder in verschiedenen Belichtungen und Perspektiven macht er von einem Motiv. So entstehen unreale Farben und eine gestochene Tiefenschärfe. Für seine Oktoberfestzelt-Serie stand er um vier Uhr früh auf der Empore. Das noch leere Zelt wirkt auf seinen großformatigen Bildern, wie eine Manege unrealer Wirklichkeit. Die Fotografien bestehen aus hochwertigen Bildabzügen mit einer metallischen Oberfläche. Sie gehören zu den weltgrößten Formaten. Bis zu sechs Meter Länge, vier Meter Höhe und 400 Kilogramm schwer können die hinter Diamant-Weißglas gefassten Motive sein.

Michael von Hassel jettet um die Welt, von China bis Südtirol, von Kamtschatka bis Transnistrien. Auf 260 Reisetage hat er es 2016 gebracht. Heuer könnte er dieses Ziel noch toppen, sagt er. Zur Ruhe kommt er in Geretsried, wo seine Familie lebt. Da atmet er durch für die nächste Tour um die Welt.

Fotos: Michael von Hassel, Andrea Weber

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