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Verrückt, faszinierend, mitreissend: Mit der Inszenierung von „Pension Nirvana“ gelingt Wolfgang Ramadan das wohl spannendste, schrägste und innovativste kulturelle Projekt seit Jahrzehnten im Landkreis.

Angekommen im boarischen Himmel

Von Claudia Koestler

Bad Heilbrunn, 1.7.2013 - Ein Philosophie-Exkurs über den Tod als Stationentheater - das klingt erst mal nach schwerem Stoff. Ist es in diesem Fall aber gar nicht. Denn das Theaterstück „Pension Nirvana“ von Wolfgang Ramadan, das kürzlich seine Welturaufführung im Rahmen der dritten Naturschauspiele am Blomberg feierte, hat weit mehr zu bieten als himmlische Aussichten und höllische Qualen.

Vielmehr setzt es seine Fragen über Welten und Wahrheiten mit leichter Hand und viel komödiantischem Witz in Szene, mit ebenso komischen wie erhellenden Momenten. Das Publikum erlebte eine Inszenierung, die zwar den Tod als Thema hatte, sich aber keineswegs todernst nahm. Im Gegenteil: Denn das Stück besticht durch Witz und Tiefsinn gleichermaßen, ist ebenso komisch-derb wie feinfühlig-sarkastisch. Vor allem: Ramadan schafft es, bei einem eigentlich traurigen Thema immer wieder Szenen einzustreuen, in denen befreiendes Lachen möglich ist. Und damit die Hoffnung darauf, den Kreislauf zu durchbrechen. Oder zumindest nicht so tragisch zu nehmen.

Außergewöhnliches Stationentheater: Per Sessellift weiter in den boarischen Himmel und ins Nirvana

Der Tod wird vom Feind zum Freund, und diese Doppelnatur bleibt stets präsent: „Der Tod macht das Leben wertvoll“, heisst es in dem Stück. Und: „Der Tod ist das I-Tüpferl vom Leben“. Erzählt wurde dabei die Geschichte von Mane, dargestellt von Mane Abholzer. Er stirbt unvermittelt im Biergarten der Pension Nirvana. Der Boandlkramer (Gerhard Rothenfußer) ist nicht weit: Mit Karren und Motorscooter will er sich samt Mane schon auf den Weg machen. Doch die Rechnung hat er ohne die Globalisierung gemacht: Dem Gespann lauert eine indische Gottheit auf, verkörpert von Hermann Paetzmann. Wenn es nach ihm ginge, soll es für Mane statt in den boarischen Himmel ins Nirvana gehen. Trotz hemdsärmliger Argumente werden sie sich nicht einig. So soll Mane selbst entscheiden, wo es für ihn hingeht. Natürlich will er sich vorher die Optionen erst einmal genau anschauen. Deshalb geht es für die drei mit dem Publikum im Schlepptau erst einmal zu Fuß in die Hölle und ins Fegefeuer, wo Kurt Cobain noch ein paar Jahre schmoren muss, und später dann per Sessellift weiter in den boarischen Himmel und ins Nirvana. Die einzelnen Szenen wurden so zu einem außergewöhnlichen Stationentheater verwoben.

Eine Hauptrolle hatte dabei auch die Natur: Wuchtige Felsblöcke, dunkle Fichten, knorrige Wurzeln, die aus dem Boden ragen. Dazu ein lauer Sommerabend mit Fernsicht bis zum Starnberger See auf dem Blomberg. Da brauchte es noch nicht einmal besonders viel Phantasie, um hier vom Himmel überzeugt zu sein. Optik, Atmosphäre und witzige Regieeinfälle ließen zudem die Fahrt im Sessellift hinauf zum „boarischen Himmel“ zur Entdeckungsreise werden. Für Publikum und Protagonisten ging es vorbei an seltsamen Wesen auf Stelzen, an Plakaten, die gestorben sind, und am Schlaraffenland. Dort wurden tatsächlich per Angel Brezn verteilt, und wer schnell genug zugriff, hatte glatt eine Brotzeit für unterwegs ergattert.

Doch auch sonst gab es viel zu entdecken: Sprüche und Schilder mit teils schrägen, teils grandiosen Gedankenschnörkeln und vorher einen kurzen Cameo-Auftritt von Ottfried Fischer. Und man war auch nicht vor schrägen Zufällen gefeit: Bei der Premiere etwa standen staunende Bergwanderer am Wegesrand und riefen dem Publikum in den Sesselliften gut zu: „Des werd' scho“. Tatsächlich, denn knapp unterhalb der Gipfelstation winkte ein blonder Engel zu den Klängen von „Freude schöner Götterfunke“: Man war angekommen im boarischen Himmel. Weißwürste und Schweinsbraten inklusive. Auch das Nirvana ist hier oben nicht weit weg. Und so gipfelte das Spektakel letztlich in einem schrägen Diskurs von Boandl und Inder über das jeweilige für und wider und das "Nichts" oder was sonst noch im Jenseits diskussionswürdig ist.

Ein Feuerwerk starker Bildsprache und märchenhafter Poesie

Wie sich Mane letztlich entschieden hat? Oder ob es vielleicht einen völlig überraschenden Schluss gab? All das darf hier natürlich nicht verraten werden. Gesagt werden muss aber etwas anderes: Was ein Himmelfahrtskommando hätte werden können, wurde für Ramadan zum Triumphzug. In Szenen, in denen Slapstick und Suspense ebenso Platz haben wie Schrilles und subtile Andeutungen, entzündete er ein Feuerwerk mit starker Bildsprache und Texten, in denen märchenhafte Poesie, Mythen, Projektionen und Fantasien Hand in Hand gingen. Ramadan geht der bitteren Note des Stoffes nicht aus dem Weg, sondern konfrontiert sie effektvoll mit burlesker Komik.

Das Ergebnis erinnert etwas an eine Chimäre aus „Jedermann“ und „Münchner im Himmel“, wenn sie Monty Python's „Always Look on the Bright Side“ auf den Lippen gehabt hätten. Es könnte somit dem ewigen Klassiker „Brandner Kasper“ somit tatsächlich gefährlich werden. Zumindest, wenn es so gespielt wird wie hier: Denn Comedia dell'Arte, schräge Leichtigkeit und heiligen Ernst verband das Ensemble in charmantester Unverfrorenheit zu einer höchst unterhaltsamen Mischung aus lebenskluger Mutmacherei und derbem Volkstheater. Überhaupt, das Ensemble: Herausragend agierten die drei, die nicht nur perfekt besetzte Typen waren. Sie prägten auch das Unerklärbare, das Labyrinthische, das Absurde und das Komische in diesem Stationentheater mit Verve, Spielfreude und Natürlichkeit. Fast jede Szene verdiente so das Prädikat „denkwürdig“. Tosender Applaus und begeisterte Zurufe zeigten der Truppe am Ende, dass das Publikum zweieinhalb kurzweilige, mitreissende, erhellende Stunden erlebt hatte.

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