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Theaterpremiere „Kälberbrüten“ am 7. Juni im Kurpark Bad Tölz

Wer ko’, der ko’

Von Claudia Koestler

Bad Tölz, 3.6.2015 - Schrill, wild, brillant: Wolfgang Ramadan und das Pension Nirvana Ensemble machen aus Hans Sachs’ „Kälberbrüten“ ein irr-witziges Paradestück für den Tölzer Theatersommer

Er windet sich, zuckt und vibriert. Die Glieder verrenkt, als wäre er eine Gummipuppe, die sich selbst zurechtbiegt, um nicht ganz aus der Fasson zu fallen. Das Gesicht, zur Grimasse zerdehnt, die Augen schreckgeweitet, den Mund wie beim Hecheln halb geöffnet: So sieht er aus, der Bauer, der in seiner Selbstüberschätzung vollkommen unbeholfen ist und jetzt, da die Frau wieder nach Hause kommt, in Angst und Schrecken versetzt ist.

Man könnte glauben, es sei eine in die Jahre gekommene Posse, dieses Stück von Hans Sachs, dem Nürnberger Meistersinger und Dramatiker aus dem 16. Jahrhundert. Doch Regisseur Wolfgang Ramadan zeigt, dass „Kälberbrüten“ heute noch funktionieren kann, und zwar als furiose Lachnummer, die eine in jeder Minute unterhaltsame Inspektion des klassischen Typentheaters und seiner Figuren ist: Der machohafte Bauer, die frustriert überarbeitete Bäuerin, ein gut meinender, aber tollpatschiger Bruder.

Fröhlich überdrehter Klamauk
Zusammen mit dem Ensemble des „Pension Nirvana“-Hits macht sich Ramadan einen Spaß mit dem Stück, zum Gaudium des Publikums: fröhlich überdrehter Klamauk, bei dem die Körpersäfte munter spritzen. Bereits bei einer ersten öffentlichen Probe hatten Ensemble wie Publikum sichtlich Spaß an diesem komödiantischen Paradestück, bei dem ein Gag-Feuerwerk abgebrannt und nicht nur gelacht wurde, sondern geprustet und gejohlt. Weil Ramadan, man muss es so vollmundig sagen, da erneut einem Geniestreich auf der Spur ist: aus einem am Leben scheiternden Macho ein rührendes Menschenexemplar am Rande des Wahnsinns zu formen.

Das gelingt ihm, indem Ramadan dramaturgisch aufs Ganze geht und die Komik dort ernst nimmt, wo sie am direktesten wird, bevor man sie intellektuell auflädt: bei der Physis. Dieses „Kälberbrüten“ ist in seinen besten Momenten beides: Slapstick und Diskurstheater, Kirmesklamauk und Dekonstruktionsshow. Alle Darsteller strampeln, wirbeln und straucheln, ihr darstellerisches Vorbild müssen Bugs Bunny und die Großen des Slapsticks gewesen sein – von Stan und Olli, Buster Keaton bis hin zu Jackass.

Raffiniert berechnete Schicksalsdynamik
Was Herrmann Paetzmann beispielsweise in der Rolle des Bruders des Landwirts zum Besten gibt, ist allein den Abend wert, eine herkulische und zugleich leichtfüßige Leistungsschau des Komischen mit erstaunlichem Körpereinsatz und Lust zum Limit. Herrlich aber auch Mane Abholzer in der Rolle des Bauern: Da sitzt er, ein larmoyanter Kauz und zugleich Möchtegern-Herr im Haus. Er geht stets den leichten Weg, denn was die anderen für ihn machen, kann so schwer ja nicht sein. So thront er in seinem in die Luft gebauten Schloss der Selbstherrlichkeit, während seine Ehefrau sich abrackert, den Status Quo zu erhalten (wunderbar changierend zwischen Leidensfähigkeit und Überdruss: Sabine Maiß). Doch irgendwann platzt ihr der Kragen, die Aufgaben werden getauscht: Während sie auf den Markt geht, soll er das Ruder im Haus übernehmen. Und ab hier demontieren Sachs und Ramadan die Figur mit einer raffiniert berechneten Schicksalsdynamik. Nichts gelingt ihm zu deichseln, weder das Kind zu beruhigen, noch das Kraut zu kochen, die Glühbirnen auszuwechseln oder Ochs und Kalb in den Stall zu bringen. In immer größer werdenden Verzweiflung klammert er sich schließlich an den absurdesten, aber vermeintlich einzigen Strohhalm - das Ausbrüten eines neuen Kalbes. So wie in seinem Haus die Hühner und Gänse ihre Jungen aus Eiern brüten. Das Haus verwüstet und den Bauern über dem Käselaib gackernd, findet ihn die Frau vor und glaubt, jetzt sei er vollends von Sinnen. Ob hier der Pfarrer noch etwas retten kann? Oder ein kurioser Regieeinfall dazwischenkommt? Oder Peter Fischer?

Es darf natürlich nicht alles hier verraten werden, denn noch laufen die Proben und der Feinschliff für die große Premiere am 07. Juni in Bad Tölz und die Auftritte von da an jeden Sonntag im Juni, Juli und August. Doch eines verspricht das Stück bereits jetzt: Dass sie gleich einer Brause in den Kopf steigt und in die Lachmuskeln fährt, einfängt wie ein routinierter Lassowerfer und ausliefert an eine himmlisch sinnlose, völlig veraltete, ziemlich überflüssige, unlogische Geschichte, die gerade deshalb wunderbar epigonal und herrlich eskapistisch ist. Kurzum: Dieses Theater wird ein toller Spaß.

Kälberbrüten - Genialer Klamauk mit dem Pension Nirvana Ensemble
Premiere am 07. Juni 2015 im Kurpark Bad Tölz (bei Regen im Kurhaus Bad Tölz, Ludwigstraße 25)
Weitere Auftritte jeden Sonntag im Juni, Juli und August
Veranstaltungsbeginn: Einlass 18.15 Uhr, Beginn 19.00 Uhr
Vorverkaufsstelle: Tourist-Information, Max-Höfler-Platz 1, 83646 Bad Tölz
Kartentelefon: 08041/7867-15 Bestellfax 08041/786756
Emailbestellung: info@bad-toelz.de + www.bad-toelz.de  oder unter www.kartenengl.de
Nähere Informationen unter www.kaelberbrueten.de

Fotos: Dieter Schnöpf

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