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Fluss-Festival 2017 in Wolfratshausen

Konzert aus der Werkzeugkiste

von Benjamin Engel

Wolfratshausen, 20.07.2017 - Mal fühlt es sich an, als ob der Rhythmus bis in die kleinsten Kapillare der Blutgefäße pulsiert. Die Beine zucken unwillkürlich im furiosen Wirbel des Schlagwerks. Und es bleibt nur noch ein Gedanke: Tanzen. Dann scheint die Feuchtigkeit in jede Pore zu dringen. Es klingt nach Wasser, das glucksend und plätschernd über die Kiesel im Bachbett strömt oder in dicken Tropfen auf den Boden klatscht. Das sind die kontrastreichen Klangwelten, in die das Percussion-Duo „Double Drums“ mit Alexander Glöggler und Philipp Jungk beim Auftritt am Wolfratshauser Flussfestival am Mittwochabend entführt.

Die Mittel dazu sind ungewöhnlich: Glöggler schleppt plötzlich eine blaue Werkzeugkiste auf die Bühne. Schon durch das bloße Auf- und Zuklappen ringt er dem schnöden Aufbewahrungsbehälter für Handwerker einen klaren, präzisen Ton ab. Mit dem Fuchsschwanz sägt er ins Holz, während Jungk dazu den Akkubohrer rhythmisch rotieren lässt. Sie drehen einen Ratschenschlüssel, schlagen Metallspachtel aufeinander oder scheuern hölzerne Reibebretter aneinander, mit denen normalerweise die Maurer den frischen Putz glätten. Ein anderes Mal spielen sie mit ihren hölzernen Sticks auf der Klappleiter, Plastikeimern oder auf dem Umzugskarton.  Doch wer jetzt nur an ohrenbetäubenden Krach und Lärm denkt, irrt. Der Klang ist originell und virtuos. Jeder Schlag sitzt, klar und präzise. Auf dem Marimbaphon erzeugen beide Percussionisten weiche akustische Klangteppiche für atmosphärische Zwischentöne. Die traditionelle Udu-Drum aus Nigeria bringt blechern-dynamische, schnelle Rhythmen.

Gerade mit dieser Vielfalt der Klangerlebnisse begeistert das Duo die Zuhörer und animiert es sogar im Anfeuerungs-Rhythmus der Fans im Fußballstadion mitzuklatschen. Passend dazu hängt sich Glöggler einen weißblauen 1860er-Schal um und schlägt auf der Snare Drum. Das provoziert Jungk mit einem rot-weißen Exemplar um den Hals, was ihn klar als FC-Bayern-Anhänger ausweist. Er verzieht gequält das Gesicht, unterbricht das Spiel seines Musikerkollegen und fängt selbst zu trommeln an. Am Schluss schlagen beide gleichzeitig mit ihren Sticks den Rhythmus. Das Publikum ist auch wegen solch humorvoller Geschichten begeistert und applaudiert frenetisch.

Unter den experimentellen Melodienreichtum mischen sich auch klassische Töne. Das Konzert beginnt mit der Musik von Ludwig van Beethoven. Und Jungk setzt mit der kurz angespielten Melodie von „Freude schöner Götterfunken“ auf dem Kinder-Xylophon den heiter-ironischen Schlusspunkt unter das erste Stück. Der norwegische Pianist und Komponist Edvard Grieg klingt genauso an wie der deutsche Barockkomponist Johann Sebastian Bach. Und dann fordern auch noch hämmernde Hip-Hop-Beats ihr Klangrecht.

Doch das Wolfratshauser Publikum erwartet noch ein ganz besonderes, nur auf es persönlich zugeschnittenes Zuckerl: Die städtische Kulturmanagerin Marion Klement kündigt eine Überraschung an. Dann stehen die Kinder und Jugendlichen der Wolfratshauser Musikschule direkt vor der Zuschauertribüne. Mit ihnen haben Alexander Glöggler und Philipp Jungk von „Double Drums“ den ganzen Tag in einem Workshop geübt. Die jungen Musiker klappen Mülltonnen auf und zu und bringen mit ihren Drum-Sticks Plastikeimer zum Vibrieren.

Gefühlvolle und emotionsgeladene Momente erzeugt Singer-Songwriterin Laura Grandy mit ihrer Band im Vorprogramm. Die geborene Münchnerin lebt seit sechs Jahren in London und ist gerade mit ihrer Mischung aus Soul, Pop und Jazz auf Deutschland-Tournee.


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