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Schauspieler und Kabarettist Claus Steigenberger im Porträt

Lampenfieber am Nockherberg

Von Benjamin Engel

Wolfratshausen, 20.3.2018 – Live-Auftritte vor Publikum ist Claus Steigenberger aus dem Komödienstadel gewohnt. Und doch spürt der Eurasburger Schauspieler und Kabarettist das Lampenfieber, als er im März hinter der Bühne steht. Gleich wird er seine Premiere vor hochrangigen Politikern bis zu den Spitzen der Münchner Bourgeoisie haben. In diesem Moment fragt sich Claus Steigenberger aber nur, was er dort eigentlich verloren hat. „Ich habe mich gefragt, was denn passiert, wenn ich auf der Bühne vor all den Fernsehkameras stolpere“, erzählt er. Dann zerrt er in der Figur des Totengräbers einen Sarg auf die Bühne – als erster beim Singspiel 2018 auf dem Nockherberg. Und die Nervosität ist wie weggeblasen. „Das war ein tolles Gefühl, in den Saal hineinzugehen“, sagt Claus Steigenberger.

Der schlanke, hochaufgeschossene Schauspieler sollte ganz im Sinne der neuen Singspiel-Regisseure Stefan Betz und Richard Oehmann eine unheimliche Figur verkörpern, gleichsam die AfD personifizieren, wie er selbst sagt. In einem Wolfratshauser Café wenige Tage später und kurz nach seinem 60. Geburtstag hat Steigenberger wenig Diabolisches, ist freundlich-zugewandt. Er erzählt von der ersten telefonischen Anfrage Anfang Dezember, im Singspiel am Nockherberg mitzuwirken. Stefan Betz war am Apparat, fragte ober er Lust und Zeit hätte mitzumachen. Steigenberger sagte zu, auch wenn er dafür sämtliche Termine im Februar als Vokal-Coach der Serie „Dahoam is dahoam“ verschieben musste. „Ich hätte mir nie im Traum vorgestellt, am Nockherberg zu spielen“, sagt Steigenberger.

Zu verdanken hat er das wohl auch seinen frühen Kontakten in die Münchner Kabarettszene. Stefan Betz hatte Drehbücher für die BR-Sitcom Spezlwirtschaft mit Helmut Schleich geschrieben. Claus Steigenberger verkörperte in 36 Folgen den Polizisten Fritz Schachtlinger. Noch sehr viel länger kannte der Eurasburger Schauspieler Richard Oehmann. Bei den Auftritten der von Steigenberger mitbegründeten Kabarettgruppe Narrenschaukel im Münchner Frauenhofer saß Oehmann als Kritiker für den Münchner Merkur im Publikum.

Narrenschaukel und „Kabelkanal Loisach 2“

Auch wenn die Zeiten mit der Narrenschaukel lange vorbei sind, würde Steigenberger gerne noch ein kabarettistisches Stück schreiben. Stoff, so sagt er, habe er genug. Regelrechte Wut empfinde er, wenn er an den entfesselten Kapitalismus denke. Wie etwa die Ressourcen des Planeten rücksichtlos ausgebeutet würden, könne einfach nicht so weitergehen, kritisiert Steigenberger. „Es geht nur um Kommerz und Geld.“ Das erinnert ihn an das erste richtige Programm der Narrenschaukel Mitte der 1980er-Jahre. In der Gruppe hätten sie sich den „Kabelkanal Loisach 2“ ausgedacht. sich kritisch mit dem Aufkommen der Privatsender auseinandergesetzt. Schon damals hätten sie spekuliert, wie die örtlichen Fußballvereine Markennamen von Unternehmen verpasst bekämen.

Die kritische Einstellung und die Renitenz gegen die herrschenden Verhältnisse erklärt sich für Steigenberger auch durch seine Familiengeschichte. Seine Mutter stammte aus Eurasburg, ihr Vater hatte einen Bauernhof in Berg. Sie war im traditionellen, heimatverbundenen Milieu eng verwurzelt. Ihren Mann und seinen Vater lernte sie auf der Kunstakademie kennen. Er malte, erzählt Steigenberger. „Mein Vater war ein sehr offener, künstlerisch wissender Mensch.“ Zwischen diesen Polen ist Claus Steigenberger aufgewachsen. Weil die Eltern nicht verheiratet waren, erlebte er auch Ausgrenzung. In seiner Kindheit in den 1960er-Jahren habe der örtliche Pfarrer offen gesagt, dass er nicht Ministrant werden könne, weil seine Eltern in Sünde lebten. „Ich habe erfahren, dass ich nicht dazugehöre“, schildert Steigenberger.

Anerkennung gewann er in den Theateraufführungen während seiner Zeit im Ickinger Gymnasium. Renitent und rebellisch blieb Steigenberger. Nach der zehnten Klasse musste er die Schule verlassen. Er lernte Dekorateur beim Warenhaus Karstadt in München und arbeitete zwei Jahre als Schauwerkgestalter weiter. Das war ihm bald nicht mehr kreativ genug, wie er selbst sagt. Im Spätberufenen-Seminar St. Matthias in Waldram holte Steigenberger das Abitur nach – und lernte die Mitbegründer der Narrenschaukel kennen. Zur Gruppe zählten Christoph Abeck, Thomas Gania, Peter Haunstein und Matthias Röttig. Sie spielten auf Bühnen in ganz Bayern bis Dresden und Halle. 1991 gründete Steigenberger zusammen mit Matthias Röttig die Kulturbühne Hinterhalt in Gelting bei Geretsried. So lernte der Eurasburger heutige Kabarettgrößen wie Helmut Schleich und Christian Springer kennen. Nach dem Studium der Theaterwissenschaften fand er zu Schauspiel und Regie.

 „A Sixpack full of Hoamad“

Gerne erinnert sich Steigenberger an die Wolfratshauser Musikrevue „A Sixpack full of Hoamad“. Zu den städtischen Kulturtagen inszenierte er das Stück mit mehr als 40 Mitwirkenden im Rathausinnenhof. „Die Leute erzählen heute noch davon“, berichtet Steigenberger. Doch 2003 war mit den Auftritten der Narrenschaukel Schluss. Seinen Mitspielern sei es zu viel geworden zusätzlich zu Beruf und Familie fast jedes Wochenende aufzutreten, erklärt Steigenberger. 2009 traten sie schließlich noch ein letztes Mal als „Narrenschaukel“ auf.

Nach dem Aus der Kabarettgruppe kam für Steigenberger der Wendepunkt. Dem studierten Theaterwissenschaftler brachen Unterrichtsstunden für Medien- und Theaterpädagogik in Benediktbeuern weg. Eine Beziehung ging zu Ende. „Es war eine sehr schwierige Situation für mich“, sagt er. Durch eine Bekannte fand er als Schauspieler-Coach zur Serie „Sturm der Liebe“. Schließlich las er in der Zeitung von einer neuen Daily, die in einem bayerischen Dorf spielen sollte. Für „Dahoam is dahoam“ bewarb sich Steigenberger zunächst als Schauspieler, bekam jedoch nie eine Antwort. Durch den Kontakt mit Produzent Markus Schmidt-Märkl – ihn kannte Steigenberger von „Sturm der Liebe“ – wurde er dann Sprech-Coach bei „Dahoam is dahoam. Das macht Steigenberger bis heute.

Dankbar ist der Eurasburger Schauspieler für sein abwechslungsreiches Berufsleben. Einmal am Nockherberg mitzuwirken, hat ihm großen Spaß gemacht. Mit jetzt 60 Jahren hat er aufgehört, sich konkrete Ziele zu setzen. „Ich lasse das auf mich zukommen“, sagt er. Das wichtigste Ziel überhaupt, sei sowieso Mensch zu werden. Es gehe darum, sich für andere Menschen zu interessieren, andere Meinungen zu akzeptieren. „Das sind die wesentlichen Dinge“, sagt Steigenberger.

Foto: Benjamin Engel


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