Das Magazin für das Bayerische Oberland

Loisachhalle Wolfratshausen

Puppenspiel mit Pfiff

Von Susanne Hauck

Wolfratshausen, 1.10.2018 - Nikolaus Habjan ist nicht nur ein meisterhafter Puppenspieler, sondern auch Kunstpfeifer. Zusammen mit der Musicbanda Franui begab er sich in der Loisachhalle auf literarische Wanderschaft.

Es war ein Abend, der das Wolfratshauser Publikum immer wieder zum Staunen führte. Puppenspiel trifft auf Kunstpfeifen, literarisches Genie und schöne Musik. Anfangs gab es viele fragende Gesichter in der Loisachhalle, manchen Zuhörern war anzusehen, dass sie nicht so recht wussten, was sie sich unter dem Thema „Doch bin ich nirgend, ach! zu haus“ vorstellen sollten. Nikolaus Habjan ist zwar kein Unbekannter, der 31-jährige österreichische Regisseur ist ein aufsteigender Stern in der Theaterszene.

Auch an der Bayerischen Staatsoper in München hat er schon inszeniert. Aber klar, sein Name ist nicht so geläufig wie der eines Dieter Dorn oder Christoph Schlingensief. Merken sollte man ihn sich trotzdem unbedingt. Wenn Habjan seine Klappmaulpuppe zum Leben erweckt und Robert Walser dazu rezitiert, ist das ganz große Kunst. Wenn er als Zugabe dann noch eine Kostprobe seines Talents als Kunstpfeifer gibt und zu Schuberts „Du bist die Ruh“ die Luft gleich einer Nachtigall intoniert, ist endgültig klar, dass dies ein Mann mit vielen Talenten und einer facettenreichen Persönlichkeit ist.

Etwas gespenstisch wirkt Habjans Puppenmann ja schon mit seinem totenweißen Schädel und den rötlich glimmenden Augen. Aber eine Bewegung genügt, und es gelingt, ihn so verletzlich und anrührend aussehen zu lassen, dass man ihn gleich in die Arme nehmen möchte. Ein verlorenes, verzweifeltes Wesen, das flehentlich ins Publikum fragt: „Ich soll mich finden, sagt mir das Gestirn. Mich finden? Müsst ich mich da nicht vorher verlieren?“

Wanderschaft durch die Welt

Robert Walser ist literarisch schweres Kaliber, ebenso wie Jürg Amann. Die Texte der schweizer Dichter dürften nur wenigen im Saal bekannt sein, trotzdem lauscht jeder atemlos ihrer sprachlichen Schönheit, wenn sie die Puppe spricht. Mal schickt Habjan sie auf eine Wanderung durch die Welt, auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Mal lässt er sie den Autor Robert Walsers selbst verkörpern, der wie besessen schreibt, sich immer wieder über den kahlen Schädel streicht, wie es alte Männer gern tun, und dazu eine Zigarette raucht. Täuschend echt ist die Gestik, kaum zu fassen, dass dies eine künstliche Figur sein soll. Der Titel „meisterhafter Puppenspieler“ darf für Nikolaus Habjan gern so stehen bleiben. Das romantische Ideal einer Wanderung im Mondschein schlägt jäh um in die befremdliche Geschichte vom Mann mit dem Kürbiskopf, der sich verzweifelt und frierend zum Sterben niederlegt. Wer im Saal wusste, dass der rätselhaft gebliebene Robert Walser (nicht verwandt mit Martin Walser) 1956 bei einem seiner geliebten Streifzüge durch die winterliche Natur starb, konnte der Szene sicher noch mehr abgewinnen.

Franui aus Osttirol

Erst spät stellt sich die Banda Franui vor, das zehnköpfige Musikensemble aus Osttirol, das Texte und Puppenspiel trefflich begleitet. Schumann, Schubert, Brahms und Mahler – Komponisten, die sich in ihren Werken gern dem Thema des Wanderers in der Welt gewidmet haben – interpretieren sie auf ihre charakteristische Art, die oft nach Neuer Volksmusik klingt, nach Klezmer und Folklore. Habjan begegneten sie 2012 am Burgtheater Wien, seitdem treten sie öfter gemeinsam auf – es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, denn wie in der Loisachhalle ist ihnen der Jubel des Publikums sicher.

 Fotos: Susanne Hauck


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