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Serie: Der Mann und das Pferd

„Freundschaft und Vertrauen kann man sich nicht erkaufen“, weiß Gustl Wolf aus Eurasburg heute mehr denn je. Zu seinem 53. Geburtstag in 2012 hatte er sich einen langersehnten Wunsch erfüllt und den Araberwallach Dhakir aus dem Gestüt von Christoph Müller in Eurasburg gekauft. Seitdem arbeitet Wolf intensiv mit dem stolzen Vierbeiner zusammen. Oberland.de begleitet den „Mann und das Pferd“ und berichtet über ihren gemeinsamen Weg.  >>> Lesen Sie hier alle Folgen


Serie "Der Mann und das Pferd" – Teil 4

Dhakir im Training

Von Andrea Weber

Es war kurz vor Weihnachten, als wir Gustl und Dhakir zuletzt auf der Koppel besuchten. Da war die Welt noch in Ordnung. Dann kam der Tag, an dem Gustl Wolf nach gut einem Jahr geduldiger Arbeit mit dem Araber-Wallach erkannte: Solch ein Wildpferd zu dressieren und zu reiten muss gelernt sein, auch wenn viel Gefühl im Spiel ist. Diese Erkenntnis musste Gustl schmerzhaft in Erfahrung bringen.

Damals, an dem eisigen Vorweihnachtstag, waren Gustl und sein Araberpferd Dhakir schon so vertraut, dass sie miteinander die ersten vorsichtigen Reitversuche starteten. Lange hatte es gedauert, Dhakir an einen Sattel zu gewöhnen. Nun ließ er Gustl aufsitzen und sogar ein paar vorsichtige Schritte gehen bis hin zum leichtem Trab auf den Waldwegen. Auch wir von Oberland, die nun seit gut einem Jahr die beiden ungleichen Freunde begleiten, waren von diesem Moment ergriffen. Lange hat Gustl davon geträumt, doch nur kurz war das Ziel zum Greifen nah.

Als ein roter Radler heranbrauste bekam Dhakir Angst

Denn unvorhersehbar kam alles anders. 12 Mal waren sie schon in Begleitung von befreundeten Reitern ausgeritten. Dann ging es zum ersten Mal für Gustl und Dhakir allein hinaus in Wald und Flur. Sie gingen im Schritt eine Forststraße entlang, als ein roter Radler heranbrauste. Dhakir bekam Angst und Gustl auch. Das war fatal. „Meine Panik übertrug sich auf Dhakir. Ein Pferd ergreift instinktiv die Flucht bei Gefahr. Dhakir ging durch und ich ließ mich bei voller Galoppgeschwindigkeit herunterfallen, bevor Dhakir ungebremst im Unterholz verschwand.“ Mit Schock und Prellungen blieb Gustl liegen. Der rote Radler war unterdessen längst fort. Wie schlimm der Sturz hätte ausgehen können, wenn Gustl nicht aus dem Steigbügel gekommen wäre. „Daran will ich gar nicht denken“, sagt er heute.

Durch die Panik hatte Gustl verkrampft und die Zügel angerissen, sodass das die Trense sich schmerzhaft in Dhakirs Mundraum grub. Die Folge: Ab sofort verband Dhakir das Ausreiten mit Schmerz. „Nur ein Reiter mit korrekter Hilfengebung und richtigen Reaktionen wird dem Pferd im Gelände Sicherheit geben. Die Unsicherheit des Reiters und unklare Kommunikation machen Pferde ängstlich oder sogar dominant“, so Gustl Wolf. Nur Souveränität eines erfahrenen Reiters löst beim Pferd Sicherheit und dadurch Ruhe aus.

Gustl tat das Richtige

„Ich glaubte, dass ich ohne Ausbildung ein guter Pferdehalter und Reiter werde und ein Tier wie Dhakir zähmen kann. Ich unterschätzte, dass dieses Rassepferd sechs Jahre wild auf der Koppel lebte.“ Diese Einsicht war schwer, aber Gustl tat das Richtige. Er gab Dhakir in die professionellen Hände des Reittrainers Fred Rai, der auch bekannt ist als Intendant der berühmten Karl May-Festspiele in Dasing. Gustl entschied sich für Rai, weil er einen ganz besonderen Stil lehrt, einen der an das Reiten der Indianer erinnert. Der „Rai-Sattel“ ist ungewöhnlich leicht und weich gepolstert, das Kopfstück besteht aus leichtem Seil ohne Gebiss - das sogenannte Bändele. Zwei Monate blieb Dhakir bei diesem Ausbilder. Drei bis vier Tage pro Woche trainierte Gustl mit und erwarb das bronzene Reitabzeichen und das bronzene Geländereitabzeichen. Sie beide lernten wie sie richtig kommunizieren. „Ho-Ho“, erklärt Gustl, ist ein Beruhigungslaut und Belohnungston, der dem Pferd auch die Angst nehmen soll. Immer wenn Dhakir etwas gut gemacht hat, bekommt er mit einem „Ho-Ho“ ein Leckerli. „Ho-Ho“ bedeutet für das Tier etwas Gutes, etwas Vertrautes. „Im Ernstfall, wie einst bei dem roten Radler, kann ich ihn nun mit einem „Ho-Ho“ beruhigen.“

Die beiden Freunde sind inzwischen einen großen Schritt weiter

Schließlich heilt auch bei einem Pferd die Zeit die Wunden. Die beiden Freunde haben ihren Rückschlag längst überwunden und sind inzwischen einen großen Schritt weiter. Wir von Oberland.de staunten auf unserem letzten Besuch nicht schlecht, als Gustl ohne Probleme aufsaß, Dhakir entspannt stehen blieb, als die beiden langsam trabten und schließlich mit Reitfreundin Biggy und ihrem American Quarter Horse „Doci“ stolz davongaloppierten.

Oberland.de wird den „Mann und das Pferd“ weiterhin begleiten und über ihren gemeinsamen Weg berichten.

Vollblutaraberzucht Christoph Müller in Eurasburg: www.cmarabians.com

Fotos: Fenny Rosemann, Gustl Wolf

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