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Historischer Verein Wolfratshausen

Auf den Spuren von Nantovinus

Von Peter Herrmann

Wolfratshausen, 13.9.2016 – Dort,  wo vor 730 Jahren Conradus Nantovinus auf einem Scheiterhaufen hingerichtet wurde, steht heute die Nantweiner Kirche und ein großer Friedhof. Am Tag des offenen Denkmals berichteten drei Referenten des Historischen Vereins Wolfratshausen nicht nur über den Einfluss des Wolfratshauser Ortsheiligen, sondern wussten auch Interessantes über die Ausstattung der 1624 geweihten Barockkirche, die Entstehungsgeschichte des Nantweiner Friedhofs und die Begräbniskultur im Oberland zu berichten. Danach folgten die 120 Führungsteilnehmer fasziniert einem Rundgang zu ausgewählten Gräbern berühmter und in Vergessenheit geratener Persönlichkeiten.

Nantwein wird zum Wallfahrtsort

Die Geschichte des heiligen Nantovinus, der am 7. August 1286 auf dem Scheiterhaufen in dem später nach ihm benannten Stadtteil zu Unrecht verbrannt wurde, kannte nahezu jeder und wurde deshalb vom zweiten Vorsitzenden des Historischen Vereins Bernhard Reisner nur kurz angeschnitten. Weil ein Knecht damals ein noch glühendes Gebein des Hingerichteten aufhob und damit dem überraschend erblindeten Schimmel das Augenlicht wiedergegeben haben soll, galt das einst zu Weidach gehörende Nantwein bald als gut besuchter Wallfahrtsort für blinde Menschen. „Leider sind die Votivtafeln, die diese vermeintlichen Wunderheilungen zeigen, im Zuge der Säkularisation gestohlen worden“, bedauert Reisner. Er selbst wohnt nur einen Steinwurf vom Nantweiner Friedhof entfernt. „Seit ich vor 20 Jahren hier hergezogen bin, habe ich mich intensiv mit der Geschichte des Ortsteils beschäftigt“, begründete der Hobbyhistoriker seine Motivation.

Dass sich die Sozialstruktur dort in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat und mittlerweile moderne Einfamilien- und Reihenhäuser das Viertel prägen, störe ihn nicht. Denn früher waren die Besenbinderhütten an der Isarstraße eine verrufene Gegend. Nicht nur Kinder, die sich dorthin verirrten, riskierten eine saftige Abreibung. Nach Reisners Ausführungen erklärte der Journalist Wolfgang Schäl von Gamm die Ausstattung der zwischen 1610 und 1624 erbauten Barockkirche. Fast andächtig betrachteten die auf den Kirchbänken sitzenden Besucher danach die Kunstwerke des Baumeisters Georg Hamerl und des Bildhauers Philip Rämpl.

Begräbniskultur in Wolfratshausen

Der ehemalige CSU-Stadtrat Paul Brauner verwies anschließend darauf, dass der umliegende Friedhof „erst“ 1806 eingeweiht wurde. „Davor wurden die Toten noch auf einem Gräberfeld um die Kirche St. Andreas bestattet“, erklärte er. Während es früher aufgrund des damals noch strengeren christlichen Glaubens wesentlich mehr Erd- als Feuerbestattungen gegeben hat, zeichne sich mittlerweile ein Wandel ab. „In diesem Friedhof wurden heuer bisher 88 Beerdigungen durchgeführt, davon 55 Urnenbestattungen“, rechnete Brauner vor. Die Zahlen erscheinen auch aus finanziellen Gründen nachvollziehbar, kostet doch eine Verbrennung mit anschließender Bestattung mit 3.000 bis 3.500 Euro fast 2.000 Euro weniger als eine Erdbestattung. „Und da ist der Grabstein noch gar nicht mitgerechnet“, ergänzte der Referent.

Gelächter gab es, als Brauner über den alten Brauch berichtete, eine Alarmglocke für die Leichenwärter zu installieren. Demnach wurden an den Händen der Toten einst Ringe befestigt, die mit einer dünnen Schnüren befestigt waren. Mittels einer Übersetzung führten diese Schnüre in das Zimmer des Leichenwärters. Hob die  vermeintliche Leiche also noch einmal die Hand, ertönte die damit verbundene Glocke.

Gräber und ihre Geschichte

Abschließend führten Paul Brauner und Bernhard Reisner noch zu Gräbern berühmter und in Vergessenheit geratener Wolfratshauser. Ob ehemalige Bürgermeister, „arme Schulschwestern“ oder längst vergessene Baumeister – sie alle haben auf dem Nantweiner Friedhof ihre letzte Ruhe gefunden. Welche Schicksale und Lebensläufe sich hinter den eingemeißelten Namen bzw. Aufschriften verbergen, verrieten Paul Brauner und Bernhard Reisner bei einem ausgiebigen Rundgang. So wussten nur wenige, dass Oberinspektor Franz Geiger (1865-1969) der Stadt Wolfratshausen das Grundstück der Arbeiterwohlfahrt am Paradiesweg und der SPD ein Grundstück am Ende der Straße Auf der Haid vermacht hat. „Kurz vor seinem Tod wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Diesen Titel trägt heute nur noch der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber“, erklärte Brauner.

Bestens in Erinnerung war vielen Führungsteilnehmern dagegen noch der überraschende Tod des ehemaligen Bürgermeisters Peter Finsterwalder (Amtszeit 1990 bis 1997), der wie sein gleichnamiger Vater nahe des Haupteingangs begraben liegt. Nur wenige Meter weiter wurden von 1922 bis 2002 gleich vier Pfarrer nebeneinander bestattet. Die Namen Johannes Schuhbauer, Joseph Amann, Franz Weiß und Konrad Mayer sind heute nur noch wenigen geläufig. Etwas versteckt in einer Friedhofsecke erinnert ein Stein an den Baumeister Nikolaus Lanzinger, der unter anderem für den Rohbau der evangelischen Kirche St. Michael verantwortlich war. Nicht unerhebliche Verdienste haben sich auch Willy Thieme (1912–1979) als erster berufsmäßiger Bürgermeister der Loisachstadt sowie der Ex-Kreisrat Alois Hugo (1889-1967) als Gründungsmitglied der Baugenossenschaft Wolfratshausen erworben.

Doch es gab auch dunkle Kapitel in der Geschichte des Areals: So wurden die Soldaten des Todesmarsches, der Ende des Zweiten Weltkriegs, auch am Nantweiner Friedhof vorbeiführte, später wieder ausgegraben und verlegt. Am erst vor wenigen Jahren eingerichteten Sternenkindergrab im hinteren Teil des Friedhofs – dort können Tot- und Fehlgeburten bestattet werden – endete schließlich eine in keinem Moment langweilige zweistündige Führung. 

Foto: Peter Herrmann

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