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Staatliche Berufsschule Bad Tölz

Kunstprojekt „Geschichte eines Gebäudes“

Von Benjamin Engel

Bad Tölz, 1.8.2019 - Generationen von Auszubildenden für medizinische bis landwirtschaftliche Berufe haben in dem 1956 errichteten Flachbau gegenüber der Aula der Staatlichen Berufsschule in Bad Tölz gelernt. Nach mehr als sechs Jahrzehnten hat das Gebäude zum Ende dieses Schuljahres ausgedient und wird abgerissen. Doch einfach verschwinden und vergessen werden sollte der Flachbau nicht. Deshalb haben sich die Lehrer und Schüler ein Kunstprojekt ausgedacht, um an die Nutzung des eingeschossigen Hauses zu erinnern. Unter dem Motto „Geschichte eines Gebäudes“ haben die jungen Leute Archivfotos und -materialien für eine Ausstellung gesammelt und den Flachbau schließlich mit Motiven bemalt.

Bis zum Abriss zieren nun beispielsweise ein Traktor – Symbolbild der landwirtschaftlichen Ausbildung – oder eine Arzthelferin die Wände des Flachbaus. Organe wie ein Herz oder die Lunge stehen für die medizinischen Ausbildungsberufe, die dort unterrichtet wurden. Gesellschaftspolitisch haben sich Sevdije, Karolina, Natalija und Klaudija mit dem Projekt auseinandergesetzt. Die vier Schülerinnen haben zwei Mädchen mit handelsüblicher  Wandfarbe gemalt – eine mit und die andere ohne Kopftuch. Das solle symbolisieren, dass Religion nicht wichtig sei, erklären sie. „Wir sind alle gleich.“ Die 17 und 18 Jahre alten Bosnier Aldin und Ajdin aus der Berufsintegrationsklasse haben Bier, Brezen und die bayerische Fahne an die Fassade gemalt. „Uns gefällt die bayerische Kultur“, sagen sie.

An der Berufsschule lernen junge Leute in Fachklassen während ihrer Ausbildung. Dort besuchen aber auch junge Asylbewerber und Flüchtlinge Berufsintegrationsklassen oder junge Menschen ohne Ausbildung das Berufsgrundschuljahr. Die unterschiedlichen Schüler der Bildungseinrichtung mit ihren individuellen Lebensgeschichten zusammenzubringen, war für Peter Fick, Projekt- und Fachbereichsleiter für Religion und Ethik, wichtig. „Die jungen Leute sollen ihr ganzes Potenzial entwickeln“, beschreibt er die Intention der Kunstaktion. „Der Prozess ist wichtig und die Idee, dass das Leben Veränderung bedeutet.“

Mehr als reines Fachwissen sollen Schulen nach Vorstellung von Peter Fick im Idealfall vermitteln. Darauf legt er wert. Deswegen gefällt dem Lehrer an der Berufsschule auch ein Satz an der Fassade des Flachbaus besonders gut. „Nicht nur die kaufmännische Ausbildung ist von Bedeutung, sondern auch die geistige!“ steht an der Ostwand. Und das drückt für ihn am besten aus, wofür sich er und seine Kollegen an der Staatlichen Berufsschule Bad Tölz-Wolfratshausen engagieren.

„Die Jugendlichen sollten dem Gebäude Leben einhauchen.“

Um die 300 Schüler haben sich laut Peter Fick an der Kunstaktion beteiligt. Im Frühjahr habe alles mit der Idee für eine Ausstellung unter dem Motto „Berufsschule kreativ“ begonnen, schildert er. Das habe sich immer mehr entwickelt. Schüler hätten ihre Bilder und Werke aufgehängt. Daraus habe sich das Konzept für das jetzige Kunstprojekt entwickelt. „Die Jugendlichen sollten dem Gebäude Leben einhauchen“, sagt Fick. Mit dem Tölzer Künstler Florian Hüttner haben die jungen Leute Ideen für Motive entwickelt und umgesetzt.

Finanziell gefördert hat das Amt für Jugend und Familie an der Tölzer Kreisbehörde das aktuelle Kunstprojekt. Dafür haben die jungen Leute ihre Arbeit in Fotografien und Filmaufnahmen eigens dokumentiert. So soll das Verschwinden des Flachbaus für nachfolgende Schülergenerationen festgehalten werden. Wie Peter Fick erläutert, setze die Schule damit ihre Reihe von Projekten mit dem Ziel der Begegnung fort – im Tanz, Gesang und vielem mehr. Ganz wichtig sei es besonders für die jungen Leute in den Berufsintegrationsklassen, mit anderen zu kommunizieren, um sich besser zu integrieren.

Im Flachbau hat der heutige Schulleiter Franz Hampel im Jahr 1982 seine praktische Gesellenprüfung abgelegt. Daran muss er beim Abriss denken, sagt er. Derzeit besuchen 1900 junge Leute die Berufsschule Gerade über solche kreativen Projekte könnten sich die Schüler mit der Bildungseinrichtung identifizieren, ist er überzeugt. Diese verbindende Wirkung sei wichtig. Denn in der Berufsschule sei die „Herzensbildung“ entscheidend. Die Bildungseinrichtung wolle die ganzheitliche Persönlichkeitsbildung und das Denken in Zusammenhängen fördern.

Homepage Berufsschule Bad Tölz www.bs-toelz-wor.de

Fotos: Benjamin Engel


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