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WANDERTOUR: Durch die Schnalz, von Peißenberg nach Rottenbuch

Durch die Schnalz, von Peißenberg nach Rottenbuch

von Christoph Ulrich

Testfazit: Beeindruckend, wie wild das Oberland sein kann: Wer in der Schnalz wandert, hat nicht den Eindruck, nur ein paar Kilometer Luftlinie von Peißenberg, Hohenpeißenberg oder Böbing entfernt zu sein. Dass es hier Uhus und Gemsen geben soll, glaubt man sofort. Und wenn es neblig ist, erscheint sogar einleuchtend, dass die sogenannte „Hexenküche“ von allerlei überirdischen Gestalten bewohnt sein soll.

Ausgangspunkt

Direkt nach dem Ortsausgang Peißenberg in Richtung Hohenpeißenberg markiert ein Schild die Ausfahrt zum „Ammerhaus“. Von dort führt eine Serpentinen-Straße hinab ins Ammertal. Kurz vor einer Schranke, die den Ausgangspunkt markiert, befindet sich ein kleiner Parkplatz.

Dauer

Für den Abschnitt von Peißenberg-Schendrich nach Rottenbuch über den Kalkofensteg bei Böbing rechnet man am besten drei Stunden. Die Strecke misst knappe zwölfeinhalb Kilometer, schnelle Wanderer gehen diese Distanz auch in zweieinhalb Stunden. Allerdings sollte man sich für den Teil der Wanderung, nach dem Kalkofensteg bei Böbing, Zeit nehmen, der Weg ist schmal und erfordert Aufmerksamkeit. Entlang der Ammer finden sich schöne Plätze für eine Brotzeit oder für Hartgesottene sogar zum Baden im Kehrwasser der Strömung. Achtung: Sogar im Hochsommer ist die Schnalz ein feuchter Ort, deshalb ist festes Schuhwerk empfohlen.

Wegbeschreibung

Zunächst lässt nichts darauf schließen, dass sich dieser Weg entlang der Ammer wesentlich von dem Stück zwischen Weilheim und Peißenberg unterscheidet. Eine breite, gekieste Forststraße führt hinein ins Ammertal, hier am Ausgang der Schnalz. Mindestens die erste halbe Stunde ist die Szenerie nicht weiter beeindruckend. Die Ammer lässt sich nicht oft blicken, nur ab und zu gestattet sie einen Blick und offenbart bereits eine deutlich andere Wasserfärbung als noch in Peißenberg: Hellgrüne Stellen lassen erraten, dass die Ammer eigentlich ein Wildwasser ist.

An schönen Tagen sind Kanuten und Kajakfahrer auf dem Fluß zu sehen: Sie kommen meist von Saulgrub, wo der Ammerdurchbruch einmalige Ausblicke und sportliche Herausforderung bietet. So weit wollen wir nicht – uns genügt der Abschnitt durch den wilden Ammerwald, flussaufwärts von Peißenberg nach Rottenbuch. Lehrtafeln entlang des Weges erklären die Flora und Fauna auf dem Abschnitt, die erste Tafel zeigt Interessantes über das Leben auf den Sandbänken, die höchte Bedeutung für die Artenvielfalt im Ammerwald haben. Die Ammer selbst versteckt sich weiterhin hinter Laub- und Nadelbäumen – deren Schönheit vor allem im Herbst und im Frühling zur vollen Geltung kommt.

Nach einer Biegung am rechten Wegesrand ist plötzlich das „Waldhaus Schnalz“ zu sehen. Hinter dem urigen Gebäude plätschert ein Brunnen: höchste Eisenbahn für eine kurze Pause auf der Hausbank. Das Gebäude ist verschlossen und nicht bewirtschaftet – es hat aber niemand was dagegen, wenn sich Spaziergänger auf die Bänke rund ums Haus setzen. Ehrensache, dass man seinen Müll mitnimmt... Die Wasservorräte lassen sich an der Quelle neben einem Räucherofen gleich wieder auffüllen. Das eiskalte, frische Wasser schmeckt ohnehin besser als das mitgebrachte. Den Platz an der Sonne, unter uralten Apfelbäumen gibt’s gratis dazu. Im Herbst, wenn der Wanderer Glück hat, fällt ein schmackhafter Apfel vom Baum.

Frisch gestärkt geht’s weiter. Von hier aus wird jeder Meter zum Gewinn: Von jetzt an ist der Fluss im Blickfeld. Friedlich ruht das Altwasser - auf den ersten Blick. Wer sich ein bisschen Zeit nimmt, kann in den hellgrünen Tümpeln allerlei Leben entdecken. Ein Reiher stelzt durch das Schilf, Frösche springen über den Weg. Ein paar Meter weiter sprudelt die Ammer um ein paar stattliche Felsblöcke herum, die sie einst von den Bergen hierher transportiert hat. Die Flora wird üppiger, und innerhalb einer weiteren halben Stunde hat sich die Umgebung grundlegend verändert. Vor allem im Herbst, wenn sich die Bäume in alle möglichen Farben kleiden, fällt hier das Weitergehen schwer: Nicht im Herzen Oberbayerns, sondern mitten in der nordamerikanischen Wildnis wähnt man sich angesichts dieser schwelgerisch gefärbten Natur.

Nicht mehr weit, dann kommt der Kalkofensteg daher. Vorher sollte man sich aber noch Umwege gönnen: Immer wieder gehen Stich-Pfade zu stattlichen Sandbänken an die Ammer hinunter. Ein paar Monate im Jahr darf man sie während der Brutzeiten nicht betreten, danach sind sie guten Gewissens als Badeplatz, Picknickgelände oder Fotokulisse zu verwenden. Der Kalkofensteg, eine überdachte Holzbrücke, verbindet die Peißenberg-Rottenbucher Ammerseite mit der Böbinger. Man könnte sie überqueren und den Weg über Böbing zurück nach Peißenberg nehmen. Oder man hält sich nach einer kleinen Pause unten am Wasser und einem respektvollen Blick auf die zerbrechlichen Terrassenwasserfälle, rechts und schlägt den Weg Richtung Rottenbuch ein.

Jetzt zahlt sich das feste Schuhwerk aus. Und auch ein aufgesammelter Holzstecken ist nicht von Nachteil: Der Weg geht steil den Berghang hinauf, was an sich kein Problem wäre. Er gleicht leider auch Tage nach Regenfällen eher einem Bachbett als einem Wanderpfad, was der Freude aber keinen Abbruch tut. Schließlich wartet ein imposanter Bergwald entlang des Weges bis zum Ausgang aus der Schnalz. Vornehmlich alte Buchenbestände säumen den Weg, der bisweilen anmutet wie ein verwunschener Platz, in dem die Zeit stillsteht. Ruhe findet der Erholungssuche hier auf sehr einfache Weise: Er muss nur regelmäßig die kühle Waldluft ein- und ausatmen und den Blick auf den archaischen, moosbewachsenen Felsen ruhen lassen, die von einem hoch aufragenden Blätterzelt überdacht sind.

Kuhglocken weisen uns den Weg hinaus aus dem Tal. Wir blinzeln in die Sonne, die uns vom Westen her ins Gesicht scheint, als wir aus dem Wald treten. Sattgrünes Weideland tut sich auf, überall grasen Kühe auf den weich rollenden Hügeln. Der Weg schlängelt sich in weiten Kurven hindurch und stetig bergauf: Bis Rottenbuch müssen noch ein paar Höhenmeter gemacht werden. Dabei lohnt sich, so binsenweise das klingt, der Blick zurück. Immer weiter tut sich die Ammerschlucht auf, deren Ränder von dunkelgrünen Fichtenwäldern gesäumt sind. Man sieht, wo in dieser Gegend Wasser ist und wo nicht. Es fällt schwer, diesen ursprünglichen Ort inmitten gewachsener Dörfer zu verlassen – genauso, wie es schwerfällt zu glauben, dass so viel unberührte Natur hier erhalten ist.

Im Klosterhof lockt das „Café am Torbogen“ mit einem schönen Biergarten und einer stattlichen Kuchenkarte. Hier an diesem legendenumwitterten Ort, der sogenannten „Hexenküche“, soll mitten in der „Schnalz“, Übersinnliches sein Unwesen treiben. Das jedenfalls erzählten sich Generationen. Vermutlich um die Kinder davon abzuhalten, in die Höhlen auf der Böbinger Seite der Ammerschlucht zu kriechen. Ganze unterirdische Kathedralen sollen da sein – in die man aber besser keinen Fuß setzt. Nicht der Hexen halber, die hier vor allem an nebligen Abenden zusammentreten sollen. Eher wegen der veritablen Einsturzgefahr, bedingt durch den porösen Stein im Ammertal.

Verpflegung


Wer über Peißenberg oder Hohenpeißenberg zum Ausgangspunkt fährt, findet entlang des Weges zahlreiche Bäcker und Metzger, bei denen man sich mit Lebensmitteln aus heimischer Erzeugung eindecken kann. Eine Wasserflasche und eine kleine Brotzeit sollte man auf jeden Fall dabeihaben, entlang des Weges durch die Schnalz gibt es keinerlei Gastronomie. Erst wieder am Zielort in Rottenbuch, gibt es Cafés und Gasthäuser, Bäcker und Metzger.


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