Wo die Leidenschaft fürs Leiden Christi lodert
In Oberammergau sprießen die Haare: Die Bewohner des Bilderbuchdorfes bereiten sich auf die Passionsspiele 2010 vor – Premiere ist am 15. Mai
OBERAMMERGAU (12. Mai 2010). Sein Vater schritt als Hohepriester Kaiphas über die berühmte Bühne, sein Opa mimte den Hohepriester Annas und Christian Stückl selbst gibt mittlerweile zum dritten Mal als Spielleiter den Ton an. Tragende Rollen bei den Passionsspielen schmücken nahezu jede Biografie eines echten Oberammergauers. Und die Leidenschaft für die Leidensgeschichte Christi ist ungebrochen: Fast jeder zweite der rund 5300 Dorfbewohner macht von seinem Spielrecht Gebrauch. Bereits jetzt proben die Oberammergauer gemeinsam mit ihrem Regisseur, der Countdown bis zur Premiere am 15. Mai läuft.
Insgesamt sind 1834 Erwachsene und 638 Kinder mit von der Passions-Partie – 300 Personen mehr als im Jahr 2000. „Die musste ich alle irgendwie unterbringen“, sagt Stückl, lacht und schüttelt ein bisschen den Kopf, so als könne er die Begeisterung seiner Mitbürger manchmal selber kaum fassen. Warum die Oberammergauer seit 1634 alle zehn Jahre das Leiden Christi auf die Bühne bringen, über ein Jahr vorher alle Eitelkeit über Bord werfen, um sich nach dem traditionellen Barterlass die Haupt- und Barthaare sprießen zu lassen und warum sie ihre Freizeit opfern, um zu singen, zu proben und dann den ganzen Sommer über zu spielen, das hat schon so manchen ins Grübeln gebracht. Eine ganz simple Erklärung für das Passions-Phänomen hatte 1859 der Pfarrer und Spielleiter Josef Alois Daisenberger parat: „Im Allgemeinen“, meinte er, „ist der Ammergauer ein Freund der Musik und des Theaters“.
Die Fakten geben ihm Recht: Vier Theatergruppen und sieben Chöre gibt es alleine in Oberammergau. Wer durch das Holzschnitzerdorf spaziert, erlebt das Passions-Fieber schon jetzt hautnah: Kleine Kinder murmeln auf dem Schulweg ihre Texte, klassische Klänge tönen durch die Straßen und angesichts der üppigen Haarpracht der Einwohner könnte man meinen, man schlendere durch eine Hippie-Kolonie und nicht durch ein oberbayerisches Bilderbuchdorf.
„Wir versuchen, einen musikalischen Ort auf die Beine zu stellen“, sagt Markus Zwink, der bei den Passionsspielen den Taktstock schwingt und für die opulente Klangkulisse zuständig ist. Auch Zwinks Familie ist wie die von Christian Stückl seit Ewigkeiten mit Oberammergau verflochten. Sein Vater war sogar mal Ersatz-Jesus bei den Passionsspielen, der berühmte Lüftlmaler Franz Seraph Zwinck nimmt eine prominente Position im Stammbaum ein und laut Chronik ließen einige seiner Vorfahren während der Pest ihr Leben.
Damals im Jahr 1633 schleppte der Tagelöhner Kaspar Schisler in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges die Seuche in Oberammergau ein und brachte großes Unheil über sein Heimatdorf. 84 Menschen starben an der Krankheit. Um dem Leiden ein Ende zu setzen, schwor die Gemeinde, alle zehn Jahre das Leiden Christi auf die Bühne zu bringen und löste den Eid zu Pfingsten 1634 erstmals ein. Seit dem Gelübde, das die Einwohner übrigens jeweils im Vorfeld der Passion in einer feierlichen Zeremonie erneuern, ist laut Überlieferung kein Oberammergauer mehr an der Pest gestorben. Bis auf zwei Ausnahmen – 1770 und 1940 – haben die Dorfbewohner ihren Schwur eingelöst.
Daten und Preise:
Von der Premiere am 15. Mai bis zum 3. Oktober 2010 wird die Passion an 102 Spieltagen aufgeführt. Der erste Teil beginnt jeweils um 14.30 Uhr und endet um 17 Uhr, nach einer Pause wird der zweite Teil von 20 bis 22.30 Uhr gezeigt. Arrangements inklusive einer Übernachtung, Frühstück, Mittagessen vor dem Spiel und mehrgängigem Abendessen in der Spielpause kosten im Passions-Paket ab 199 Euro pro Person im Doppelzimmer. Weitere Angebote sind in vielen Reisebüros oder unter www.passionsspiele2010.de erhältlich.
Weitere Informationen:
Ammergauer Alpen GmbH
Eugen-Papst-Str. 9a
D-82487 Oberammergau
Tel.: +49 (0) 8822 /922 740
Fax: +49 (0) 8822 /922 745
Mail: info@ammergauer-alpen.de
www.ammergauer-alpen.de
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