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Bergwelt Oberland

Klettern am Brauneck

Reportage von Benjamin Engel

Lenggries - Eben ist es noch scheinbar mühelos nach oben gegangen. Tritt auf Tritt und Griff um Griff hat sich der Sportler nach oben gearbeitet. Doch genauso plötzlich endet der freudige Moment am Fels etwa fünf Meter über dem Boden. Wie es an der Wand auf dem Lenggrieser Hausberg Brauneck weiter hinauf geht, ist auf einmal unklar. Prüfend gleiten die Augen am Fels entlang. Selbst die kleinste Spalte oder der minimalste Vorsprung könnte nun den Füßen oder Händen Halt geben, um weiter aufzusteigen. Doch an der felsigen Wand ist das für den Einsteiger anfangs schwer auszumachen. Dann bleibt manchmal nichts anderes übrig, als sich im Klettergurt nach hinten zu lehnen und sich mit Unterstützung vom Sicherungspartner nach unten abzuseilen.

Gerade für den Anfänger ist es eine besondere Herausforderung im Freien direkt am Fels zu klettern. Im Unterschied zur Halle – dort sind die Routen klar vorgegeben und an der Farbe der Griffe deutlich erkennbar – müssen die Sportler ihren Weg nach oben selbst finden. Körperkraft ist dafür zwar wichtig, aber allein kaum ausreichend. „Klettern ist ein ganzheitlicher Sport“, sagt der 27-jährige Dario Bepler von der Interessengemeinschaft (IG) Klettern München & Südbayern. „Man braucht Kraft in Armen, Rumpf und Beinen, aber auch Beweglichkeit und Technik.“ Und trotzdem ist der Sport absolut familientauglich. Mit professioneller Begleitung können sich selbst Kinder am Klettern versuchen wie etwa auf dem Lenggrieser Hausberg Brauneck. Seit rund zehn Jahren hat die IG Klettern zahlreiche Routen an den Felswänden entlang des Höhenrückens über dem Dorf erschlossen – für Anfänger genauso wie für Fortgeschrittene.

An der Westseite des 28 Meter hohen Gamskopfs finden Kletterneulinge beispielsweise leichte Routen zum Einstieg. Daher nutzen die Trainer der IG Klettern den Felsen mit der charakteristischen Steinbockfigur am höchsten Punkt gerne zu Schulungszwecken. Zu ihnen zählen Dario Bepler und der 32-jährige Philipp Märkl. Rund 20 Minuten brauchen die beiden von der Bergstation der Brauneck-Bergbahn an der Tölzer Hütte, Quenger- und Strasser Alm vorbei bis dorthin. Schon als Kind ist Märkl mit seinen Eltern viel gewandert und natürlich auch ein bisschen „gekraxelt“, wie er sagt. Dann wollte er mehr, fand unter seinen Freunden aber niemanden, der mit ihm klettern wollte. Daher buchte er im Alter von 20 Jahren einen Kurs in der Halle der IG Klettern nahe des Münchner Ostbahnhofs. „Am 26.02.2006“, berichtet er. Das weiß er deshalb so genau, weil sich seitdem bei ihm in der Freizeit fast alles nur ums Klettern drehte. Ihn reizt die Herausforderung im Kampf gegen sich selbst. Denn am Fels sei jeder erst einmal mit sich alleine beschäftigt, schildert er. „Ich kann fokussiert sein und den Kopf frei machen.“ Jede Route sei individuell anders. Bis zum äußersten ließen sich die eigenen Grenzen ausloten. „Ich suche mir auch Mal etwas Schweres, an dem ich mich abarbeiten kann“, sagt Märkl.

Doch so alleine und auf sich selbst konzentriert der Kletterer am Felsen auch ist, für den Sport braucht es immer mindestens zwei versierte Kletterer. Einer steigt immer voran und muss das Seil an den im Fels verankerten Haken der gewählten Route mit sogenannten Expresssets – zwei durch eine Bandschlinge verbundenen Karabinerhaken – fixieren. Das dient der Zwischensicherung, sollte der Kletterer stürzen. Vom höchsten Punkt der Route, dem sogenannten Umlenker, wird das Seil wie durch eine Schlaufe wieder nach unten geführt. Der Kletterpartner am Boden muss den anderen immer sichern. Empfehlenswert sind halbautomatische Sicherungsgeräte, die bei einem ruckartigen Zug selbständig blockieren. Um dieses Instrument zu beherrschen, braucht es aber eine professionelle Einweisung.

Bevor es losgeht, muss aber erst einmal die Ausrüstung korrekt angelegt werden. Jetzt heißt es, die engen Kletterschuhe anzuziehen. Manche schlüpfen nur barfuß hinein, um den optimalen Grip am Fels zu spüren. Die Sportler legen ihren Klettergurt an, an dem das Seil mit einem doppelten Achterknoten fest verbunden wird. Ein Helm schützt beispielsweise vor Steinschlag. Der Beutel mit Magnesium, um schwitzige Hände zu vermeiden, darf nicht fehlen. Ob alles richtig und sicher angelegt ist, prüfen die beiden Kletterpartner anschließend im Vier-Augen-Partner-Check.

Mit Augenmaß und Geduld

Wer zum ersten Mal in freier Natur klettert, muss erst das richtige Gefühl für den Halt der Schuhe am Fels finden. Augenmaß und Geduld erfordert es, den richtigen Punkt für den nächsten Griff oder Tritt zu finden. Wer sich nicht mehr weiter traut, kann sich aber jederzeit abseilen lassen. Dafür muss sich der Sportler der Sicherung des Partners überlassen. Am Klettern reizt Bepler neben der athletischen Herausforderung genau dieses Zusammenspiel. „Es ist die Kombination, dass ich etwas für mich selbst mache, was ich aber nicht alleine machen kann“, erklärt er. Je mehr Leute zusammen seien, desto mehr Spaß mache es. „Der eine kann sich vom anderen auch leichter etwas abschauen.“ Und wer es zum ersten Mal einige Meter nach oben geschafft hat, erlebt schnell Erfolgserlebnisse.

Am Brauneck finden die Kletterer zwischen dem Zirkus- und Stiealm-Kessel, bis hin zum Feichteck, Taka-Tuka-Land und dem vorderen Kirchstein zahlreiche Routen aller Schwierigkeitsgrade. Sie sind nach der Skala der UIAA (Union Internationale des Associations d’Alpinisme) von 1 bis 12- eingeteilt. In den vergangenen Jahren hat das Klettern einen deutlichen Boom verzeichnet. Wie Bergführer Tom Hesslinger von der Tölzer Alpenvereinssektion schildert, kamen jüngst 30000 Kletterer allein in die Tölzer Halle. Nur ein Bruchteil davon versucht sich im Freien. „Das sind deutlich unter zehn Prozent“, sagt Hesslinger. In der Halle kann die Ausrüstung auch ausgeliehen werden. Dort lässt sich wetterunabhängig – auf nassem Fels im Freien kann nicht geklettert werden – der Sport ausüben. Zudem sind die Hakenabstände in der Halle einheitlich gesetzt und die Route vorgegeben. „Drinnen weiß man, wo man hintreten muss“, berichtet Hesslinger. Ganz generell solle sich jeder bewusst machen, dass ein Fehler böse Folgen haben könne. „Jeder Fehler kann der letzte gewesen sein.“ Deshalb braucht es Erfahrung, einen professionellen Umgang mit der Ausrüstung und gute Vorbereitung. Für Hesslinger – er klettert seit 35 Jahren – ist der Sport eine Lebenseinstellung. „Er fordert nicht nur den Körper, sondern auch den Geist“, erklärt er. Es gehe darum, sich zusammenzureißen und überwinden zu können. „Wenn man etwas geschafft hat, ist das Gefühl geil.“ Und Hesslinger ist überzeugt davon: „Klettern hält jung.“

Leichte Touren, um sich auszuprobieren

Zusätzlich zum Gamskopf finden Einsteiger an der Kapellenwand leichte Routen, um sich auszuprobieren. Sehr gut für Familien geeignet ist auch der ehemalige Sandsteinbruch bei Bad Heilbrunn. Etwa 200 Meter südlich von Unterenzenau zweigt eine Schotterstraße bis zum Parkplatz ab. Am rotbraunen Sandstein gibt es viele leichte Routen. Das Gebiet um Kochel am See ist nur für erfahrene Kletterer geeignet. Literatur: Markus Stadler, Bayerische Alpen, Band 3, Von Bayrischzell bis Benediktbeuern; Toni Lamprecht: Kochel – Klettern und Bouldern am Kochelsee (beides Panico-Alpinverlag); Benni Plahl: Brauneck – Klettern am Lenggrieser Hausberg, IG Klettern München & Südbayern/

Die IG Klettern München & Südbayern hat sich 1995 gegründet. Zu ihren Zielen zählt es, umweltverträgliche Klettergebiete in der Natur zu erhalten und zu erschließen. Die Vereins-Kletterhalle „Heavens Gate“ am Ostbahnhof ist während der Umbauarbeiten im Weksviertel geschlossen. Derzeit gibt es im Eddy Crashpaddy eine Boulderhalle für den Übergang. Der Verein hat am Brauneck einen Großteil der Routen zum Klettern erschlossen. Zusätzlich zum Gamskopf finden Einsteiger an der Kapellenwand leichte Routen, um sich auszuprobieren. Sehr gut für Familien geeignet ist auch der ehemalige Sandsteinbruch bei Bad Heilbrunn. Etwa 200 Meter südlich von Unterenzenau zweigt eine Schotterstraße bis zum Parkplatz ab. Am rotbraunen Sandstein gibt es viele leichte Routen. Das Gebiet um Kochel am See ist nur für erfahrene Kletterer geeignet. Literatur zum Informieren: Markus Stadler, Bayerische Alpen, Band 3, Von Bayrischzell bis Benediktbeuern; Toni Lamprecht: Kochel – Klettern und Bouldern am Kochelsee (beides Panico-Alpinverlag); Benni Plahl: Brauneck – Klettern am Lenggrieser Hausberg, IG Klettern München & Südbayern

Fotos: Benjamin Engel


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