Das Magazin für das Bayerische Oberland

Liebe macht blind

Die Amphibienhelfer sind wieder unterwegs
 
Von Andrea Weber

Liebe macht blindEs ist die Zeit der grünen Zäune an den Straßenrändern. Ehrenamtliche Helfer vom Bund Naturschutz schützen Amphibien vor dem Straßenverkehr.

Zurzeit tauchen nachts und in den Morgenstunden Menschen an den Seitenstreifen der Landstraßen auf. Sie tragen Signalwesten, haben Plastik-Kübel bei sich und leuchten mit Taschenlampen herum. Sie haben nichts Böses im Sinn, vielmehr retten sie das Leben der heimischen Kröten, Frösche und manchmal auch der seltenen Molche.

Denn jetzt im Frühjahr ist wieder die Zeit der Amphibienwanderung, die von ihren Lebensräumen im Wald an die Wasserstellen ihrer Geburtsstätte zurück kehren, um zu laichen und damit eine neue Population zu gründen. Nichts hält sie von ihrem Weg ab, auch nicht der sichere Tod auf den stark befahrenen Straßen. Um diese Tiere vor dem Aussterben zu schützen, stellt der Bund Naturschutz gemeinsam mit der Naturschutzbehörde und den Straßenmeistereien, wie jedes Jahr, die grünen Zäune an den Straßenrändern auf – in 18 Amphibiengebieten im Tölzer Landkreis. Von Februar bis Ende April gehen gut 100 freiwillige Helfer täglich abends und früh morgens die Froschzäune ab und tragen die Tiere in ihren Eimern über die Straßen. Von dort aus setzen sie ihren Weg zum Laichgebiet sicher fort.

„Aber mindestens ein Grad muss es haben, sonst laufen sie nicht“

Auch Nikolaus Schöfmann aus Geretsried ist ein solcher Lebensretter. Sein Gebiet ist der Zaun bei Achmühle entlang der Landstraße nach Beuerberg. Mit gut 500 Metern Länge ist der Schutzzaun einer der längsten im Landkreis. Schöfmann und seine Kollegen sind jetzt im Frühjahr jeden Abend unterwegs – bei Wind und Wetter. „Aber mindestens ein Grad muss es haben, sonst laufen sie nicht“, erklärt der Naturschützer.

Nahe geht der hauptberufliche Masseur aus Geretsried am Fahrbahnrand entlang und leuchtet mit der Taschenlampe den grünen Zaun ab. An die vorübergehend, heruntergesetzte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h hält sich so gut wie kein Autofahrer. Daher ist das Fröschesammeln im Dunkeln kein ungefährlicher Job für die Amphibienhelfer.

An diesem Abend geht Schöfmann keine zwei Meter den Zaun lang, schon sitzt ein Prachtexemplar nach dem anderen dort, eine Kröte will gerade hinüber klettern, streckt sich lange und sieht dabei aus, wie ein kleiner Mann vom anderen Stern. Schöfmann, der nun schon das fünfte Jahr an der Achmühler-Strecke Amphibien sammelt, trägt nie Handschuhe bei dieser Tätigkeit. So könne er gut fühlen, ob es ein Frosch oder eine Kröte sei, sagt er. „Der Frosch ist feucht, die Kröte trocken, das Krötenweibchen dick und Molche dagegen sind sehr selten.“ Jedes Exemplar, das er findet, registriert Schöfmann auf seinem Block. Sein Rekordergebnis von 702 Fröschen und 47 Kröten, für das der Amphibienhelfer sogar vom Bund Naturschutz eine Urkunde bekam, schaffte 2008 in nur einer Nacht. Seinen Rekord musste er 2009 an einen Kollegen am Stallauer Weiher bei Bad Heilbrunn. „Der sammelte bis zum Morgengrauen 2000 Tiere“, erzählt Nikolaus Schöfmann.

Wären die Zäune jetzt nicht entlang an den Straßen im Oberland, dann würden pro Nacht ganze Populationen von Amphibien durch den Autoverkehr aussterben. Nikolaus Schöfmann und seine Helferkollegen gehen zufrieden heim, wenn sie an so einem Abend wieder „eimerweise“ Leben gerettet haben.

NEWS