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Alpenfilmfestival 2022 ab 11. Mai

Alpenfilmfestival 2022 ab 11. Mai

Premiere im Murnauer Kino im Griesbräu

Von Benjamin Engel

Oberland, 10.5.2022 - Das Alpenfilmfestival zeigt, dass Berge mehr sind als Abenteuerspielplätze für actionsatte Inszenierungen. In den fünf neuen Kurzdokumentationen des heurigen Jahres können die Zuschauer in vollkommen unterschiedliche Erfahrungswelten eintauchen – auf einsamen Wegen in den Hohen Tauern erfahren, was Zeit für den Menschen bedeutet, mitverfolgen, wie sich drei Freerider im Karwendel für ein respektvolles Naturverständnis öffnen, was auf einer Skitour zu den höchsten Gipfeln Bayerns auch einmal schief gehen kann, wie demütig Bergsteiger in den sechs großen Nordwänden der Alpen werden, was es bedeutet sich am Berg seinen Ängsten zu stellen und die Natur im Viervierteltakt funktioniert. „Wir wollen einen ehrlichen Zugang finden“, beschreibt der Valleyer Filmemacher Tom Dauer die Grundintention des Alpenfilmfestivals, das am Mittwoch, 11. Mai, im Murnauer Kino im Griesbräu mit der Vorpremiere die erste Station hat. Tags darauf ist das Programm im Filmtheater Sendlinger Tor in München zu sehen.

Der Alpinismus als facettenreiches Kulturgut steht im Fokus der beiden Organisatoren. Tom Dauer und die Tölzer Alpinjournalistin Sandra Freudenberg wollen in stillen genauso wie in aufsehenerregenden Momenten den Respekt vor der Bergwelt und den in ihr sich bewegenden Menschen deutlich machen. „Ganz im Sinne alpinistischer Werte wie Freundschaft; Vertrauen und Mitgefühl, die den Alpinismus zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO machen“, betonen sie.

Erster Deutscher auf dem Mount Everest

Was es bedeutet, sich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen, hat wohl kaum ein Bergsteiger wie Reinhard Karl so eindrücklich beschrieben. Als erster Deutscher stand der gebürtige Heidelberger 1978 auf dem Gipfel des Mount Everest. Statt von Triumphgefühlen schrieb er anschließend von einem Horrortrip. „Statt meiner Reise zum Licht und zum totalen Glück ist die totale Leere in meinen Kopf gekommen.“ Als glücklich bezeichnete sich Karl nur insofern, als der Gipfel das Ende qualvollen Steigens bedeutete. Fast ein wenig resigniert konstatierte der Bergsteiger, mit dem höchsten Berg der Welt nur einen Vorgipfel erreicht zu haben. „Den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen.“ Mit nur 35 Jahren starb Reinhard Karl 1982 unter einer Eislawine am Cho Oyu in Nepal.
 
„Reinhard Karl hat sich offen, mit seinen Ängsten und Gefühlen auseinandergesetzt“, sagt Tom Dauer. Der Filmemacher nähert sich in der Dokumentation „Die Kunst einen Berg zu besteigen“ dem Bergsteiger am Beispiel der Künstlerin Clara Happ. Die 30-Jährige fertigt Holz- und Linolschnitte nach der Vorlage von Reinhard Karls Fotografien. So versucht sie zu ergründen, warum dessen Texte so kraftvoll berühren. Mit Tobias Corts und Sven Jansel tauchen dagegen  die Zuschauer in der Dokumentation „Der vergessene Weg“ ganz langsam in die Landschaft ein. Die beiden Filmemacher folgen dem Wiener Höhenweg durch die Schobergruppe in den Hohen Tauern und porträtieren die Hüttenwirte entlang der Tour – Menschen, die auf der eher selten begangenen Route gelernt haben, mit der Stille umzugehen. Die Dokumentation vermittle das Gefühl selbst auf der Wanderung unterwegs zu sein, so Alpenfilmfestival-Organisator Tom Dauer.

Was bedeutet "Gerwentil"

So mystisch wie spannungserzeugend klingt der alte Karwendel-Name „Gerwentil“. Das steht im Althochdeutschen für „Speerschüttler“. Ein Bajuware namens Gerwentil könnte sich um das Jahr 1000 am Fuße des Karwendels niedergelassen und so dessen Namen geprägt haben, so die Legende. Doch was passiert, wenn sich Freerider von den jahrhundertealten Ahornbäumen im Tal in die steilen Hänge und engen Rinnen des Karwendel bewegen? Genau das fragen Christoph und Philipp Karl in ihrer Dokumentation „Gerwentil.“ Für Tom Dauer hat dies eine eigene erzählerische Qualität, weil es eben nicht nur darum gehe, die Aktionen toller Skifahrer in wilder Umgebung zu zeigen, sondern auch eine Perspektive zum Verständnis der Naturzusammenhänge aufzuzeigen.

Die nackten Zahlen lassen dagegen das Vorhaben von Simon Gietl und Roger Schäli bereits unmöglich erscheinen: Das Ziel, die sechs großen Nordwände der Alpen nonstop zu begehen, bedeuten 1000 Kilometer Strecke zurückzulegen, 30770 Höhenmeter aufzusteigen und 29470 Höhenmeter abzusteigen. „North 6“ heißt der Film von Frank Kretschmann, der die Bergsteiger auf ihrem Weg am Rennrad, zu Fuß, am Seil und mit dem Gleitschirm begleitet. 

Fotos: Veranstalter

„7 Summits of Bavaria“

Warum Skibergsteigen manchmal weniger faszinierend ist, als es klingt, zeigt die Dokumentation „7 Summits of Bavaria“. Mit dem Wohnmobil fahren die Freestyle-Sportlerin Caja Schöpf und der Bergführer Ludwig Karrasch durch den Freistaat von West nach Ost, um die höchsten Gipfel der bayerischen Gebirgszüge mit Ski zu erklimmen. Nur eine der Schwierigkeiten: Während ihres Unterfangens im Februar 2021lag eher wenig Schnee, so Alpenfilmfestival-Organisator Tom Dauer.
Der endlose Viervierteltakt elektronischer Beats von Komponist und DJ Dominik Eulberg eröffnete für den Filmer Jan Haft einen ganz eigenen Zugang zur Natur. Zur Musik schnitt er Aufnahmen heimischer Vögel. Dadurch entwickelten sich skurrile Situationen, so Tom Dauer. „Man glaubt manchmal, dass sich die Tiere im Takt der Musik bewegen.“

Knapp zwei Stunden sind alle fünf Kurzfilme zusammen lang, die auf jeder der vielen Stationen des Alpenfilmfestivals in zahlreichen Kinos zu sehen sind, im kommenden Dezember etwa auch zweimal in Bad Tölz. Von einer „guten Mischung“ zwischen stillen und spektakulären Momenten, spricht Organisator Tom Dauer. Das spiegele genau das Konzept des Alpenfilmfestivals wider und solle zur Diskussion anregen.

Karten gibt es über die beteiligten Kinos. Informationen zu Terminen und den gezeigten Filmen unter www.alpenfilmfestival.de

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