Zwischen Glühwein und Gänsehaut
Der Krampuslauf in Bad Tölz wurde am Samstag zum wilden Spektakel auf dem Tölzer Christkindlmarkt
Bad Tölz, 14.12.2025
Der Nebel legt sich langsam über die Buden des Tölzer Christkindlmarktes und macht den Lichterglanz diffus, als wäre er Vorbote des Grusels, der da kommen wird. Doch die Menschen lassen sich davon nicht abhalten, im Gegenteil. Sie stehen dicht gedrängt entlang der historischen Marktstraße, Kapuzen und Mützen über die Köpfe gezogen, Glühweintassen fest umklammert. Die Spannung ist greifbar. Es ist Samstag, und es ist der Tag des Krampuslaufs in Bad Tölz.
Wenn die Glocken näher kommen
Ein erstes, tiefes Glockengeläut durchschneidet die Winterluft. Dann noch eines. Und plötzlich ist da dieses Dröhnen, dieses metallische Donnern, das sich wie eine Urgewalt durch die Nacht wälzt. Die Krampusse kommen. Furchterregende Gestalten in zottigem Pelz, Glocken und oft mit gewaltigen Hörnern, aufgerissenen Mäulern und Augen, die im Schein der Weihnachtsbeleuchtung zu glühen scheinen. Sie gehen dem Nikolaus voraus und begleiten auch das Christkind, das sich majestätisch langsam den Weg durch die Menschenmengen bahnt.
Zwischen Faszination und Furcht
Die kleine Sofia drückt sich enger an ihre Mutter, als die wilde Horde an ihr vorbeizieht. Ihre Augen sind weit aufgerissen, ihr Lachen pendelt zwischen Faszination und Furcht. So geht es vielen in der Menge. Denn die Perchten und Krampusse sind nicht nur so etwas wie die „bad cops“ für den „good cop“ Christkind oder Nikolaus, die Mahner, Wächter, Strafer und Vollstrecker für jene, die sich nicht immer an die Regeln gehalten haben oder zu frech gewesen sind. Sie sind auch mehr als Folklore – sie stehen für eine eine Reise in die Tiefen alpenländischer Erinnerungen, in eine Zeit, als die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits noch durchlässiger schienen.
Eine junge Tradition mit Geschichte
Der Krampuslauf in Bad Tölz ist allerdings keine jahrhundertealte lokale Tradition, sondern eine moderne Wiederbelebung alpenländischer Bräuche. Der Verein "Strawanza Pass" unter der Leitung von Sebastian Harrnach organisiert das Event gemeinsam mit der örtlichen Tourist-Information seit 2017.
Die Veranstaltung war nicht unumstritten. 2019 kam es zu einem Zwischenfall, bei dem eine 32-jährige Besucherin aus Miesbach von einem Krampus so mit einer Weidenrute geschlagen wurde, dass sie Anzeige erstattete, was zu einer intensiven Diskussion im Stadtrat führte. Mit knapper Mehrheit entschied der Kur- und Tourismusausschuss jedoch, die Veranstaltung beizubehalten, allerdings unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen: Die Krampus-Darsteller werden seither namentlich erfasst, tragen Nummern und werden von Security-Kräften begleitet, so auch am Samstag. Heute gilt der Krampuslauf als fest etablierter Bestandteil des Tölzer Christkindlmarkts und ist ein absoluter Besuchermagnet - was am Samstag mehr als offensichtlich wird: Abertausende drängen sich in der Marktstraße, um die respekteinflößenden Krampusse zu sehen und sich auch einer etwaigen kleinen Züchtigung zu stellen.
Respekt, Ritual und Begegnungen
Zwischen den Buden hindurch bewegen sich die Krampusse, mal bedrohlich stampfend, mal fast tänzerisch, um sich Respekt zu verschaffen. Hier und da bleibt Zeit für kurze Gespräche oder ein Selfie zwischen Teilnehmern und Besuchern. Momente, in denen die Magie kurz pausiert und die Menschen hinter den Masken sichtbar werden.
In den Gesichtern der Zuschauer spiegelt sich eine Mischung aus Ehrfurcht und Begeisterung, die wilde Anmutung macht schließlich den Reiz des Spektakels aus. Kinder verstecken sich hinter den Beinen ihrer Eltern, während Erwachsene wie gebannt auf das Spektakel starren. Immer wieder versuchen die Krampusse und Perchten einzelne Zuschauer zu erschrecken, oder mit Weidenruten zu schlagen - freilich nicht so fest, dass es wirklich wehtut. Hie und da wird ein junger Bursche auch mal gepackt und mit ihm gerangelt. Wer auf den rechten Pfad zurückgebracht wurde, mit wird Ruß im Gesicht markiert.
Wenn der Spuk vergeht
Als die letzte Gruppe die Marktstraße passiert hat und das Glockengeläut langsam verklingt, kehrt der Christkindlmarkt zu seiner normalen Geschäftigkeit zurück. Der Duft von Glühwein und gerösteten Mandeln gewinnt wieder die Oberhand. Klar ist aber: Bad Tölz hat bewiesen, dass Tradition und Moderne keine Gegensätze sein müssen. Sie können sich ergänzen, bereichern – und gemeinsam Momente schaffen, die noch lange in Erinnerung bleiben werden.
Fotos: Oberland.de

























