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Ein Besuch im Münter-Haus in Murnau

Die „Blauen Reiter“ ganz privat

Von Claudia Koestler

Murnau, 30.5.2016 - Im so genannten Münter-Haus in Murnau wurden einst Ideen und Werke geschaffen, die als Kunst der „Blauen Reiter“ in die Geschichte eingingen. Ein Rundgang durch das heutige Museum zeigt das Leben des Künstlerpaars Gabriele Münter und Wassily Kandinsky einmal ganz privat.

Die Farbe auf den Paletten wirkt gerade erst angerührt, auf dem stummen Diener hängt noch Kandinskys Gehrock. Es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben in jenem Haus in Murnau, seit vor über 100 Jahren Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in das Landhaus einzogen. Von 1909 bis 1914 wohnten hier der russische Maler und seine Lebensgefährtin, und Kritiker und Künstlerfreunde wie Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky oder Arnold Schönberg gingen ein und aus.

Dank Münter übrigens, die das Haus von 1931 bis zu ihrem Tod 1962 weiter bewohnte: Sie rettete im so genannten "Millionen-Keller" des Hauses die Gemälde der Künstler-Gruppe vor den Nationalsozialisten. 1957 schenkte sie diese im Alter von 80 Jahren der Münchner Galerie im Lenbachhaus, die dadurch über Nacht internationale Bedeutung gewann. Heute erzählt das Murnauer Münter-Haus den Besuchern die ganz private Geschichte des berühmten Künstlerpaares. "Russenhaus nannten es einst die Murnauer despektierlich wegen seiner Bewohner und Besucher", wie Ulrich Ufer erzählt. Zusammen mit Hanna Glück betreut er das Haus, seit es offiziell für Besucher zugänglich ist.

Von 1964 bis zur Renovierung war das pittoreske Landhaus, das von der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung verwaltet wird, nämlich vermietet. "Nur im Obergeschoß waren zwei Räume eingerichtet und die alte Dame, die hier wohnte, hat diese auf Anfrage dann hergezeigt", verraten Ufer und Glück. 1998 bis 1999 wurde das Gebäude schließlich in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt und lockt seither als Galerie jährlich rund 25000 Besucher aus aller Welt. Denn das Münter-Haus schafft einen gänzlich anderen Zugang zur Kunst als man es gewöhnt ist: Direkt, persönlich, ohne museale Überhöhung.

Üppig wachsen Blumen, Beeren, Gemüse und Kräuter

Auf einem Rondell blühen eine Fülle von Blumen und Beeren, Gemüse und Kräutern. So wie sie auch Münter und Kandinsky einst mit großer Begeisterung anpflanzten, wie ein paar schwarz-weiße Fotografien am Eingang belegen: Stolz posieren Kandinsky und Münter da im Garten, er in kurzer Lederhose, mit Wadlstutzer und Gartenharke, sie im Dirndl. Der Eingang zum Münter-Haus an der Westseite ist heute für Besucher geschlossen. Stattdessen geht man über den ehemaligen Kellereingang an der Ostseite ins Haus. Im Raum gegenüber der Kasse, wo heute die Besucher in Reprodrucken blättern und Postkarten kaufen, hatte Münter einst die Bilder von Kandinsky gelagert. Denn als gebürtiger Russe musste er bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges Deutschland sofort verlassen. Welche Konsequenzen das haben würde, war damals wohl beiden nicht bewusst: Erst Jahre später trafen sie sich wieder, inzwischen war ihre Beziehung zerbrochen.

Kandinskys Bilder behütet wie ein Schatz

Münter, maßlos verletzt darüber, dass Kandinsky heimlich eine andere geheiratet hatte, wollte ihm daraufhin seine Bilder nicht zurückgeben. Nach einem Rechtsstreit durfte sie schließlich den Großteil der Werke behalten, den sie fortan wie einen Schatz hütete. Erreicht man das eigentliche Erdgeschoss, ist man verblüfft: Denn die Treppe ist auf den ersten Blick fast kindlich-fröhlich und bunt bemalt. Auf den zweiten Blick aber ist es Kandinskys Werk, dass Reiter zwischen bunten Ranken die Treppe hochgaloppieren. Im Gang hängen einige expressionistische Bilder an der Wand, darunter auch ein Selbstportrait der einstigen Hausbesitzerin. Das Wohnzimmer mit seiner dunklen Wandvertäfelung, der Holzbank und der leuchtend gelben Tapete kennt man aus Münters Bild "Kandinsky und Erma Bossi am Tisch". Über der Eckbank hatte Kandinsky seine Hinterglasbilder aufgehängt, wie auch an der gegenüberliegenden Seite über dem Sofa.

Im Obergeschoß stößt man auf die roten Möbel, die Kandinsky bei einem Murnauer Schreiner anfertigen ließ und später liebevoll mit bunten Punkten und floralen Formen bemalte. Und das Toilettschränkchen gar hat romantische Qualität: Auf der mittleren Schublade jagt sich ein Paar fröhlich zu Pferde, vielleicht Kandinsky voran, der auf einem Rappen folgenden Münter zuwinkend. Im Schlafzimmer entdeckt der Besucher schließlich Kandinskys Zylinder auf dem Bett, der Gehrock zum Flanieren bereit. "Ich habe hier wahnsinnig viel gelernt, über die Kunst an sich und die Expressionisten im Besonderen", sagt Glück. Eben auch, weil das Haus keine Berührungsängste mit der Kunst zulässt, sondern einfach das Leben spiegelt.

Das Münter-Haus in Murnau
Kottmüllerallee 6
82418 Murnau
Telefon: 08841/ 62 88 80
Fax: 08841/ 62 88 81

Täglich geöffnet (außer montags) von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Das Haus ist an allen Feiertagen (außer am 24.12. und am 31.12.) geöffnet, auch wenn sie auf einen Montag fallen. Vor dem Münter-Haus ist kein Parkplatz vorhanden. Bahnverbindung München-Murnau stündlich

Eintrittspreis
3,00 Euro für Personen über 25 Jahre
Sonderöffnungen: 40,00 Euro
Sonderöffnungen mit Führung: 75,00 Euro

Filmaufnahmen
250,00 Euro für 4 Stunden. Jede weitere Stunde: 50,00 Euro
Für die Sonderöffnungen und Filmaufnahmen ist eine Anmeldung bei der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung erforderlich: info@remove-this.muenter-stiftung.de

Fotos: Claudia Koestler


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