Ein bayerischer Tausendsassa
Von Gregor Miklik
Wolfratshausen, 22.3.2023 - Auch wenn er mit seiner hageren Figur und seinem kantigen, verschmitzten Gesicht optisch an Karl Valentin erinnert, fällt Heinrich Zapf im Alltag sonst kaum auf – aber sobald er auftritt, wird´s intensiv. Egal, ob in der Musik, beim Kabarett oder beim Volkstanz: Das Publikum bekommt etwas Besonderes geboten.
Seit Beginn der Pandemie ist es gar nicht so leicht, die selbsternannte „Rampensau“ Heinrich „Heini“ Zapf bei einem öffentlichen Auftritt zu erleben – dabei bräuchte man eigentlich mehrere Abende, um die gesamte Breite seines kulturellen Schaffens zu erfassen, ist er doch als Musiker, Kabarettist, Lehrer für Klarinette, Hackbrett, Gitarre, Volkstanz und Schul-Musik sowie als Musical-Regisseur in Erscheinung getreten. Unvergessen sein Auftritt 2016 bei den Wirtshausmusikanten beim Hirzinger im BR, wo er für eine Volkstanz-Einlage der Gäste mit gut platzierten Pointen die Moderation übernahm; danach stellte er sich in der Mitte der Tanzfläche auf einen Stuhl und spielte dort Klarinette, ergänzte den Landler mit drei selbst getexteten Strophen und gab Tanzkommandos: Drei Dinge gleichzeitig, dazu Rampenlicht und TV-Kamera: Heinrich Zapf läuft zur Hochform auf. In kleinerem Rahmen ließ sich dies kürzlich wieder erleben: beim Musikantenstammtisch in der Musikschule Wolfratshausen.
Es geht eher lässig zu: Zum offiziellen Beginn sind zwar die beiden von Zapf geleiteten Wolfratshauser Ensembles Bassd Scho und Irish Bayerisch sowie zwei befreundete Gruppen vor Ort – Zuhörer kommen erst nach und nach dazu – sie wissen offenbar aus Erfahrung, dass die Musik erst später spielt; allerdings verpassen sie so das durchaus interessante Vorspiel: Zapf macht noch eine Inspektionsrunde, reicht fehlende Noten herum, platziert breit grinsend einen Träger Bier auf dem Buffet, das die Musikerinnen und Musiker mitgebracht habe und öffnet sich gleich selbst die erste Flasche – und dann beginnt sein Auftritt: Schon wenn er nur seine Bassklarinette stimmt, füllt er den Raum mit seiner Präsenz aus; das liegt zum einen am Sound und zum anderen eine Gelassenheit in der Fokussierung, die man vielen Musik-Profis wünschen würde.
Singen, spielen und Schuhplatteln
Geboren wurde Heinrich Zapf 1957 in München als zweites von vier Kindern. Der Vater war tagsüber Hausverwalter, abends unterhielt er gesellige Runden mit Pantomime und Geschichten wie dem Münchner im Himmel zur Zither. Wichtig war ihm, dass die Familie gemeinsam Musik machte, die Kinder mehrere Instrumente erlernten - bei Heinrich waren dies Hackbrett, Zither, Gitarre und Klarinette. Als Mitglieder im Trachtenverein wurden die Zapfs für Auftritte gebucht: Singen, Spielen und Schuhplatteln brachten Applaus, Geld und warmes Essen. „Das gefiel mir alles“, sagt Zapf im Rückblick. Mit 13 Jahren improvisierte er vor seiner Schulklasse erstmals eine Pantomime. „Gelernt oder geübt hatte ich das nicht, vielleicht dem Karl Valentin abgeschaut, von dem kenn ich alle Stücke“, erzählt er. Dann begann er mit G‘stanzln, also Spottliedern. „Mir ging´s da um das Spielen mit Worten, schräge Gedanken zu platzieren und das Publikum zu unterhalten. Das klappte offenbar schon während seiner Ausbildung zum Bauzeichner, „da hab´ ich die Vorg´setzten auf die Schippe g´nommen – mir, dem Stift, hat ma´ des nachg´sen´g.“
Schrägen Gedanken gibt´s auch beim Musikantenstammtisch; Zapf sinniert darüber, warum die Deko-Elemente wohl nicht passen („wer hat da seit dem letzten Mal die Schrauben in der Wand versetzt?“), begrüßt seine Gäste mit und ohne Instrument („Daniela, mogst du ned vielleicht doch mitspielen?“), hilft dem ersten Ensemble mit der Bassklarinette aus. Beim zweiten Ensemble greift er zum Hackbrett: „Spui ma jetza den Weihnachts-Landler, dann hob I den weg.“ Letztlich spielt er bei allen Stücken mit.
Beruf der jeden Tag Spaß macht
Eine Triebfeder seines Schaffens ist seit jeher die Neugierde, die Lust, Tradiertes aufzubrechen und mit neuen Stilelementen weiterzuentwickeln – in allen seinen unterschiedlichen Kunstformen. 1980 allerdings wollte sich der gelernte Bauzeichner einen Beruf suchen, „der mir jeden Tag Spaß macht: Jungen Menschen etwas beibringen.“ Bis 1985 studierte Zapf Klarinette am Konservatorium – finanziert durch Auftritte der Musik-Kabarett-Gruppe „Guglhupfa“. Zusammen mit Andi Lechner, Karl Well und seinem Bruder Rudi verhalf er alten Volksliedern mit modifizierten Texten zu neuem Biss, ähnlich wie es Fredl Fesl und die Biermösl Blosn damals bereits erfolgreich taten. Die Programme wurden auf Münchner Bühnen im Wettstreit mit Bruno Jonas, Sigi Zimmerschied oder dem Zither-Manä feingeschliffen, und dann ging´s auf Tournee im deutschsprachigen Raum. „Mit dem Dieter Hildebrandt zusammen haben wir Säle mit 1000 Leuten locker vollgemacht.“ 1987 gewann „Guglhupfa“ noch die Münchner Ludwig-Thoma-Medaille – und löste sich kurz danach auf.
Ein Trio aus vier Musikern
Bereits 1988 hatte Zapf seine Stelle als Musiklehrer für Klarinette, Gitarre und Hackbrett an der Musikschule Wolfratshausen angetreten und engagierte sich von Anfang an auch über sein Stunden-Deputat hinaus. Als ein Jahr später mit Yoshi Kinoshita ein ähnlich gesinnter Kollege an Bord kam, entwickelten sie gemeinsam die Kinder-Singspiele: 1990 führte Zapf erstmals bei einer Aufführung Regie und tat dies bis zum Sommer 2022 regelmäßig – die Kindermusicals sind längst fester Bestandteil des Kulturlebens in der Region. Weil das Wolfratshauser Gehalt nach Heirat, Familiengründung und dem Umzug nach Eurasburg nicht mehr ausreichte, begann Zapf zusätzlich an der Musikschule Geretsried, trat als Solo-Kabarettist auf und gründete 2002 das Trio ZAKK – vermutlich das einzige Trio der Nation, das aus vier Musikern besteht. „Da hatte ich wieder richtig Lust, Klarinette zu üben und Neues zu erarbeiten, wie Tango oder Swing.“ Seit 15 Jahren lädt Zapf zu Volkstanz-Abenden im Geltinger „Hinterhalt“ ein, wo er als Tanzmeister die Gäste anleitet und wechselnden Musikgruppen (beispielsweise seinem Trio ZAKK, der ebenfalls von ihm selbst geformten Waldramer Tanzl-Musi oder auch Fei Scho ) eine Bühne bietet. Zuletzt formte er an der Musikschule die Auftanz-Musikanten, die ebenfalls bei derartigen Anlässen spielen und inzwischen „den Drive draufhaben, den´s da halt braucht, damit d´Leit´ tanzen.“
Im Sommer 2021 ging Zapf nach 33 Jahren als Instrumentallehrer in Rente, betreut im Landkreis aber drei Musikschul-Ensembles weiter; und organisiert weiterhin den Musikantenstammtisch. Höhepunkt wird ein Stück, bei dem alle Beteiligten gemeinsam spielen: „Jetza macht´s ihr was und i hear zua; I kriag des ja ois gar ned zoid.“ Letztlich dirigiert Zapf das Impro-Orchester – das Stück klappt gut, Zapf grinst zufrieden. Gäste wie Musikanten scheinen die lockere, heitere Atmosphäre zu genießen, ganz nach Zapfs Credo: „Fehler san wurscht“, sagt er. Es müsse den Musikern Spaß machen. „Dann ham auch die Zuhörer a Freid.“
Fotos: Gregor Miklik




