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Reportage: Bedienen im Bierzelt - Von der Lenggrieser Woche bis zum Oktoberfest

„Entweder mag man es oder nicht“

Von Benjamin Engel

Lenggries, 28.8.2024 – Feiert das Oberland etwas größer, ist das ohne ein Bierzelt kaum vorstellbar. Gerade für die Bedienungen bedeutet es aber auch Schwerstarbeit, wenn etwa nach dem Festzug alle Gäste gleichzeitig Essen und Trinken bestellen wollen. Dann sind die Servicekräfte zwischen Biertisch, Schank und Küche pausenlos unterwegs. Daher sind gute Schuhe unverzichtbar, um sich keine Blasen zu laufen, wie die Gaißacherin Monika Erhard sagt. Warum die Gesundheits- und Krankenpflegerin und ihr Team-Kollege Benedikt Pichlmayr, der im öffentlichen Dienst arbeitet, sich sogar extra Urlaub nehmen, um im Bierzelt zu bedienen, ist nur direkt an Ort und Stelle zu verstehen. Mitte August sind sie auf der Lenggrieser Festwoche im Einsatz, ehe im September und Oktober das Münchner Oktoberfest folgt.

Vom Spaß während des Arbeitens sprechen beide. „Die Leute sind gut drauf. Was kann es Schöneres geben“, so die Gaißacherin Monika Erhard, die von sich selbst als Mama Moni spricht. So steht es auch auf dem oberen der Holzanstecker, die sie sich an die Brust geheftet hat. Die Stimmung sei leger und blöde Sprüche wisse sie schon zu kontern.

Kernige Stimmung

Wer genau hinsieht, kann auf dem zweiten Holzanstecker von Erhard „Bierbulldog“ lesen und auf einem Anstecker von Benedikt Pichlmayr – Bene genannt – „Fuadakarrn“.  Das zeigt Humor und trifft sprachlich die zuweilen etwas kernigere Stimmung eines bayerischen Bierzelts. In dem auf der Lenggrieser Festwoche ist Platz für 1400 Besucher. Biergarten im Freien inklusive dürften die Bänke und Tische für 1700 bis 1800 Gäste reichen. 

Erhard und Pichlmayr gehören zu den gut zwei Dutzend Servicekräften, die im Festzelt von Peter und Michael Gascha bedienen. Das Duo ist am Mittwoch vor Christi Himmelfahrt im Team ab 17.30 Uhr für die erste Reihe mit 20 Bierbänken direkt vor der Bühne zuständig. Pichlmayr wird in erster Linie das Essen, Erhard das Bier zu den Besuchern bringen. 

So erklären sich die Aufschriften „Fuadakarrn“ und „Bierbulldog auf ihren Holzansteckern. Bis zu 16 Gerichte kann Pichlmayr auf dem großen Tablett auf einmal unterbringen. Erhard schafft maximal 14 Maß Bier. Ein einziger wiegt gefüllt 2,3 Kilogramm. Echte Schwerstarbeit also – und das an elf Tagen hintereinander, Montag bis Samstag immer abends, sonntags ganztags. Zwischen den verschiedenen Bedienzonen rotieren die Teams täglich. So soll sich der Verdienst möglichst gleichmäßig verteilen.

„Das Bedienen ist ganz angenehm, weil wir uns so lange kennen.“

Hilfreich ist, dass die zwei Mitdreißiger bierzelterprobt sind. Sie bedient schon seit knapp 20 Jahren auf Volksfesten im Oberland, er seit zehn Jahren. So arbeitet das Duo auch im Team auf dem Münchner Oktoberfest in der Ochsenbraterei zusammen. Das Hemd mit Schriftzug hat er jetzt auch in Lenggries an. Auf der Wiesn sind es vor allem die Stufen zum Brauereibalkon, die schweißtreibend werden können, wenn Erhard und Pichlmayr zum Bedienen hinauf- und hinunterlaufen. Uneins ist sich das Duo nur, ob es 22 oder 21 sind. Mehr noch zeigt der kurze Austausch, wie vertraut beide miteinander sind. „Wir mögen uns auch privat“, sagt der Jachenauer. „Das Bedienen ist ganz angenehm, weil wir uns so lange kennen.“ Um sich zu verständigen, reiche meist nur Blickkontakt.
 
Im Lenggrieser Festzelt wird es auch ohne Stufen wie auf der Wiesn anstrengender, je länger der Abend dauert. Bevor im Isarwinkel am Abend vor Maria Himmelfahrt die auf Volksfesten bekannte Partyband Tropical Rain zusätzlich die Stimmung anheizt, kommt der Niederschlag zwischen den umliegenden Bergen sturzbachartig wie in den Tropen. Dem kann kurz vor Dreiviertelsieben Uhr das Planendach direkt hinter den beiden Holzfässern nicht mehr standhalten. Schwallartig ergießt sich das Wasser zu Boden. Mehrere Mitarbeiter stemmen sich dagegen, um das Loch zu flicken. Bis es nicht mehr nass reinkommt, dauert es einige Zeit.
 
So sehr Festwirt Peter Gascha wegen des Wolkenbruchs nun eher einen mau besuchten Abend erwartet, hat der Regen für Erhard und Pichlmayr wie das übrige Serviceteam wenigstens etwas Gutes. Die Luft kühlt ab, was es weniger anstrengend macht, als an schwülheißen Tagen zu arbeiten und hin- und herzulaufen.

Oropax gegen laute Musik

Wider Erwarten füllt sich das Zelt nach dem Regen ziemlich schnell. Spätestens nachdem die Band ihren Auftritt mit einer Serie von Udo-Jürgens-Liedern von „Aber bitte mit Sahne“ bis „Mit 66 Jahren“ sowie Abbas „Mamma Mia“ eingeleitet hat, sind die meisten Bierbänke voll besetzt. Zwischen den herumlaufenden Festgästen muss sich nun das Serviceteam mit den geschulterten Tabletts fürs Essen oder Maßkrügen den Weg vorsichtig durch die Menge zu den Tischen bahnen. Um abzukassieren, ist schnelles Kopfrechnen gefragt. Notfalls gebe es aber einen Spickzettel mit den Preisangaben für die gängigsten Bestellkombinationen, den Erhard vorzeigt. „Den braucht man aber schnell nicht mehr“, so die Gaißacherin. 

Obendrein arbeitet sie mit Oropax gegen die stundenlange, laute Musik so direkt vor der Bühne. Für sie und Pichlmayr kommt es darauf an, ihren Bedienbereich immer genau zu beobachten und durchzugehen, damit keine Bestellung vergessen bleibt. Das spart Zeit und unnötige Wege. Zwischendurch poliert Erhard zudem mit zwei Frauen aus dem Serviceteam Besteck. Das gehört genauso zum Tätigkeitsspektrum wie nach Betriebsschluss Bänke und Tische abzuwischen und aufzuräumen. Laut Erhard dauert es dann schon einmal bis 1.30 Uhr, ehe sie nachhause kommt.

Wie weit darunter das Familienleben mit Mann und drei Kindern nicht leidet? Heute seien sie zum Baden tagsüber am Sylvensteinspeicher gewesen und dann eben um 15 Uhr wieder nachhause gefahren, sagt Erhard. Auf die Kinder allein aufzupassen, sei ihr Mann schon durch ihre Schichttätigkeit auf Intensivstation im Krankenhaus gewohnt. Zum oft emotional sehr belastenden Beruf, sei das Bedienen im Bierzelt für sie ein wichtiger Ausgleich, mit „lustigen und fröhlichen Menschen, wie Erhard sagt. Pichlmayr ergänzt, dass er beruflich den ganzen Tag sitze. „Hier kann ich rumlaufen.“ 

Das Bedienen im Festzelt ist fester Bestandteil im Alltagsleben beider. Klar käme damit auch Geld zusammen, sagten Erhard und Pichlmayr. Aber nur deswegen, mache das keiner. „Ich kann es gar nicht richtig beschreiben“, sagt der Jachenauer. „Entweder mag man das oder nicht.“ Und so freuen sich beide, wenn bald wieder das Münchner Oktoberfest beginnt. 

Fotos: Benjamin Engel


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