Die Unterbiberger Hofmusik schlägt bei den Geltinger Kulturtagen „Pipapo - Pinsel, Pauke, Poesie“ Brücken zwischen die Klangwelten vom Gamserlsteig bis zur Schwarzmeerküste

Verbindende Klänge

Von Claudia Koestler

Geretsried, 22.11.2014 - Es ist voll und dennoch gemütlich an diesem Donnerstag mitten im Hinterhalt, ganz so, wie es sich für einen Heimatabend gehört. Und trotzdem öffneten sich neue Horizonte, statt nur auf den engst möglichen Kreis zu fokussieren. Schließlich gilt die Unterbiberger Hofmusik der Familie Himpsl, die diesen Abend musikalisch gestalteten, als Speerspitze der musikalischen Grenzüberschreitung: „Früher hat´s geheißen, was macht´s ihr mit der Volksmusik, heute werden wir sicher nicht geschimpft, dass wir oiwei das Gleiche machen“, scherzte Franz Himpsl eingangs. Denn bayerische Volksmusik wurde hier galant mit muselmanischen Klängen verwirbelt: „Bavaturka – Eine türkische Reise“ heißt das jüngste Programm der weltoffenen Gruppe, die damit den klanglichen Rahmen für einen Abend der kulturellen Begegnungen boten.

Auch durch eine Eintrittskartenspende der Kulturpaten war schließlich in der sehr gut besuchten Kulturbühne Hinterhalt ein buntes Völkchen vertreten: Deutsche in Straßenkleidung oder folkloristischer Tracht, Bajuwaren in Lederhosen und Dirndl, dazwischen Asylbewerber aus Syrien, Pakistan, Afghanistan, dazu türkische Muslime mit seidenen Kopftüchern. Und während ein multikulturelles Buffet dazu einlud, erste neue Entdeckungen zu machen, war es doch vorwiegend an der Unterbiberger Hofmusik, die verbindende Seele zwischen den Kulturen aufzuzeigen.

Türkische Musikvielfalt verbunden mit der bayerischen Volksmusik

Die Türkei war und ist Kreuzungspunkt der Kulturen Europas, Nordafrikas, des Nahen Ostens, des Kaukasus und Süd- und Zentralasiens. Diese zahlreichen Einflüsse haben der türkischen Musik eine erstaunliche Vielfalt beschert, nun wiederum war es an der Zeit, diese Vielfalt auch mit der bayerischen Volksmusik zu verbinden, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, sie zu assimilieren, Charakteristisches aber dennoch bestehen zu lassen. Einfallsreiche Soli und Improvisationen an Blasinstrumenten, Ziehharmonika und Drums zeugten von klangschöpferischer Intelligenz und Originalität, während die Stücke mal weich ins Ohr gingen, mal druckvoll-fiebrig aufregend, im positiven Sinne. Damit eine solche Mischung allerdings nicht Gefahr läuft, in einen weltmusikalischen Brei zu zerfließen, muss sie schon wirklich punktgenau gespielt werden. Doch genau diese Virtuosität ohne Überheblichkeit war es, die die Unterbiberger auszeichneten. Jede der musikalisch angeführten Welten durfte dabei für sich bestehen bleiben, ihren Charakter behalten, und konnte doch die jeweils andere bereichern. Tradition wurde nicht in einem Crossover aus Hommagen und Heimatmusik verramscht. Vielmehr entstand etwas Größeres als die Summe seiner Teile aus Orient und Okzident, in dem sich gerade bei den Improvisationen auch immer wieder der Jazz bahn brach.

In Bayern daheim, in der Welt zu Hause

Das Ensemble aus Niederbayern mit Franz Himpsl, seine Söhne Ludwig, Xaver und Franz junior sowie Irene Himpsl und die Gastmusiker Florian Mayrhofer, Mathias Götz, Seref Dalyanoglu und Farhad Sidigi schaffen mit funkensprühendem Einsatz, das verbindende Element zwischen Orient und Okzident klar zu Tage treten zu lassen: Lust an der Musik, jener universalen, verbindenden Sprache, bis die Funken überspringen. Franz Himpsls Ausführungen und Geschichten über seine Begegnungen der bayerischen und türkischen Musik und Kultur waren amüsant, dabei sprach er das Publikum fast nur noch auf Türkisch an oder es sollte in der fremden Sprache mitsingen. Dabei waren nicht überwiegend türkische Mitbürger im Publikum, sondern viele Nationen. Doch das mochte dem Programm geschuldet sein. Das Publikum honorierte den Abend und zurecht mit kräftigem Applaus. Das Ziel der Reise war erreicht, im Aufeinander zugehen von Mensch zu Mensch den Horizont zu erweitern: In Bayern daheim, in der Welt zu Hause.