Im Porträt Dirigentin Lisi Hinterholzer aus Attenkam
Locker den Takt vorgeben
Von Benjamin Engel
Holzhausen, 12.11.2019 - Als Pionierin mag sich die junge Frau kaum verstehen. Was die blonde 22-jährige Lisi Hinterholzer zwar in der Region besonders macht, ist aus ihrer Sicht gar nicht mehr so ungewöhnlich. „In den Dirigierkursen waren mehrere Damen. Nur im Oberland ist das nicht so gängig“, sagt sie. Immerhin schon 115 Frauen gibt es unter den 630 gemeldeten Dirigenten im Musikbund Ober- und Niederbayern, im Bezirksmusikverband Isar-Mangfall ist die junge Frau aus Attenkam bei Holzhausen aber die einzige Dirigentin. Dort gibt sie in der Musikkapelle Holzhausen den Takt vor.
Unter den mehr als 50 aktiven Musikern gibt es ungefähr genauso viele Männer wie Frauen. Unproblematisch sei es, dass sie als Dirigentin an der Spitze der Musikkapelle stehe. Der Vorstand unterstützte sie und habe gefragt, ob sie sich vorstellen könne, diese Position zu übernehmen. „Da habe ich Ja gesagt“, berichtet Hinterholzer und klingt dabei ganz selbstbewusst.
Trotzdem zieht die junge Frau bei manchen Auftritten wie etwa zum Umzug auf dem Münchner Oktoberfest die Blicke auf sich, wenn sie der Musikkapelle Holzhausen vorangeht. Viele der Musiker und Zuhörer seien es eben noch nicht gewohnt, dass eine Frau vorne stehe, sagt sie. Was ihr habe helfe, sei ihre Schlagfertigkeit, betont sie. Die habe sie im Umgang mit Männern gelernt. Die Hauptsache als Dirigentin sei aber, dass man ein Gespür für Menschen habe. „Das ist das A und O für mich.“ Die bemühe sich streng und trotzdem locker zu bleiben. Das Gespür zu wissen, wie viel sie von den Musikern verlangen könne, sei entscheidend. In intensiven Probenzeiten wie etwa vor den Herbstkonzerten (heuer am Freitag und Samstag, 8. und 9. November) den musikalischen Fortschritt mitzuerleben, sei jedes Mal beeindruckend.
Onkel Anton ist schuld
Ganz konventionell hat Hinterholzer im Alter von fünf Jahren angefangen, Blockflöte zu lernen. Mit neun Jahren traf sie dann eine für Mädchen ungewöhnliche Wahl und entschied sich für das Baritonhorn. Meist sind die tiefen Blechblasinstrumente, zu denen es gehört, unter Buben und Männern beliebt. Doch ihr Onkel Anton, der zu dieser Zeit Vorstand der Musikkapelle in Holzhausen war, hatte sie animiert. „Ich habe mir gedacht, ich probiere das aus“, sagt Lisi Hinterholzer. Sie mache leidenschaftlich gerne Musik und sei in allem, was sie mache, ehrgeizig.
Deswegen probiert Hinterholzer wahrscheinlich gerne Neues aus, spielt zusätzlich zum Baritonhorn noch Euphonium, Alphorn und Klavier. Außerdem singt sie auch, tritt in der Tölzer Stadtkapelle und einer Geretsrieder Jazzband genauso auf wie mit der Big Band „Blech & Swing“ der Holzhauser Musikkapelle. Sogar in China hat sie schon drei Konzerte gespielt – in einer bayernweiten Auswahl des Musikbunds. Neben ihrer Berufstätigkeit als Chemikantin beim Pharmaunternehmen Roche in Penzberg drehe sich in der Freizeit praktisch alles um die Musik, sagt sie selbst. Doch gerade dadurch habe sie viele schöne Freundschaften knüpfen können. Manchmal helfe sie auch noch auf dem Hof der Familie aus. Die ist musikalisch, spielen doch alle ihre drei jüngeren Geschwister ebenfalls Instrumente.
Einfach nur mitzuspielen, reichte Hinterholzer in der Holzhauser Musikkapelle nicht. Nach dem Bronze-, legte sie auch noch das Silber- und Goldabzeichen des Musikbundes ab. Schließlich meldete sie sich 2015 für ihren ersten Dirigierkurs an. Sie erwarb die staatliche Anerkennung als Leiterin im Laienmusizieren und machte sogar noch den B-Schein, die höchste Qualifikation für Dirigenten von Laienorchestern, wie sie selbst sagt.
„Was ich leiste, ist ein Beitrag für die Dorfgemeinschaft und nichts Besonderes.“
In Holzhausen findet Hinterholzer alle als sehr offen. In dem kleinen Dorf mit unter 500 Einwohnern kenne praktisch jeder jeden. Doch von allen erfahre sie als Dirigentin großen Zuspruch. In der Musikkapelle hat sie eine Doppelrolle inne, steht schon seit 2016 an der Spitze der Jungmusikanten und hat im Vorjahr von Bernhard Ludwig Reiser den Dirigentenposten bei den Erwachsenen übernommen. Heuer sei sie gespannt, erstmals das Herbstkonzert – den jährlichen Höhepunkt der Holzhauser Musikkapelle – dirigieren zu dürfen. Das sie bis in kleine Details zeigen könne, was sie von den Musikern wolle, reize sie an dieser Position am meisten, sagt sie selbst. Und trotzdem müsse es Spaß machen. Das ist ihr wichtig. Als herausgehoben will sie sich als Dirigentin aber eigentlich gar nicht sehen. „Was ich leiste, ist ein Beitrag für die Dorfgemeinschaft und nichts Besonderes“, sagt sie.
Fotos: Benjamin Engel
