Im Gespräch mit Erfolgsautorin Hanni Münzer
„Meine Bücher haben eine klare Botschaft“
Von Andrea Weber
Ascholding, 6.10.2019 – Hanni Münzer gehört zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. Mit ihrem Buch „Honigtot“ hat sie weltweit ein Millionenpublikum erreicht. Die gebürtige Wolfratshauserin lebt mit Familie in Ascholding. Heimat, das ist für sie ein Sehnsuchtsort, und so lautet auch der gleichnamige Titel der am 1. Oktober erschienenen neuen Familiensaga über das Schicksal der schlesischen Familie Sadler zu Zeiten des aufstrebenden Nationalsozialismus. Oberland.de sprach mit der Schriftstellerin über die Bedeutung von „Heimat“.
Frau Münzer, Sie haben in Seattle, Stuttgart und Rom gelebt, und sind doch zurückgekehrt, an den Ort, wo Ihre Wurzeln liegen. Was bedeutet für Sie „Heimat“?
Es ist mehr als ein Ort, es ist ein Gefühl. Ich verbinde damit die Erinnerung, als meine Mutter mir nach der Schule Pfannkuchen buk, an den Vater, der immer für uns da war. Heimat ist der Ort, wo die Geborgenheit wohnt, wo wir aufgefangen werden. Für dieses Gefühl der Sicherheit, bin ich meinen Eltern bis heute dankbar. Und ich bin dankbar, hier im Westen geboren zu sein, in einer freiheitlichen Demokratie, in der Frauen und Männer gleichgestellt sind. Es gibt viele furchtbare Orte auf dieser Welt, Orte, wo es eine Schuld ist, eine Frau zu sein, Kulturen, in denen Frauen und Mädchen Achtung und Bildung verwehrt bleiben.
„Heimat ist ein Sehnsuchtsort“, so heißt der Titel ihres neu erschienen Buches. Es ist der erste Teil einer schicksalsreichen Familiengeschichte.
Das Buch erzählt ab 1928 die Geschichte der deutschen Familie Sadler nach, die in einem Dorf in Oberschlesien lebt. Wie in meinem Buch „Honigtot“ tragen auch hier starke Frauen die Geschichte. Annemarie, die junge Bäuerin, birgt ein gefährliches Geheimnis, das zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zusehends zur Bedrohung für die gesamte Familie wird. In der 2-teiligen, generationenübergreifenden Familiensaga passiert wieder viel Menschliches. Es geht um Liebe und Leid, um Glück und Hoffnung. Sie ist erneut eingebettet in die Zeitgeschichte. Der zweite Teil „Als die Sehnsucht uns Flügel verlieh“, ist bereits in Arbeit und wird im kommenden Jahr erscheinen.
Sie legen einen schriftstellerischen Tatendrang hin, da kann man nur Staunen. Und Sie haben ein enormes Wissen über die Zeit des Nationalsozialismus. Wie machen Sie das nur?
Der Tag hat 24 Stunden, davon schreibe ich sechs und lese vier Stunden. Ich liebe vor allem Biografien. Oftmals reicht ein einziger Satz oder ein Protagonist, der in mir eine neue Geschichte wachsen lässt. Die Ideen meiner Bücher entwickeln sich durch Lesen, Lesen, Lesen.
Die Widmung des Buches richtet sich an Ihren Großvater und an „alle, die Ihre Heimat verloren haben“. Kann man je woanders wieder Wurzeln schlagen?
Ich kann nur ansatzweise nachvollziehen, wie es sich anfühlt, alles zu verlieren, von jetzt auf gleich Haus und Hof verlassen zu müssen. Krieg ist das Schrecklichste, was es gibt. Es gibt nur Verlierer. Darum sollte man sie gar nicht erst beginnen. Meine Bücher haben eine klare Botschaft und die ist selten bequem. Die stärkste Wurzel ist für mich kein Ort, sondern die Liebe.
Kann es heute wieder zu so einer schrecklichen Zeit kommen?
Ein klares Nein. Wir haben uns zivilisatorisch weiterentwickelt. Es war damals eine andere Situation, eine andere Zeit. Der verlorene Erste Weltkrieg, die folgende Novemberrevolution, das russische Gespenst des Kommunismus, die instabile Weimarer Republik, die in den vierzehn Jahren ihres Bestehens sechzehn Regierungswechsel und sieben Kanzler verzeichnete, die galoppierende Inflation, die unerfüllbaren Forderungen des Versailler Vertrags. Die Menschen waren arm, und sie waren damals extrem obrigkeitshörig. So wurden sie erzogen. Und jene, die an die Macht strebten, waren sehr einflussreich und sie waren nicht dumm. Sie wussten, das Volk mit den richtigen Versprechungen zu locken. Entscheidend ist heute, dass wir Frauen eine andere Stellung in der Gesellschaft haben. Und wir sind viele! Wir sind in jedem Haus. Wir sind die Mutter, die Ehefrau, die Schwester, die Tochter. Wir lassen uns unsere Freiheit nicht mehr nehmen.
Inhalt: „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“
Breslau, 1928: Als der junge Komponist Laurenz Annemarie begegnet, ist es vom ersten Augenblick an Liebe. Für sie will er ein Land aus Licht und Blumen schaffen. Von Annemaries bewegter Vergangenheit und ihrem gefährlichen Geheimnis ahnt er nichts. Eine familiäre Katastrophe zwingt Laurenz, den elterlichen Hof zu übernehmen. Er, der nie Bauer sein wollte, findet sein Glück mit Annemarie an seiner Seite und zwei außergewöhnlichen Töchtern: der hochbegabten Kathi und der an einer seltenen Krankheit leidenden Franzi. Zwar stehen die Zeichen der Politik bereits auf Sturm, doch noch ist in der deutsch-polnischen Grenzregion alles friedlich. Als die fünfzehnjährige Kathi einen landesweiten Mathematikwettbewerb gewinnt, zieht sie ungewollt die Aufmerksamkeit Berlins auf die Familie. Ihre Mutter handelt, um ihre Kinder zu schützen – und tritt damit eine Lawine tödlicher Ereignisse los, die Kathis und Franzis Schicksal über Jahrzehnte bestimmen wird.
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Foto: Andrea Weber