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Kulturrettungsschirm Bayern - Protestdemo in Gelting

Musik und Appelle für mehr Unterstützung

Von Peter Herrmann

Gelting/Münsing, 2. 6. 2020 – Die aufgrund der Corona-Krise von der bayerischen Staatsregierung erlassenen Sicherheitsauflagen stellen für Künstler, Veranstalter und Solo-Selbständige eine besondere Herausforderung dar. Ein vor Kurzem erlassenes Künstlerhilfsprogramm reicht nach Ansicht der Betroffenen nicht aus, um deren berufliche Existenz zu sichern. Deshalb riefen der Kulturverein Isar-Loisach (KIL) und der Münsinger Singer-Songwriter Martin Ruhland am Pfingstsonntag zu zwei Demonstrationen auf.

Rock'n'Roll auf dem Geltinger Dorfplatz

So lud der Kulturverein Isar-Loisach  schon am Vormittag zu einer Kundgebung mit musikalischen Darbietungen in Gelting ein, zwei Stunden später folgte eine „konzertierte Aktion“ im Münsinger Ortszentrum. Bei beiden Veranstaltungen war der bürokratische und organisatorische Aufwand aufgrund der strengen Corona-Sicherheitsvorgaben hoch.

So musste der KIL für die Demo in Gelting ein Sicherheitskonzept erstellen und Stehplätze am Boden mit einem Gaffer-Tape markieren. Da die Teilnehmerzahl auf 50 beschränkt war, waren Voranmeldungen nötig. Einsatzkräfte der Polizei Geretsried kontrollierten, ob die Spielregeln eingehalten wurden. Weil die Dauer auf eine Stunde begrenzt war, kam KIL-Vorsitzende Assunta Tammelleo in ihrer Ansprache sofort zur Sache.  „Wir fordern die zum Überleben unerlässlichen Notbetriebskosten, weil wir längerfristig ein behördliches Arbeitsverbot haben!“, erklärte die Betreiberin der Kulturbühne Hinterhalt. Die Maßnahmen des vor Kurzem von der Bayerischen Staatregierung initiierten Künstlerhilfsprogramms reichen ihrer Meinung nach bei Weitem nicht aus, da Publikumsveranstaltungen bis auf Weiteres nicht kostendeckend durchführbar sind.

Zudem vermisst Tammelleo in der Corona-Krise die Unterstützung von Kommunalpolitikern. „Für uns ist es sehr entmutigend, dass niemand aus den Rathäusern der beiden Städte sich auch nur einmal nach uns erkundigt, vielleicht paar aufmunternde Zeilen geschickt oder gar angeregt hätte, dass man sich mal trifft, um vielleicht alternative Kulturformate gemeinsam zu entwickeln“, ärgert sich die KIL-Vorsitzende. Nach ihrer Rede überließ sie den Musikern die Bühne.

„Wir haben Entzugserscheinungen“, gestand Maxi Nachtmann. Der Sänger und Gitarrist nahm zwar mit seiner Band Bonny Tones eine in den sozialen Netzwerken abrufbare „Quarantine Edition“ auf. Zudem trat die Band einmal in der Livestream-Reihe der Kulturbühne Hinterhalt auf. Doch das Spielen vor Publikum, das ab dem 15 Juni wieder vor 50 Leuten (drinnen) und 100 Zuhörern (draußen) möglich ist, macht dem jungen Rock’n`Roll-Quartett deutlich mehr Spaß und generiert zudem mehr Einnahmen. Hans-Peter Huber, Mitglied der Münsinger Band Tromposaund, kann das bestätigen. „Die heutige Demonstration ist überfällig: Bei uns ist fast das ganze kulturelle Dorfleben zum Erliegen gekommen“, klagt er. Der Geretsrieder Gitarrist und Musiklehrer Titus Vollmer gab zu bedenken, dass die in den Medien groß angekündigten Künstlerhilfen zu langsam bei den Betroffenen ankommen.

„Viele Politiker schmücken sich gern mit der Kunst, verstehen aber nicht, wie sie funktioniert“, bedauert Vollmer. Wie er kam auch der in der internationalen Jazz-Szene bekannte Trompeter Florian Sagner auf den Dorfplatz. „Ich kenne Künstler, die haben in diesen zwei bis drei Monaten fast alles verloren und müssen um ihre Existenz bangen“, erklärte er.

Trommelwirbel und Protestsongs in Gelting

Als pünktlich mit dem Zwölfuhrläuten der Kirche St. Benedikt die Demo aufgelöst werden musste, machte sich Martin Ruhland schon auf den Weg nach Münsing. Denn der Singer-Songwriter organisierte dort zum ersten Mal in seinem Leben eine Demonstration und staunte nicht schlecht über das 15-seitige Auflagendokument, das es zu beachten gab. Mithilfe von Ordnern und unter Aufsicht von Einsatzkräften der Polizeiinspektion Wolfratshausen meisterte auch er die Herausforderung. Der Münsinger wünscht sich neben der Lockerung von seiner Ansicht nach überzogenen Sicherheitsmaßnahmen auch eine Ausweitung der finanziellen Soforthilfe.

„Techniker, Bühnenbauer und Roadies sind nicht in der Künstlersozialkasse (KSK) und dürfen daher keine Ansprüche geltend machen“, bedauert er. So können Solo-Selbstständige, die in der KSK versichert sind, für den Zeitraum von drei Monaten eine Zahlung von 1.000 Euro monatlich beantragen. Marlene Bernau, eine freischaffende Mentaltrainerin, hält dies für zu wenig und warb in Münsing sogar für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Mit Auftritten der Münchner Formation The Drum!Power, die auf Stahlleitern musizierten, sowie Protestsongs von Hank Davison endete die Demonstration. Neuauflagen sind laut Aussagen der Veranstalter nicht ausgeschlossen.

Fotos: Peter Herrmann


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