Oberland.de Buchvorstellung: "Sehnsucht Starnberger See"
Über Zäune und hinter Fassaden geschaut
Rezension von Andrea Weber
Starnberger See, 23.2.2021 – Der Starnberger See ist nicht nur wegen seiner einzigartigen Lage im Voralpenland mit dem Richtung Süden ausgerichteten freien Blick zur Bergkette ein beliebtes Ausflugsziel. Wandert man entlang der Uferpromenaden und -spazierwege, dann entdeckt man rund um den See architektonische Kostbarkeiten aus unterschiedlichen Epochen. Die Journalistin und Autorin Katja Sebald hat sich auf den Weg gemacht, um die Geschichten der herrschaftlichen Landhäuser und Villen und deren Besitzer zu erfahren. „Sehnsucht Starnberger See“ ist ein Porträt-Bildband aus der Kulturgeschichte des Fünfseenlands, neu erschienen beim Allitera Verlag.
„Villen und ihre berühmten Bewohner im Porträt“ lautet der Untertitel des spannend und informativ geschriebenen Bildbands. Es sind schicksalsträchtige Geschichten von wohlhabenden Menschen – Künstler- oder Fabrikantenfamilien – die sich solche opulenten Anwesen, nahe oder gar mit direktem Zugang zum See, leisten konnten. Es ist ein Bildband zum darin Schmöckern bei einer gemütlichen Tasse Kaffee. In kurzen Episoden lässt es sich beim Lesen eintauchen in die Welt der Schönen und Reichen. Die insgesamt 44 beschriebenen und reichlich bebilderten Porträts der Villen sind den entsprechenden Gemeinden zugeordnet und im Inhaltsverzeichnis im Überblick dargestellt. Berühmte Häuser wie etwa die Villa Bonsels oder die Seeburg in Münsing. Das Buchenhaus in Tutzing, die Villa Knorr in Pöcking oder das berühmte Seehaus Böhler in Starnberg. Die Autorin Katja Sebald hat intensiv recherchiert und sich intime Einblicke in die Geschichte dieser Anwesen verschafft. Ihre Porträts ermöglichen einen persönlichen Blick in das Leben der damaligen Sommerfrischler. Sie schreibt in ihrem Vorwort: „War der sommerliche Aufenthalt auf dem Land einst dem Adel vorbehalten, so verbrachten spätestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch das Münchner Großbürgertum die Sommermonate vor den Toren der Stadt. Später seien es die sogenannten „Zuagroasten“, die sich eine Residenz am See leisten konnten. Vor allem aber sei das Buch „ein Geschichtenbuch, das aus Neugier entstanden ist, einmal hinter Hecken und Fassaden zu blicken“, schreibt die Autorin.
Besondere Bauwerke
Ein Beispiel aus den 44 Villen-Porträts ist das Seehaus Böhler. Es ist ein rustikales Landhaus mit Sprossenfenstern, Holz- und Natursteinfassade. Das Sommerhaus wurde 1865 mit Terrasse, Steg, einer Badehütte und einem Bootshaus für den Münchner Kaufmann Karl Prestele gebaut. Schon zwei Jahre später wurde es von König Ludwig II für den Komponisten Richard Wagner angemietet. Es wechselte fortan mehrmals den Besitzer. Aber lesen Sie selbst, welche Freigeister, Künstler, Kaufleute und Literaten sich in den letzten gut 150 Jahren im Anwesen tummelten.
Die Seeseiten in Seeshaupt ist ein opulentes Schlösschen im Spätklassizismus mit weitläufigem Park. Katja Sebald beginnt das Porträt über dieses herrschaftliche Anwesen mit den Worten: „Wenn Höhenried der Gipfel des neureichen Bauens am Starnberger See war, dann ist Seeseiten der Kulminationspunkt des stilvollen Lebens am Land.“ Natürlich hat auch dieses Schlösschen hinter seiner auffallend quergestreiften Fassade eine lange Geschichte und zahlreiche Besitzer zu bieten. Jeder nutzte das Anwesen auf seine Art. So zum Beispiel Rudolf von Simolin, laut Sebald, ein Mann größter Bildung und Kulturverständnisses. Er war ein Kunstsammler, ein Liebhaber der Literatur und hatte „ein Faible für moderne Möbel der Vereinigten Werkstätten“, schreibt Sebald. Von Simolin war mit zahlreichen geachteten Kunstschaffenden befreundet, darunter auch Verleger Reinhard Piper und Dichter und Architekt Alexander Schröder. Der habe ihm „ein Arbeitszimmer mit dem schönen großen Bücherschrank entworfen, (…)“, weiß Sebald zu berichten.
44 solcher spannend und gut recherchierten Geschichten um die opulenten Villen rund um den Starnberger See präsentiert die Autorin in ihrem Buch. Durch zahlreiche historische und aktuelle Fotografien bekommt der Leser ein Bild von dem jeweiligen Bauwerk und seine Besitzer. Dieses Porträt-Bildband ist wie ein Spaziergang durch die Zeit- und Kulturgeschichte des größten aller Seen aus dem Fünfseenland. Lesenswert, informativ und mit ganz persönlichen Einblicken hinter die Gartenzäune der wohlhabenden Sommerfrischer von einst bis heute.
Die Autorin
Katja Sebald schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Sie ist staatlich geprüfte Übersetzerin für Italienisch. Sie studierte Kunstgeschichte und Bayerisch Kirchengeschichte, Neuere Deutsch Literatur und Italienische Philologie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München.
„Sehnsucht Starnberger See“ ist erhältlich beim Allitera Verlag unter: https://www.allitera-verlag.de/shop/
Fotos: Jörn Kachelriss, Ulrike Myriz, Allitera Verlag









