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Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald und Historischer Verein Wolfratshausen

Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald und Historischer Verein Wolfratshausen

Gedenken mit Geigen und Götterfunken

Von Peter Herrmann

Wolfratshausen, 13.5.2022 – 1933 verbrannten Nationalsozialisten in vielen deutschen Städten die Bücher von regimekritischen Schriftstellern. 89 Jahre später erinnerten verfolgte Autoren aus verschiedenen Ländern sowie Schüler in der Wolfratshauser Loisachhalle an diesen Frevel und zeigten zudem aktuelle politische Bezüge auf.  Zu dem vom Historischen Verein und den „Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald" in Zusammenarbeit mit der Stadt Wolfratshausen organiserten Gedenkabend kamen rund 400 Besucher. Der Erlös aus dem Verkauf von Tickets, Speisen und Getränken kommt dem Erinnerungsort Badehaus zugute.

Hilferufe aus der Ukraine

Als die Grundschülerin Lotta Fischer zur Eröffnung des Abends auf der Geige das Lied „Maikäfer flieg“ anstimmte, Seifenblasen in die Luft stiegen und Hörfunksprecher Jürgen Jung den Satz „Ukrainerland ist abgebrannt“ sang, werteten dies viele Besucher als Zeichen für (vorerst) geplatzte Friedensträume. Angesichts des straffen Programms hielt sich Badehausvorsitzende Dr. Sybille Krafft nicht mit langen historischen und politischen Betrachtungen auf, sondern überlies zunächst der Realschule Geretsried die Bühne. Die von Gabriele Rau geleitete Chorklasse interpretierte den Ukraine-Hilferuf „You raise me up“ und hielten dabei Friedenstafeln hoch. Eine Steilvorlage für die geflüchtete Lehrerin Oksana Semenova und ihre Tochter Darina: Nachdem die Mutter einen Textauszug aus dem Werk der bekannten ukrainischen Schriftstellerin Oksana Sabuschko vorgelesen hatten, spielte ihre Tochter auf der Bandura – einer ukrainischen Lautenzither – zwei Volkslieder. Das gefiel auch dem Schirmherren Dr. Wolfgang Heubisch. Der Vizepräsident des bayerischen Landtags kam auf die Bühne, um die deutsche Übersetzung eines Textes von Sabuschko zu lesen.

Starke Stimmen aus dem Exil

Die zehnte Klasse der Wolfratshauser Isar-Loisach-Realschule stellte daraufhin mit Videoeinspielungen die bereits 1921 in England gegründete Schriftstellervereinigung PEN vor. Im Rahmen des Programms „Writers in Exile“ vergibt die Organisation Stipendien, damit verfolgte Autoren im Ausland leben und schreiben können. Dazu gehört auch Yirgalem Fisseha Mebrahtu aus Eritrea. Sie berichtete in ihrem Kurzbeitrag über ihre schmerzhaften Gefängnisaufenthalte in dem erst seit 1993 unabhängigen afrikanischen Staat. Nicht minder bedrückend sind die Verhältnisse in Nordkorea, das in einer vom Journalistenverband herausgegebenen Rangliste der Pressefreiheit den 180. und letzten Platz belegt. Jae-Hyun Yo, ein mittlerweile in Bairawies lebender Freund des nordkoreanischen Künstlers Sun Mu, berichtete über dessen Flucht aus der Diktatur. Nach einem Tanzbeitrag der siebten Klasse der Wolfratshauser Mittelschule und einem von Pauline Bittner geführten Interview mit der iranischen Exilautorin Ayeda Alavie gönnten die Veranstalter den Besuchern eine halbstündige Pause, um das Gehörte und Gesehene zu verarbeiten.

Der 2017 von Flüchtlingen in München gegründete Syrische Friedenschor leitete danach über zur Krisenregion Kurdistan. Das Schriftsteller-Ehepaar Anisa Jafari Mehr und Jihar Jahan Fard erinnerte an Flugzeugangriffe der türkischen Besatzer und vielfältige Entbehrungen. Das Schreiben von Büchern hilft ihnen dabei, das Erlebte zu verarbeiten. „Der Tod der Sprache wäre der Tod der Gefühle“, betonte Fard. Mit Bildern erregt die afghanische Fotografin Roya Heydari Aufsehen. Da keine Ausreisegenehmigung aus ihrem Exil in Paris vorlag, erklärte Badehaus-Vizevorsitzender Jonathan Coenen ihre Fotos. Es folgten kämpferische Reden der türkischen Autorin Nazli Karabiyikoglu, die 2013 die gewaltsame Neiderschlagung von Protesten im Istanbuler Gezi-Park hautnah miterlebt hatte, sowie eine Videoeinspielung der weißrussischen Schriftstellerin Volha Hapeyeva.

Zwischendurch zeigten Jugendliche der Beruflichen Oberschule Bad Tölz eine Multimedia-Performance zum Thema Verfolgung, und Geretsrieder Gymnasiasten präsentierten ein Online-Interview mit dem syrischen Rapper Amer Wakka. Dazu passte die englische Lesung der aus Uganda stammenden Autorin Stella Nyanzi, die im Stile einer Poetry Slammerin die Missstände in ihrer Heimat anprangerte. „Hier in Deutschland ist zwar vieles besser, aber ich vermisse das Leben in Afrika“, räumte sie ein. Nachdem die Besucher so vieles über Leid, Unrecht und Vertreibung erfahren hatten, fand der Syrische Friedenschor einen mutmachenden Abschluss. Gemeinsam mit dem Publikum und allen Beteiligten sangen die Musiker die Europa-Hymne „Freude schöner Götterfunken“.

Fotos: Peter Herrmann


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