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Erinnerungsort Badehaus, Wolfratshausen-Waldram

Todesmarsch bleibt unvergessen

Von Peter Herrmann

Wolfratshausen-Waldram, 30.4.2019 – Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielten sich im Oberland schlimme Szenen ab: Mehrere Tausend KZ-Häftlinge aus Dachau und seinen Außenlagern wurden auf einen qualvollen Evakuierungsmarsch in Richtung Süden gezwungen. Tausende starben dabei an Entkräftung oder wurden von Wachmannschaften ermordet. Einige der Überlebenden fanden im Lager Föhrenwald, dem heutigen Waldram, eine vorübergehende Bleibe. Grund genug für den Historischen Verein Wolfratshausen, den Verein Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald und das Museum der Stadt Geretsried, im Erinnerungsort Badehaus einen Gedenkabend zu veranstalten.

Wichtige Mahnmale

„Dieser Ort hat einen unmittelbaren Bezug zum Todesmarsch“, erklärte Dr. Sybille Krafft. Die Vorsitzende des Vereins Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald verwies darauf, dass einige Überlebende im damaligen Lager Föhrenwald ihre ersten Tage in Freiheit erlebten.

Dass die damaligen Ereignisse nicht in Vergessenheit gerieten, ist auch dem Geretsrieder Andreas Wagner zu verdanken. Der heutige Bundestagsabgeordnete der Linken sammelte schon in seiner Jugend umfangreiche Dokumente und veranstaltete 1993 für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) die erste Todesmarsch-Gedenkveranstaltung im Landkreis.

„Später schlossen sich auch die Linke, die Grünen und andere Parteien an“, berichtete der Wolfratshauser Stadtrat Dr. Hans Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen). Die Treffen fanden jeweils vor einem der insgesamt 24 Todesmarsch-Mahnmale statt, die der Bildhauer Hubertus von Pilgrim Ende der 1980er-Jahre entworfen hatte. Vor einem Jahr stellte der ehemalige Gautinger Bürgermeister Dr. Ekkehard Knobloch dem Badehaus das Modell als Exponat zur Verfügung. Am Sonntagabend wurde es einer Vitrine auf der Bühne im Obergeschoß gezeigt. Rund 100 Besucher kamen zur Veranstaltung.

Zeitzeugen berichten

„Waldram-Föhrenwald ist die Schnittmenge der Geschichte von Geretsried und Wolfratshausen“, erklärte Anita Zwicknagl vom Geretsrieder Kulturamt. Für das Museum Geretsried und den Arbeitskreis Historisches Geretsried sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, für den Gedenkabend seltene Fotos herauszusuchen.

Gezeigt wurde ein Schwarz-Weiß-Bild eines Massengrabes von Todesmarsch-Opfern in Geretsried Stein. Geschichtsstudent Emanuel Rüff wies in einem beeindruckenden historischen Vortrag nach, dass es auch in einem zwischen Achmühle und Bolzwang gelegenen Waldstück zur Erschießung von Häftlingen kam. Überlebt haben der damals 16-jährige polnische Jude Jack Adler und die 2014 verstorbene Jüdin Channa Birnfeld. In einer Film-Collage, die Sybille Krafft und Rüdiger Lorenz vor einigen Jahren aufnahmen, kamen beide zu Wort. „Wer zu erschöpft war, um weiterzugehen, wurde erschossen“, erzählte Adler. Aufgeben war für die 1924 geborene Channa Birnfeld aber keine Option. Die Befreiung durch amerikanische Soldaten konnten sie und ihre Leidensgenossen zunächst gar nicht fassen. „Wir waren in Folge von Hunger, Kälte und Angst so apathisch, dass wir uns im ersten Moment nicht einmal freuen konnten“, beschrieb sie ihre Erlebnisse.

Otto-Ernst Holthaus war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Der spätere Gründer des Isar-Kaufhauses in Wolfratshausen und Geretsried beobachtete damals mit einem Freund die durch Grünwald ziehenden Häftlinge. „Wir sind um sieben Uhr morgens rausgegangen und haben versucht, ihnen einen warmen Malzkaffee zu reichen oder Brot zuzuwerfen“, erzählte der Zeitzeuge. Ein gefährliches Unterfangen, denn die SS-Männer waren streng. „Sie haben uns gewarnt: Gebt ihnen nichts, das sind alles Kriminelle“, berichtete Holthaus. Später setzte sich der Unternehmer für das Aufstellen von Todesmarsch-Mahnmalen ein und besuchte verschiedene Schulen, um junge Menschen zu sensibilisieren.

Foto: Peter Herrmann


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