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Willi Sommerwerks musikalische Zeitreise in der Loisachhalle Wolfratshausen

Zuhörern wird warm ums Herz

Von Susanne Hauck

Wolfratshausen, 1.3.2018 – Willi Sommerwerk beamte das Publikum zurück ins Jahr Eins der Bundesrepublik. Er präsentierte ein musikalisch-historisches Destillat der Jahre 1949 bis 1968 und verknüpfte geschickt Welt- und Lokalgeschichte mit den für die damalige Zeit typischen Liedern. So verdichtet, lassen die Hits von einst tief blicken.

Viel Weltschmerz nach dem verlorenen Krieg steckt noch in den ersten Liedern der Nachkriegszeit, wie „Spiel mir eine alte Melodie“, im Original gesungen von Rita Paul. In den 1950er Jahren spiegelt sich die Sehnsucht der Deutschen nach einem Neuaufbruch, nach Reisen ins Ausland in den Hitparaden wieder – vom Cajun-Song „Jambalaya“ (Hank Williams) bis zu „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ (René Carol). Aber auch der gebürtige Wiener Franz Eugen Helmut Manfred Nidl-Petz startete damals seine Gesangskarriere, erzählt Sommerwerk. Freilich nicht unter seinem Geburts-, sondern unter dem Künstlernamen „Freddy Quinn“.

Weltschmerz, Italien-Sehnsucht, Rock’n‘Roll

Liedermacher Willi Sommerwerk, den viele auch wegen seiner Reinhard-May-Interpretationen mögen, bestreitet den Abend nur mit seiner Gitarre und seiner Stimme. Toll, wie ihm der Spagat gelingt, seine eigene musikalische Note zu wahren und trotzdem den Esprit jedes Songs und des Original-Sängers einzufangen. Mal klingt er voll und dunkel ganz wie Harry Belafonte, mal ölig wie Elvis Presley, mal hoch und weich wie „Simon und Garfunkel“.

Ganz wie Sommerwerk erlebte wohl auch ein Großteil der Zuhörer seine Jugendzeit in den 1960er Jahren, denn beim Tangoschlager „Tanze mit mir in den Morgen“ (Gerhard Wendland) singen alle begeistert den Refrain mit und den größten Applaus erhält „Weine nicht, wenn der Regen fällt“ (Drafi Deutscher). In der Pause serviert Sommerwerks Frau Antonie „Kalten Hund“. Der nostalgische Keks-Schoko-Kuchen ist eine nette Geste, die gut ankommt.

Dass es auf dieser Zeitreise ganz schön zapfig wurde, dafür konnte der Geretsrieder Liedermacher nichts: die Heizung im Foyer der Loisachhalle war angesichts der zweistelligen Minustemperaturen draußen zu schwach. Selbst die wohlig-warmen Wolken, die in der Pause aus dem schnell aufgestellten Heizlüfter bliesen, waren bald verflogen. Das Konzert gefiel den rund 50 Zuhörern aber auch in Schal und Mantel.

Fußball-Weltmeister kehrten im Haderbräu ein

Zwischen den 20 Liedern des Abends erzählt Sommerwerk mit seiner ruhigen, unaufgeregten Art aus der Historie. Aufbaujahre, Wirtschaftswunder, Studentenunruhen ziehen vorbei, ebenso wie Adenauer, Kennedy, Breschnew. Geschickt pickt der Künstler immer wieder Skurriles aus der Zeitgeschichte heraus, was beim Publikum die größten Reaktionen hervorruft: etwa, dass es noch 1955 einer Frau gerichtlich verboten wurde, etwas vom Haushaltsgeld für sich selbst zu verwenden. Oder dass im Jahr 1963 Joghurt erstmals im Wegwerfbecher verkauft wurde: „Und heute ersaufen wir im Plastikmüll“, kommentierte Sommerwerk.

Sommerwerk dankte den beiden Wolfratshauser Urgesteinen Hans Reiser und Otto Holthaus – die beide anwesend waren – dafür, dass sie ihm so viel erzählt hatten. Denn Sommerwerks Zeitreise umfasste auch historische Ereignisse aus der Loisachstadt, die nicht mehr frisch im Gedächtnis sind: Ende der 1940er gab‘s den beliebten Eisweiher mit Musik,  1955 wurde das „AB“ im Nummernschild durch „WOR“ ersetzt, 1966 eröffnete das erste Landkreiskaufhaus mit Restaurant „Flößerstube“, 1968 bekam Wolfratshausen seine eigene Autobahnabfahrt. Vielleicht das größte Highlight war der Besuch von Sepp Herberger und seiner Fußball-Weltmeistermannschaft. Sie kehrten 1955 zum Mittagessen im „Haderbräu“ ein.


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