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Der Strom der Zeit - 100 Jahre Wasserkraft aus der Isar

Wasserkraftwerk Mühltal

Von Bettina Sewald

Isartal, 27.9.2022, red. - Das Wasserkraftwerk Mühltal bei Straßlach liefert Strom für rund 17 000 Haushalte. Und zwar seit fast 100 Jahren. Die denkmalgeschütze Anlage hat gleichzeitig eine hochaktuelle Aufgabenstellung, einen hohen geschichtlichen Wert und ist zudem eine beliebte Freizeitattraktion: Hier sausen Ausflügler mit rund 40 km/h die mit 306 Metern längste Floßrutsche Europas herunter. In dem klassizistischen Gebäude nebenan produzieren drei Turbinen mit je 6200 Pferdestärken den Strom, der die Haushalte im Umkreis mit umweltfreundlicher Energie versorgt. Gerade in der heutigen Zeit, erscheint das wichtiger denn je.

Deutliche Leistungssteigerung

Das Laufwasserkraftwerk Mühltal wurde 1924 in Betrieb genommen und im Jahr 1997 komplett modernisiert und optimiert. Die Anlage ist heute im Besitz des finnisch-deutschen Konzerns Uniper, der 2016 aus einer Abspaltung von E.ON hervorgegangen ist. Uniper-Pressesprecher Theodoros erzählt: „Der Umbau 1997 hat eine deutliche Leistungssteigerung gebracht, es kam dabei nur modernste Leittechnik zum Einsatz.“ Das Resultat: Mit einer installierten Leistung von 11,2 Megawatt versorgt das Kraftwerk Mühltal jährlich rund 17.000 durchschnittliche Privathaushalte mit umweltfreundlichem Strom aus Wasserkraft. Die klassizistische Architektur seines Rechen-, Maschinen- und Hochvolthauses steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Reumschüssel zitiert nicht ohne Stolz: „In dem Eintrag der Denkmalschutzbehörde heißt es: „ (…) repräsentatives, landschaftlich eindrucksvoll eingebundenes Wasserkraftwerk in Formen eines reduzierten Klassizismus (…).“

In der Schaltwarte befinde sich darüber hinaus ein symbolträchtiges Deckengemälde, das 1997 freigelegt und restauriert wurde. Der Pressesprecher weiß: „Gottlob Gottfried Klemm, ein Schüler von Franz Stuck, griff dafür die griechische Mythologie auf.“ Es handle sich um eine Windrose, welche die Himmelsrichtungen anzeigt, gruppieren sich vier bekannte Figuren: Der Meeresgott Poseidon, der blitzschleudernde Göttervater Zeus, der Herr der Winde Aiolos sowie der Sonnengott Helios. Sie stehen als Sinnbilder für Wasser, Kraft, Energieerzeugung und -verteilung.

„Wir können nur Strom machen, wenn Wasser fließt."

Doch nur mit Wasserkraft gehe es, so Reumschüssel, leider nicht: „Den Stellenwert von verschiedenen Arten der Stromerzeugung messen wir an dem sogenannten energiewirtschaftlichem Dreieck aus Preis, Umwelt und Versorgungssicherheit.“ Die beiden ersten Punkte würde Wasserkraft zwar gut erfüllen. Aber die Versorgungssicherheit könne allein durch Wasserkraft nicht  geleistet werden. Der Konzern-Sprecher erklärt: „Wir können nur Strom machen, wenn Wasser fließt. Um eine durchgehende Strom-Lieferung und damit Versorgungssicherheit zu garantieren, braucht es deshalb den Energiemix mit Stromerzeugung aus verschiedenen Technologien.“ Trotzdem ist er mit dem Wasserkraftwerk Mühltal sehr zufrieden und spricht von einem ausgezeichneten „Erntefaktor“. Reumschüssel: „Der Erntefaktor beschreibt echte Nachhaltigkeit. Er beschreibt den Faktor von gewonnene Energie einer Anlage ihre Lebenszeit in Bezug aufdie Energie, die ihre Errichtung verbraucht hat.“ Und weiter: „Der Erntefaktor des Mühltalkraftwerk ist sehr hoch“ Das Laufwasserkraftwerk ist ein sogenanntes Ausleitungskraftwerk und macht seinen Job an dieser Stelle seit immerhin einem Jahrhundert.

Es nützt das Wasser der Isar für eine jährliche Stromerzeugung von rund 75 Millionen Kilowattstunden, das ihm über den 7,3 Kilometer langen Mühltalkanal zugeführt wird. Dieser zweigt beim Wehr in Icking von der Isar ab und führt 90 Kubikmeter pro Sekunde. Damit im Kraftwerk Mühltal eine wirtschaftlich rentable Fallhöhe erreicht wird, erhebt sich der Kanal langsam über die ursprüngliche Geländehöhe. So liegt der Wasserspiegel am Kraftwerk Mühltal rund 17 Meter höher als im natürlichen Flussbett der Isar an dieser Stelle. Reumschüssel erklärt weiter: „Für den Kanal war die Anlage von wasserdichten Dämmen unverzichtbar. An seinen Seiten entstanden große Flächen sonnenverwöhnter Hänge.“ Das hätte quasi Logenplätze für viele sonnenhungrige Pflanzen-Arten wie Hummel-Ragwurz , Karthäuser-Nelke oder der Schneeheide geschaffen.

Der 2006 aufwändig sanierte Kanal verläuft in den Gemeinden Icking, Schäftlarn und Straßlach-Dingharting und endet beim Wasserkraftwerk Mühltal. Beim Isarwehr bei Baierbrunn mündet der Mühltalkanal wieder in die Isar. Bei Flusskilometer 162,4, etwa in Höhe von Buchhain zweigt ein weiterer Isar-Werkkanal von der Isar ab. Dieser Kanal speist die Kraftwerke Höllriegelskreuth und Pullach. Er ist zwölf Kilometer lang. Nach den Kraftwerken Höllriegelskreuth und Pullach geht der Kanal in den Besitz der Stadtwerke München über.

UNIPER – Finnisch-deutscher Energieriese im Oberland

Seit 2016 betreibt die börsennotierte Gesellschaft Uniper SE im Oberland die Wasserkraftwerke Mühltal und Pullach. Der Konzern entstand 2016 durch die Abspaltung der konventionellen Stromerzeugung aus Kohle, Gas, Wasserkraft und des globalen Energiehandels von E.ON. Seit März 2020 gehört Uniper mehrheitlich dem finnischen Energiekonzert Fortum. 2022 kam es zu einer Geschäftskrise im Zusammenhang mit russischen Gaslieferungen. Verschiedene Modelle von Stabilisierungsmaßnahmen werden aktuell diskutiert. Insgesamt ist Uniper in Deutschland mit einer Ausbauleistung von knapp 2.000 Megawatt der größte deutsche Erzeuger regenerativen Stroms aus Wasserkraft. Vor allem an Main, Donau, Lech und Isar betreibt Uniper mehr als 100 Laufwasser-, Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke.

Diese Kraftwerke erzeugen zusammen jährlich rund fünf Milliarden Kilowattstunden – eine Strommenge, die ausreicht, den Jahresbedarf von über 1,6 Millionen privaten Haushalten zu decken und Emissionen von rund 2,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zu vermeiden.

Das bedarfsgerechte Zusammenspiel der Kraftwerke wird von einer Zentralwarte am Unternehmenssitz der deutschen Wasserkraft in Landshut gesteuert. Der Firmensitz befindet sich in Düsseldorf. Der Konzern hat rund 11.500 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von rund 160 Milliarden Euro. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter ist in Deutschland beschäftigt. Uniper als Energieversorger setzt auf Wasserkraft, ist jedoch auch an drei Atomkraftwerken in Finnland und Schweden und an Kohlekraftwerken in Russland beteiligt.
 
Weitere Informationen gibt es unter youtu.be/luX-hw085aI ebenso wie auf der Webseite www.uniper.energy/de/deutschland/kraftwerke-deutschland/kraftwerksgruppe-isar.

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