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Die Pandemie-Bekämpfer aus Penzberg

Penzberg

Von Torben Lauridsen

Penzberg, 25.10.2022 – Nicht erst seit Corona ist es eine Frage von weltweiter Bedeutung: Wie lassen sich der Ausbruch neuer und die Verbreitung bestehender Infektionskrankheiten eindämmen oder verhindern? In den neuen Fraunhofer-Laboren bei Roche in Penzberg gehen Forscher genau dieser Frage nach. Wie die Arbeiten seit der Eröffnung im Mai vorangekommen sind, an welchen Themen aktuell gearbeitet wird und welche Ergebnisse bis jetzt erreicht wurden, darüber informierten sich kürzlich Bundestagsabgeordnete bei einem Laborrundgang.

Im Mai 2022 hat das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) einen neuen Standort mit Laboren in den Räumen der Roche Diagnostics GmbH im Penzberger Nonnenwald bezogen. Hier arbeiten aktuell neun Forscher, vier weitere sind im Einstellungsverfahren und noch acht weitere Stellen sind ausgeschrieben. Gerade ist ein eigenes Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Roche Werksgelände im Bau, der voraussichtlich bis 2025 abgeschlossen werden soll. Dann werden zirka 100 bis 120 Mitarbeiter in den Laboren tätig sein. Die Errichtung des eigenen Gebäudes für den neuen Fraunhofer-Standort wird etwa 80 Millionen Euro kosten, von denen der Bund und der Freistaat Bayern jeweils die Hälfte tragen.

Die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. (kurz: Fraunhofer) ist eine öffentlich geförderte Vereinsstruktur, bestehend aus mehr als 80 Forschungseinrichtungen, davon 76 Instituten, an mehr als 40 Standorten in ganz Deutschland. Sie ist die größte Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa mit rund 30.000 Mitarbeitern und hat ein jährliches Forschungsvolumen von zirka drei Milliarden Euro. Über 70 % des Volumens erwirtschaftet Fraunhofer mit Aufträgen aus der Industrie und mit öffentlich finanzierten Forschungsprojekten.

Translationale (das heißt übersetzende oder umsetzende) Gesundheitsforschung sind Aktivitäten und Maßnahmen, die sich genau mit der Umsetzung von Forschungsergebnissen aus Medizin und Gesundheitswissenschaften in der Gesundheitsversorgung befassen.

Infektionskrankheiten bekämpfen

Das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie (ITMP) mit bundesweit fünf Standorten arbeitet an der Entwicklung von Interventionen, um den Ausbruch neuer und die Verbreitung bestehender Infektionskrankheiten zu bekämpfen. Darüber hinaus arbeitet man daran, die Therapie von Infektionen und ihren immunologischen Folgeerkrankungen zu verbessern.

Unbekannte Viren und Bakterien früher identifizieren

Am jüngsten Standort Penzberg kooperiert Fraunhofer ITMP mit den Partnern Roche Diagnostics GmbH und dem Klinikum der LMU München. Das gemeinsame Ziel der Partner ist es, bisher unbekannte Viren und Bakterien (sogenannte pandemische Erreger) früher zu identifizieren und zu charakterisieren, um schneller neue Diagnosen und Therapien zu entwickeln. Unter dem Begriff „Pandemic Preparedness“ geht es darum, vorbereitet zu sein auf neue Pandemien. Außerdem geht es darum, die Reaktionen des menschlichen Immunsystems bei Infektionserkrankungen besser zu verstehen. Denn für Immunerkrankungen gibt es derzeit noch keine Heilung, sondern nur symptomatische Therapien, bei denen man das Immunsystem entweder aktiviert oder hemmt.

Neue Diagnosen und Therapien entwickeln

Durch die Partnerschaft zwischen Fraunhofer ITMP, Roche Diagnostics und dem Klinikum der LMU soll eine Synergie erreicht werden, die die Dauer verkürzt zwischen Forschung, Entwicklung und Anwendung beim Patienten. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung und Erprobung neuer Diagnostika, neuer antiviraler und immunverstärkender oder -hemmender Medikamente, sowie aktiver und passiver Impfstoffe. Letzteres kennt man zum Beispiel als Impfung gegen Covid-19. Auch die Entwicklung neuer Geräte und technischer Lösungen zur Unterbrechung von Infektionsketten ist ein wichtiges Thema für die Eindämmung von Infektionswellen.

Internationale Zusammenarbeit und Analyse von großen Datenmengen

In der Forschung und Entwicklung sind immer Daten und deren Qualität und korrekte Auswertung von höchster Bedeutung für den Wert und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Weil Infektionskrankheiten, die irgendwo auf der Welt lokal entstehen, sich rasend schnell weltweit ausbreiten können, ist eine internationale Zusammenarbeit sehr wichtig. Deshalb ist die Analyse von großen, weltweit eingesammelten Datenmengen („Data Science“ angewandt auf „Big Data“) von zentraler Bedeutung für den neuen ITMP Standort. Und er ist tatsächlich auch die zentrale Stelle in einem Netzwerk weiterer internationaler Kooperationspartner für gemeinsame Ringversuche in einer sogenannten Ringtestinfrastruktur. Das soll unter anderem eine hohe Datenqualität in Bezug auf Validität und Zuverlässigkeit sichern.

Wie die Forschungsarbeiten seit der Eröffnung im Mai vorangekommen sind, an welchen Themen aktuell gearbeitet wird und welche Ergebnisse bis jetzt an den Fraunhofer-Laboren in Penzberg erreicht wurden, dazu waren Alexander Dobrindt, MdB, Katrin Staffler, MdB, sowie die Presse am 24.10.22 zu einem Informationstermin mit Laborrundgang am neuen Standort eingeladen.

Die Stärke von Fraunhofer ist die schnelle Übersetzung – Translation – von Erfindungen in der Forschung zu Innovationen in der Anwendung beim Patienten

Prof. Gerd Geisslinger, Institutsleiter Fraunhofer ITMP des Standorts Frankfurt, gab einen Überblick über die aktuellen Pharma Mega-Trends und Herausforderungen hinsichtlich der kommenden acht Jahre. Da wären zum Beispiel der Preisdruck auf das Gesundheitssystem, der Trend zum integrierten Gesundheitsmanagement mit Prävention und Heilung statt Therapie, sowie der Trend zu individuellen Präventions- und Therapielösungen. Die Rolle und die Stärke von Fraunhofer ist vor diesem Hintergrund eben die schnelle Übersetzung – Translation – von Erfindungen in der Forschung zu Innovationen in der Anwendung beim Patienten. Dabei sei das Fraunhofer 4D-Konzept in der transdisziplinären Forschung einzigartig, und zwar durch die Vernetzung von „Drugs“, „Devices“, „Diagnostics“ und „Data“ aufgrund der Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlern, Ingenieuren, Informatikern und Ärzten.

Standortleiter Penzberg/München, Prof. Michael Hoelscher, Fraunhofer ITMP, der zugleich Direktor der Abteilung Infektions- und Tropenmedizin am LMU-Klinikum in München ist, berichtete über den Status der Projekte, die in Arbeit sind, und solche, die noch in Vorbereitung sind mit zwei nicht namentlich genannten Unternehmen. Im Fokus der bisherigen Ergebnisse lagen ihm zufolge die Kooperation im Aufbau des globalen Netzwerkes für Qualitätskontrolle, die Ringtestinfrastruktur, die gemeinsamen Ringversuche, die zentrale Datenbank, die Entwicklung von „Point of Need“-Testsystemen sowie Projekte zur Verbesserung der Diagnostik.

Alexander Dobrindt sagte weitere Unterstützung zu

Anschließend dankten Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU im Bundestag, und Katrin Staffler, MdB, Stellvertretende Vorsitzende der CSU im Bundestag, beiden für die Ausführungen und lobten die Ergebnisse. Sie betonten den großen Nutzen der Aktivitäten des neuen Fraunhofer ITMP Labors — auch für die Region und den Standort Penzberg – und sagten weitere Unterstützung für den zukünftigen Ausbau zu. Man werde von der Politik aus die Entwicklung eng begleiten, schließlich trage man eine gesellschaftliche Verantwortung.

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