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Landwirtschaftsschule Holzkirchen

Heimische Landwirtschaft den Verbrauchern näherbringen

Holzkirchen, 19.8.2020 – Bereits zum zweiten Mal haben sich Studierende der Landwirtschaftsschule Holzkirchen mit Schülern des staatlichen Gymnasiums Holzkirchen zum gemeinsamen Dialog getroffen. Ziel dabei war es, den Schülern des Gymnasiums, die sich in den Ferien Zeit genommen hatten, einen Einblick in einen landwirtschaftlichen Betrieb zu geben und Missverständnisse zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern zu thematisieren.

In seiner Begrüßung hob Rolf Oehler, Behörden und Schulleiter der Landwirtschaftsschule Holzkirchen, die einzigartige landwirtschaftliche Struktur in der Region hervor. Im bayernweiten Vergleich sei diese durch verhältnismäßig kleine Betriebe gekennzeichnet. Auch nehme die Anbindehaltung in der Milchviehhaltung einen hohen Prozentsatz ein. Durch zunehmenden Druck der Gesellschaft und des Lebensmitteleinzelhandels, der wiederrum den Druck auf die Molkereien weitergibt, seien immer mehr Betriebe dazu gezwungen, in größere Laufställe zu investieren. Diese benötigen bei gleicher Kuhzahl einen dreifachen Platzbedarf im Vergleich zur Anbindehaltung. Aufgrund des zunehmenden Platzmangels innerhalb der Gemeinden und Dörfern sind die Landwirte dazu gezwungen, ihre Wirtschaftsgebäude in den Außenbereich zu verlagern.

Der erste Programmpunkt der Veranstaltung startete mit einer Betriebsbesichtigung des Betriebs Eichner aus Holzkirchen. Auf dem Betrieb werden 46 Milchkühe mit Nachzucht bei einer jährlichen Milchleistung von über 9.000 kg gehalten und insgesamt 45 Hektar landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftet. Neben dem Hofnachfolger Marinus arbeiten Vater Franz und Mutter Babara mit. Im Jahr 2004 wurde bereits in einen Laufstall investiert. Auch der technische Fortschritt macht in der Landwirtschaft nicht halt. Vor wenigen Monaten wurde ein automatisches Melksystem am Betrieb Eichner installiert. Dieses System spart nicht nur knappe Arbeitszeit, sondern reduziert den Energieverbrauch am Betrieb enorm. Da es für die Familie Eichner zu riskant wäre, nur auf ein Standbein zu setzen, entschloss sie sich zu diversifizieren.

Erst vor kurzem wurde ein Nebengebäude fertiggestellt, indem ein Veranstaltungsraum errichtet wurde, der Platz für private Feiern oder Firmenveranstaltungen bietet. Auch die Direktvermarktung spielt bei Familie Eichner eine wichtige Rolle. Es befinden sich eine Milchtankstelle sowie ein Warenautomat im Bau, bei dem ei-gens hergestellte Produkte wie Fleisch und Käse gekauft werden können. Auf diese Weise versucht sich die Familie vor Preisschwankungen abzusichern und ihr unternehmerisches Risiko auf mehrere Standbeine zu verteilen.

Marinus Eichner, selbst Studierender des zweiten Semesters an der Landwirtschaftsschule Holzkirchen, führte die Gymnasiasten im Rahmen eines Rundgangs über seinen elterlichen Betrieb und gab einen Einblick in die landwirtschaftliche Produktion. Nach dem Rundgang stellten sich die Studierenden der Landwirtschaftsschule weiteren Fragen der Gymnasiasten. Thematisiert wurde zum einen die noch immer andauernde Corona-Krise. Die Landwirte und Molkereien haben hier unter anderem mit einem geringe-ren Milchabsatz, der sich auf einen geringeren Milchpreis niederschlägt, zu kämpfen, da beispielsweise die Gastronomie und Hotellerie enorme Einbußen haben. Zum anderen be-klagten die Studierenden die Problematik im Umgang mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Man sei den Supermärkten förmlich ausgeliefert und müsse die Preise hinnehmen, die die großen Supermarktketten bestimmen. „Die anstrengende Arbeit wird von uns gerne gemacht, doch man bekommt regelmäßig eine ‚Watschn‘ vom Handel“, so Sabine Buchberger, Studierende des zweiten Semesters. Rolf Oehler appelliert dabei direkt an die Verbraucher. Durch den Kauf von mehr regionalen Produkten könne jeder Einzelne dafür Sorge tragen die Landwirtschaft in der Heimat zu unterstützen.

„Der Dialog muss mehr werden!“

Bei einem Punkt waren sich die Studierenden und Gymnasiasten einig: „Der Dialog muss mehr werden!“, so Leonhard Hinterholzer, Semestersprecher ebenfalls Studierender des zweiten Semesters. Die Vernetzung zwischen Landwirtschaft und Verbraucher müsse gesteigert werden. Weiter werde in den Schulen noch zu wenig über die heimische Landwirtschaft gelehrt. Ebenso dürfe die Landwirtschaft im Hinblick auf Skandale im Fernsehen nicht verallgemeinert und alle Landwirte über einen Kamm geschert werden. Die Schüler bemängelten, dass man wenig über die Landwirtschaft gelehrt bekomme. „Man bekommt nichts mit, nur was im Fernsehen läuft“, so die Schülerin Alexandra Kriecherbauer.

In Bezug auf immer größer werdende Ställe stellten die Studierenden klar, dass große Ställe nichts mit schlechteren Lebensbedingungen für die Tiere zu tun haben. Die Studierenden richteten ihren Appell an die Verbraucher, sich mehr mit der heimischen Landwirtschaft auseinanderzusetzen. „Wir sind immer offen“, so Sabine Buchberger.
Weiter wurde das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ diskutiert. Die Studierenden fühlen sich dabei an den Pranger gestellt, da nicht ausschließlich die Landwirtschaft am Artensterben schuld sei. Ebenso wurde die biologische Landwirtschaft thematisiert. Dabei wurde verdeutlicht, dass sich der Absatz und damit die Verbrauchernachfrage an biologischen Lebensmitteln stark erhöhen müsse. Das Ziel bis 2030 einen Anteil der biologischen Landwirtschaft von 30% zu erreichen, ist nur realisierbar, wenn auch die Verbraucher mehr Bioprodukte kaufen. Johann Gams, Studierender des zweiten Semesters und selbst Biolandwirt stellt dabei auch klar, dass Bio allein nicht die Welt rette. „Die konventionelle Wirtschaftsweise ist mit einem gesunden Maß und Ziel nicht schlechter als Biologische“, so Gams weiter.

Ebenso wurde das Thema EU-FörderungSubventionen angesprochen. Jeder landwirtschaft-liche Betrieb kann staatliche Gelder beantragen und muss sich im Gegenzug an gewisse Auflagen halten. Die Studierenden verdeutlichten, dass alle Betriebe in der gesamten EU vergleichbare Direktzahlungen dieselben Subventionen erhalten, es aber deutliche Unter-schiede bei den Auflagen gäbe. So haben die Betriebe in Deutschland mit den höchsten Auflagen zu kämpfen. „Am liebsten wäre es uns, wenn wir keine Subventionen bräuchten, aber aufgrund der niedrigen Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte wie beispielsweise Milch oder Fleisch ist das nicht möglich“, so Leonhard Burger, Studierender des zweiten Semesters.

Immer strenger werdende Auflagen belasten die Betriebe sehr. „Die Landwirte können nicht über 100 Seiten Verordnungen lesen“, stellte Rolf Oehler klar. Deshalb sei es wichtig, diese Themen in die Lehre der Winterschule einfließen zu lassen oder bei Veranstaltungen den Landwirten vor Ort näher zu bringen. Weiter sei es wichtig, nicht nur die landwirtschaftliche Produktion im Unterricht zu vermitteln. Es komme immer mehr darauf an, in den Dialog mit der Gesellschaft und den Verbrauchern zu treten und dort seine Meinung zu vertreten und Stellung zu nehmen.

Die neu gesammelten Eindrücke lassen nun die Gymnasiasten in ihr P-Seminar „Geographische Exkursionen“ einfließen. Dabei soll ein Konzept ausgearbeitet werden, mit Hilfe dessen zukünftige Betriebsbesichtigungen des Gymnasiums geplant werden können. Geplant sei, dieses Konzept im Herbst umzusetzen und weitere Betriebsbesichtigungen zu veranstalten, um so die heimische Landwirtschaft den Gymnasiasten der jüngeren Jahrgangsstufe näher zu bringen.

Pressefoto: Landwirtschaftsschule Holzkirchen

 


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