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Kulturbühne Hinterhalt

Weibliche Blickwinkel aus Föhrenwald

Von Peter Herrmann

Gelting/Waldram, 11.3.2021 – Im Lager Föhrenwald fanden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg sogenannte Displaced Persons (DPs) - Überlebende des Holocaust - eine vorübergehende Heimat. Die Biografien der dort lebenden Frauen prägten eine gemeinsame Livestream-Veranstaltung der „Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald“ und des Kulturvereins Isar-Loisach (KIL).

Interview mit Zeitzeugin Chana Braun

Am Vorabend des Weltfrauentags stellten Badehaus-Vorsitzende Dr. Sybille Krafft und KIL-Vorsitzende Assunta Tammelleo unter anderem die mittlerweile 83-jährige Chana Braun vor, die im einstigen DP-Lager Föhrenwald geheiratet hatte. Die Zeitzeugin hat in ihrem Leben viele Höhen und Tiefen erlebt. Bereits in ihrer frühen Kindheit wurde das in der Nähe von Lublin (Polen) geborene Mädchen mit ihren Eltern in ein sibirisches Arbeitslager verschleppt. Im Alter von zwölf Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Föhrenwald.

Das heutige Waldram galt damals als „letztes jiddisches Stetl auf europäischem Boden“. Dort absolvierte Chana eine Lehre als Schneiderin und lernte ihren späteren Ehemann Benjamin Braun kennen. „Wir heirateten 1955: Es war die letzte Hochzeit, die in Föhrenwald stattfand“, erinnerte sich die Seniorin. Vor der Trauung mussten sich beide in der Mikwe – dem einstigen jüdischen Ritualbad im Badehaus – waschen. „Ich musste dreimal untertauchen, obwohl ich Angst vor Wasser hatte“, erklärte Chana Braun lachend. Nur ein Jahr später zog sie mit ihrem Mann, der 2019 im Alter von 87 Jahren verstarb, in die USA. 1963 erfolgte schließlich die Rückkehr nach Deutschland, wo die Witwe bis heute lebt.

Jiddische Lieder von Susanne Weinhöppel 

Umrahmt wurde dieses kurzweilige Zeitzeugeninterview von den musikalischen Beiträgen der Münchner Harfenistin Susanne Weinhöppel. Ihre frechen und amüsanten jiddischen Lieder passten gut zu den auf der Leinwand eingespielten Lesebeiträgen von sechs weiblichen Badehaus-Mitgliedern. Sie zeigten sich allesamt beeindruckt von den unterschiedlichen Frauenbiografien. Empathie verspürte auch die Fotografin Justine Bittner.Im abschließenden Gespräch mit Assunta Tammelleo bezeichnete sie Menschen als „bevorzugtes Motiv“. Ihre Porträts von Flüchtlingen, die nach dem Krieg in Oberbayern eine vorübergehende Heimat fanden, werden noch bis zum 28. November im Badehaus zu sehen sein. Schon ab dem 19. März sind wieder Führungen im Erinnerungsort am Kolpingplatz 1 in Waldram möglich.

Info: Termine für Führungen durch den Erinnerungsort Badehaus können unter der Telefonnummer 0 81 71/2 57 25 02 vereinbart werden. 

Info: Der Live-Stream ist weiterhin zu finden auf www.kulturverein-isar-loisach.de  

Fotos: Peter Herrmann


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