Das Magazin für das Bayerische Oberland

Lenny Popkin Trio in der Loisachhalle

Just Jazz!

von Barbara Semelka

Wolfratshausen, 26.1.2014 – Cool, abgeklärt, biegsam und an Klassik angelehnt ist am Freitag in der Loisachhalle der Jazz: Das Lenny-Popkin-Trio gastierte und fesselte vor allem die Cool-Jazz-Spezialisten im Publikum, die Free-Jazz oder den unberechenbaren und wilden Bebop zu anstrengend finden. Was für ein eleganter Ton, welche genialen Improvisationen des Saxofonisten und Trio-Leiters Lenny Popkin. Der weltbekannte Musiker ist nicht nur ein Schüler des Cool-Jazz-Entwicklers und Pianisten Lennie Tristano, er hat auch dessen Tochter geheiratet: die Drummerin Carol Tristano. Das coole musikalische Flechtwerk ergänzt der Bassist Gilles Natural.

Minimalistisch geht es zu. Denn Lenny Popkin erzählt und erklärt nichts und sagt nur knapp, leise, fast schüchtern die Nummern in Englisch an – meist aus dem großen Repertoire der sogenannten Standards. Denn seine Devise und auch die seines großen Vorbilds Tristano heißt: Just Jazz! Also Musik pur, die Essenz von Jazz, seine philosophische Seite. Nie brüskierend aber auch nicht direkt versöhnend. Cool eben. Sie haben sich bekämpft, die extrovertierten Musiker der Bebop-Bewegung wie Thelonious Monk, Dizzy Gillespie oder Charlie Parker und die Cool-Jazzer wie Miles Davis, die freundliche, glatte, melodiöse aber spannungsreiche Wege beschreiten wollten und es bis heute tun. Allen voran Lennie Tristano.

Minimalistisch auch das Saxofonspiel mit melodischen Bögen, graziös, fast tänzerisch anmutend. Die zweite Stimme gibt der Bassist Gilles Natural, klassisch gezupft oder mit dem Bogen gestrichen. Auch er spielt weich und wellig. Und die Drummerin tut das, was beim Cool-Jazz üblich ist: sich zurückhalten und nicht zu „schießen“, die Trommeln und die dunkle Base-Drum zu forcieren. Carol Tristano ist die Time-Keeperin und bringt es zu Wege, eine gesamte Nummer lang präzise wie ein Metronom den ewig gleichen Takt mit Stöcken auf die Becken durchzuhalten. Ihre beiden Trio-Kollegen goutieren das mit zustimmendem Kopfnicken. Kurz vor der Pause kann die Tristano-Tochter zeigen, was in ihrem überschaubaren Equipment steckt. Wie ungeheuer temporeich sie es beherrscht und über welch gute Technik sie verfügt. Sicher hat sie Einfälle, könnte sich hervortun. Doch das würde die besonderen Klangfarben des Cool-Jazz und des eingeschworenen Teams verwischen. Carol Tristano ist nicht nur an den Becken tätig, sondern kann so einfühlsam mit den Besen auf Trommeln und Becken rühren, dass sich der Zuhörer voll auf die wunderbaren Figuren des einzigen Melodienführenden konzentrieren können: ihren Mann Lenny Popkin und sein Saxofon-Spiel – so rund, weich und traumselig mit nur wenigen rauen Phrasierungen wie bei der Ballade, dem Ohrwurm „Body And Soul“.

Es gibt keinen Schlusspunkt bei anderen Standards wie „Take The A-Train“ von Billy Strayhorn. Die Stücke klingen aus, hören einfach auf mit einem Tupfer auf die Becken oder einem im Raum stehenbleibenden Ton des Bassisten. Kein Rumoren, Aufbegehren. Die Themen von Jazz-Standards und Eigenkompositionen zum Thema Cool-Jazz werden nur angezapft, angespielt, um farbige Bilder zu zaubern. Mitsummen geht nicht, Tanzen ausgeschlossen. Es heißt zuhören, sich mitnehmen lassen auf die kühlende und dennoch wärmende Reise und das unaufdringliche Flechtwerk und den breiten Strom des Saxofons. Vielleicht hat sich der eine oder andere Zuhörer gewünscht, dass sich das Trio im zweiten Set abweichende Klangfarben gönnt, herausfordert, mitreißt, experimentiert. Doch es bleibt bei der Transparenz, bei uneitlen Interpretationen von Ohrwürmern der Jazz-Literatur, bei der Zurückhaltung des Bassisten und der Schlagzeugerin. Alles fließt dahin im ruhigen, innigen Strom des „Familienunternehmens“, wie ein Zuschauer und Cool-Jazz-Fan bemerkt. Der kräftige Schluss-Applaus belohnt den entspannten Jazz-Abend.

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