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Aurelia Baumgartner - Schule für zeitgenössischen Tanz

Die mit der Energie tanzen

Zeitgenössisch Tanzen lernen mit Vincenzo Lapertosa

Von Andrea Weber

Kempfenhausen, 25.01.2010 - Vincenco Lapertosa berührt sanft meinen Nacken, zieht ihn mit einem Ruck gerade und sagt mir, mit dem sanft-singenden Akzent eines Italieners, ich solle doch den Boden unter meinen Füßen spüren. Ich spüre ihn, obwohl ich sowas gar nicht kenne, denn „wer spürt im Alltag schon den Boden unter den Füßen – kein Mensch“, denke ich. Vor mir im Spiegel, der die eine Wand des Tanzsaals einnimmt, sehe ich neben mir die anderen. Alle spüren sie den Boden. Auf Kommando von Vincenzo gehen sie langsam und synchron wie im Moonwalk mit gestreckten Körpern nach vorne, nach hinten, nach rechts und links. „Denkt, dass ihr Marionetten seid, die an Fäden hängen“, erklärt er dazu. Vincenzo Lapertosa ist ein ausgebildeter Tänzer und Choreograph und gibt Unterricht in Aurelia Baumgartners „Schule für Zeitgenössischen Tanz“ in Berg am Starnberger See.


Trauen, sich der Bewegung hinzugeben

Überall in der kleinen Tanzschule hängen Fotografien. Aurelia und Vincenzo sind darauf zu sehen, wie sie auf einer Bühne tanzen und just im Moment einer ausdrucksstarken Haltung vom Auslöser einer Kamera für immer festgehalten wurden. Es sind sinnliche Körperhaltungen, die ganz natürlich wirken und aus der Bewegung heraus entstanden sind. Im „Zeitgenössischen Tanz“ geht es vor allem darum, die Energie zu spüren, sie in sich aufzunehmen und die Blockaden zu lösen. Und es geht darum, sich der freien Bewegung in Raum und Zeit hinzugeben – quasi entstehen lassen, was kommen will. Diese Tanzform ist anders als das Ballett, wo in hoher Konzentration eine Choreographie inszeniert wird, bei dem jeder Schritt, jede Armbewegung, jede Körperhaltung perfekt einstudiert werden muss.

Sein wie man ist

Seit 2001 gibt es die „Schule für Zeitgenössischen Tanz“ in Berg am Starnberger See von Aurelia Baumgartner. Sie ist gelernte Philosophin, Choreographin, Tänzerin und Tanzpädagogin. Aus diesem Hintergrund heraus, realisierte sie ihre eigene Idee eines Tanzunterrichts. Die Rationalität, sagt sie, lasse in unserer heutigen Gesellschaft den Menschen als Ganzes, als Geist- und Sinneswesen nicht mehr so sein wie er ist. Erst in der individuellen Ausgewogenheit von Körper, Seele und Geist könne er sein vollständiges Potential entfalten, nach Meinung der Tanzlehrerin. In ihrer Schule versucht Baumgartner dies ein Stück weit mit ihren Tanzschülern zu leben. Neben dem Zeitgenössischen Tanz bietet sie weitere Formen der Bewegung an: Modern Jazz, Ballett, kreativen Tanz, aber auch Tai Chi, Pakua und Tanzunterricht für Kinder. Jeder Kurs wird von internationalen Profitänzern durchgeführt.
So wie Vincenzo Lapertosa einer ist, der gerade seinen Schülern aus der Anfängerstunde Bewegungen vormacht, die ganz einfach aussehen. Er kippt den Kopf nach hinten, hält das Becken gerade, geht in die Knie und lässt dann seinen Oberkörper mit einem Ruck nach vorne fallen. Dann baumelt alles an ihm, als hätte der Mann keine Muskulatur. Ich mache es nach, versuche es zumindest, doch bei mir will nichts baumeln, so angespannt ist mein ganzer Körper. Ich habe in der schnelllebigen Zeit, im stressigen Job längs verlernt loszulassen. „Fühlt euer Skelett, wie es instabil wackelt“, weist uns Vincenzo an. Und ich frage mich: Hab ich überhaupt noch eines?

chule für zeitgenössischen Tanz Aurelia BaumgartnerDer gebürtige Italiener hat seinen Hochschulabschluss in der „Academia Nationale Di Danza“ in Rom gemacht. Er studierte die Methode der „Scuola Cechetti“, einer weltberühmten Tanzschule, und perfektionierte sein Können mit den unterschiedlichsten Ballettmeistern und in verschiedenen Tanzkompanien. Er tanzte unter anderem als Solist für das Birgit Cullberg Ballett und im Mailand Ballett. Vincenzo Lapertosa war Ballettmeister des „Balletto Della Fondazione Piccinni“ in Bari, wo er vier verschiedene Choreographien („Danza Sourana“ 1997, “Koho`zos“ 1999, „Installazione“ 2002, „Dove sei?Madre“ 2004) entworfen und einstudiert hat. Lapertosa: „Für mich ist es wichtig, dass der Schüler in meinem Unterricht nicht nur lernt seinen Körper wieder zu entdecken, sondern auch sich am Tanzen zu erfreuen und sich durch dieses beglückende Gefühl als Künstler zu fühlen.“

Es sind gut zwei Stunden vergangen. Inzwischen sind meine Bewegungsabläufe harmonischer, sanfter und langsamer geworden. Ich spüre, wie sich bei mir die Anspannung aufgelöst hat zu den exotischen Klängen von Didgeridoos. Wann das geschah, weiß ich gar nicht. Ich sehe mich im großen Spiegel an, wie meine Armen schwingen, sie sogar wackeln, als fehle ihnen die Muskulatur. Am Ende kommen wir zu den ersten Schritten des Anfangs zurück. Vincenco will, dass wir noch einmal den Boden unter den Füßen spüren. „Denkt dran, ihr seid wie Marionetten, die an Fäden hängen und lasst die Energie fließen, von oben durch euren Körper bis zum Boden hinab.“

Schule für zeitgenössischen Tanz
Aurelia Baumgartner

Seebreite 4
82335 Berg / Starnberg
Tel: +49 171 6944317
E-Mail: schule@tanzphilosophie
www.tanzphilosophie.de

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